Der Name der Hose

Der Herbst ist die Zeit der Wirbelstürme, wohin man schaut. Zeit, dass Sie stilsicher den richtigen Namen für das entsprechende Wirbelereignis kennen – willkommen bei der Wettermacher-Volkshochschule!

1. Der häufigste Schweizer Wirbelsturm: Die Wasserhose

Es braucht nicht viel: warmes, am besten sehr warmes Wasser, wie wir es nach diesem Sommer hatten, die erste Höhenkaltluft des Spätsommers, dadurch eine grosse Temperaturdifferenz zwischen oben und unten und deshalb die Lust, dass Luft nach oben aufsteigt, wenn eine Schauerwolke noch ein bitzli mithilft. Dann fehlen nur noch unterschiedliche Windrichtungen beim Aufstieg, die den Aufwindschlauch in Rotation bringen, und fertig ist die Wasserhose, wie sie am 26. August über dem Zugersee von Goldau aus zu sehen war:

2. Tornados – wenns aufs Land geht

Wenn die Wasserhose von oben kurz aufs Land geht, wird sie schnell sterben, weil sie von unten nicht mehr das warme Wasser hat. Dennoch wird sie für kurze Zeit ein Tornado, solange der Rüssel Bodenkontakt hat. Manchmal ist der Rüssel auch unsichtbar, also der Wasserdampf nicht kondensiert, auch dann handelt es sich immer noch um einen Tornado. Bei uns gibt es ebenfalls Tornados, manchmal auch starke:

Unser Tornado-Notfallplan? Oh.

Seit fast jeder ein Telefönli mit Kamera hat, entgeht uns heute kaum noch ein Tornado unfotografiert. Allerdings werden dadurch auch viele Ereignisse zu Unrecht als Tornados bezeichnet, wenn die Wolke weit oben ein kleines Rüsseli hat, das aber nie und nimmer bis zum Boden reicht. Dann handelt es sich um eine stiere Trichterwolke (Englisch «funnel cloud»).

Die Entstehung des Tornados ist analog zur Wasserhose, wichtig sind Aufwind und die Scherung (unterschiedliche Windrichtungen und -geschwindigkeiten mit der Höhe) als Rotationsantrieb. Der gerne angebotene «Zusammenprall kalter und warmer Luftmassen» spielt keine Rolle, weil es ihn so eigentlich auch gar nicht gibt (mehr Infos finden Sie in diesem Video).

3. Der traurige Bruder: Der Staubteufel

Auch hier hilft ein heisser Sommer, dann geht alles wie von selbst, vor allem über heissen Äckern, die sich so überhitzen, dass sich der Wirbel ganz ohne Oberbau, also eine Wolke, bilden kann. Wenn man im Internet fliegende Sonnenschirme an Stränden und fliehende Menschen an Sportplätzen sieht, ist ein Staubteufel unterwegs. Die Windgeschwindigkeiten von bis zu 150 Kilometern pro Stunden stehen hinter manchen Tornados zurück, trotzdem sollte man Staubteufeln aus dem Weg gehen.

4. Das Grossereignis: Der tropische Wirbelsturm

Wie bei der Wasserhose auf dem Zugersee geht nichts ohne warmes Wasser, viel warmes Wasser. Üblicherweise 26 bis 28 Grad sind die Voraussetzung und nicht zu nahe am Äquator, damit genügend Corioliskraft da ist, um bei der Tiefdruckbildung zu helfen. Tropische Wirbelstürme sind normale Tiefs, die immer stärker werden, und haben nichts mit Tornados zu tun, ausser dass es am Rand von tropischen Wirbelstürmen manchmal Tornados geben kann.

Deswegen gelten auch ganz andere Regeln, nämlich dass das Glück bei der Bildung eines tropischen Wirbelsturms liegt, dass er in Ruhe gelassen werden möchte. Die Scherung mit den unterschiedlichen Wîndrichtungen und -geschwindigkeiten, die bei Tornados hilfreich ist, ist bei Hurrikanen des Teufels. Weil selten alle Bedingungen perfekt sind, gibt es (zum Glück) nicht so viele tropische Wirbelstürme.

Ein sogenannter Medicane: Tief Qendresa mit kurzzeitiger Augenbildung über dem Mittelmeer, 7. November 2014. Foto: Nasa, EOSDIS Worldview

Die Gefahr bei Hurrikanen kommt nicht nur von den hohen Windgeschwindigkeiten her, sondern dass sie so unendlich langsam ziehen mit den Höhenwinden im Grenzbereich zwischen Subtropen und Tropen. Üblicherweise ziehen sie mit 10–20 km/h (und rasen eben nicht auf irgendwas zu, wie man in den Medien oft falsch liest), was bedeutet, dass an einem Ort unendlich grosse Regenmengen fallen und auch die Windbelastung unendlich gross wird, weil es einfach so uhuere lang geht, bis es endlich vorbei ist. Es kommt auch beim Sturm darauf an, ob es – wie bei uns beim Lothar – mal kurz 150 km/h gibt und dann vorbei ist, oder ob es stundenlang so stark bläst und womöglich nach Durchzug des Auges noch mal so lang und stark aus der anderen Richtung. Das bringt viele Häuser an den Rand ihrer Möglichkeiten.

Mit zunehmender Klimaerwärmung ist denkbar, dass es kleinere tropisch anmutende Wirbelstürme (mit einem warmen Zentrum) auch über dem Mittelmeer («Medicanes») häufiger geben wir. Der Zürichsee ist dagegen für alles zu klein, egal wie warm das Wasser wird.

7 Kommentare zu «Der Name der Hose»

  • Anton Paschke sagt:

    Sajama, Bolivien, 4000 Meter über Meer, grosse Flächen von schwarzem vulkanischem Sand. Da gibt es jeden Nachmittag ordentliche Staubteufel. Ich habe ein Bild von einem, der ist gute 400 Meter hoch und durchaus kräftig genug um ein Dach abzudecken.

    Das Wort Wasserhose verbinde ich mit dem mittelalterlichen Model einer Hose, die eigentlich nur aus zwei getrennten Hosenbeinen bestand. Dem nahe ist wiederum die englische Hose, die deutsch jetzt Schlauch heisst.

  • Philipp M. Rittermann sagt:

    ein hurricane über züri wär aber geil. ein heftiger. ich kaufte mir dann eine taucherausrüstung und tauchte im zürisee nach den versunkenen schätzen der banken-hinterlassenschaft am ehemaligen paradeplatz. zusammen mit dem kweku und dem sertschi-o. -:)

  • Thomas Meiner sagt:

    Danke! Sehr anschaulicher Artikel. Erfrischende Sprache! Weiter so!

  • Peter sagt:

    Man sollte noch erwähnen, dass der Tornado auf deutsch schlicht Windhose heisst. Tönt aber halt weniger dramatisch.

    • Andreas sagt:

      Deshalb gibt es ja z.B. auch die „Russenpeitsche“, und zwar inzwischen schon dann, wenn die Temperatur unter 0 Grad fällt.

    • Helga Tränensack sagt:

      Das assoziieren Sie jetzt so. Wahrscheinlich durch Hollywoodfilme manipuliert. Tornado kommt aus dem Spanischen und bedeutet auch nicht viel mehr als etwas Drehendes und Umkehrendes. Nicht wirklich dramatisch, oder? Zugegeben, Windhose hat etwas Lächerliches, aber Wirbelwind ist doch schon mal gar nicht schlecht. Im Englischen bedient man sich sonst auch noch dem Begriff „twister“ oder ebenfalls „whirlwind“.

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