Von wegen guter Geschmack
Der Dekorateur als Bohemien: Ein Buch zeigt das wilde Leben und Schaffen des Berners Bob Steffen.
Sind Schaufensterdekorationen eventuell Kunst? Falls ja – dann bestimmt die Schöpfungen, mit denen Alfred Jonathan Steffen in Bern regelmässig für Stadtgespräche sorgte. 1953 hatte er sich als Gestalter selbstständig und auch schnell gefragt gemacht; seine Schöpfungen für die Modebranche waren angewandter Surrealismus, so exaltiert wie opulent und unberührt von dem, was man damals den «guten Geschmack» und dessen Grenzen nannte.
Genau das gilt auch für Steffen selber, der am 16. Februar neunzig Jahre alt geworden wäre, also für «Bob» oder «Bob le Flaneur», wie er sich nennen liess, und seinen ausgesprochen unbürgerlichen Lebenswandel: Steffen war ein schwuler Bonvivant und Partykönig, berühmt für seine Affären und seine Kostümbälle.
Und spätestens hier kommen die Dinge zusammen: Lebens- und Schaufensterkunst. Oder Selbst- und Produktdarstellung. So versteht es auch die Filmerin Veronika Minder, die einen Band mit Bildern aus Steffens üppigem Bildernachlass zusammengestellt hat. Man sieht hier beides: das wilde Leben und das nicht weniger wilde Schaffen eines Mannes, dessen grosses Thema die Inszenierung war.

Veronika Minder (Hrsg.): Art Décor. Alfred Jonathan Steffen.
Mit Texten von Claudia Honegger, Ariane von Graffenried und anderen.
Edition Patrick Frey, Zürich 2017.
250 Seiten, 300 Bilder, etwa 60 Franken.
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