Sommerfans dürfen hoffen

Langfristvorhersagen sind wie immer mit Vorsicht zu geniessen. Foto: Lukas (Pexels)

Der 27. Juni, der eigentliche Siebenschläfertag, hat keine Bedeutung für das Wetter. Wir müssen die erste Juliwoche ansehen. Um es gleich vorneweg zu sagen: Dieser Siebenschläfer hat nichts mit dem herzigen Viechli zu tun, sondern es sollen mal sieben junge Christen 195 Jahre geschlafen haben und am 27. Juni 446 entdeckt worden sein.

Dass der 27. Juni überhaupt noch jedes Jahr im Zusammenhang mit dem Wetter ein Medienthema ist, lässt Meteorologen regelmässig zum Beissholz greifen, denn die Wetterregel (wenn das Wetter soundso, dann bleibt es sieben Wochen) ist zwar ohnehin falsch, ist aber wegen der gregorianischen Kalenderreform ganz besonders falsch, weil die Regel gut eine Woche in die Zukunft verschoben werden muss.

Allerdings macht das Neudefinieren der Siebenschläfer auf den 7. Juli die Regel nur wenig besser, zumal eben das Gleichbleiben des Wetters für sieben Wochen völliger Blödsinn und statistisch in keiner Form nachgewiesen werden konnte.

Wenn eine Regel, dann diese

Damit die Regel etwas mehr Leben als ein abgetauter Kühlschrank hat, muss sie umformuliert werden. Korrekt hiesse sie: «Etabliert sich in der ersten Juliwoche, spätestens in der ersten Julidekade eine hochsommerliche Wetterlage, so ist die Wahrscheinlichkeit etwa 2:1, dass diese Wetterlage bis zum MONATSENDE DES JULI (Hervorhebung durch den Autor) vorherrschend bleibt.»

Das bedeutet, dass es zwar mit 30–40 Prozent Wahrscheinlichkeit immer noch schiefgehen kann, aber es wahrscheinlicher ist, dass es so bleibt, wenn es in den ersten Julitagen eher heiss statt kühl und trocken statt nass ist. Für solche Monate ist dann der 1. August ein beliebtes Datum für erste süttige Gewitter nach einem heissen Juli.

Wir müssen also erst herausfinden, wie die erste Juliwoche wird. Nimmt man als Beispiel Zürich (hier gehts zum 14-Tage-Trend, Unsicherheitsbereiche in der Grafik, andere Orte via Menü), sieht man, dass die Temperaturen zwar generell auf sommerlichem Niveau bleiben, aber genau in den entscheidenden Tagen die Gewittergefahr erst zunimmt, später wieder abnimmt. Das würde bedeuten, wenn es denn so bleibt, dass die Siebenschläferkarte eher Richtung Hochsommervariante gezogen würde.

Rückkehr zur Normalität

Die langfristigeren Vorhersagen des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersagen (ECMWF) stützen diese Variante. Es werden für die kommenden anderthalb Monate Wochenvorhersagen für die Abweichung der Temperatur vom Normalwert angegeben. Je dunkler bis brauner das Rot, desto wilder die Hitze im Vergleich zum Schnitt. Graue Farben, wie sie ab August vorkommen, bedeuten Rückkehr zur Normalität für die Jahreszeit (und dem Wetter, was viele Menschen inzwischen als «extrem kühl» bezeichnen):

 

 

Eine grosse Temperaturabweichung nach oben könnte natürlich auch eine permanente Gewitterlust wie einst im Mai bedeuten. Allerdings zeigt die Vorhersage für die Regenabweichung von der Normalität bis zum 12. August eher einen Fortbestand der grossen Dürre über Nord- und Mitteleuropa und eher durchschnittliche bis zu nasse Verhältnisse rund ums Mittelmeer an:

Karten: Weathermodels.com

Wie immer sind solche Langfristvorhersagen mit Vorsicht zu geniessen, aber für die Sommerfans lassen sie zumindest hoffen. In einer Woche wissen wir mehr und wir warten gemeinsam auf den 27. Juni 2019, der für das Wetter in den sieben Wochen danach wieder null Bedeutung haben wird, was wiederum die allermeisten Medien nicht hindern wird, an jenem Tag trotzdem eine komplett bireweiche Geschichte zur (Nicht-) Bedeutung des Tages zu machen.

Hoffentlich hält das Beissholz noch ein Jahr!

7 Kommentare zu «Sommerfans dürfen hoffen»

  • Asta Amman sagt:

    „Je brauner das Rot, desto wilder die Hitze im Vergleich zum Schnitt.“

    „Wild“ hat wohl noch kaum jemand exzessive Hitze genannt – ausser Herrn Kachelmann. „Wilde Hitze“ hat das Zeug zum Dauerbrenner, ähnlich wie die Blumenkohlwolke.

    Extreme Hitze lässt sich nicht zähmen, dagegen ist Kälte in unseren gut geheizten Domizilen ein Schosshündchen. Wilde Hitze: Sehr cooler Ausdruck.

  • Urmeli sagt:

    Ein ganzer Artikel! Ohne offensichtliche Rechtschreibfehler! Das es so etwas im Internet noch gibt hätte ich nicht gedacht!
    Glückwusch! Übrigens auch zum gewohnt guten Inhalt!

  • Reto Müller sagt:

    Hoffen wir wieder mal auf einen kühlen und nassen Sommer, das wäre überfällig und hat es seit Jahren nicht mehr gegeben. Die Chancen dafür sind aber wohl weniger als 10%. Die Monate April bis Juni waren ja wieder mal 2 Grad zu heiss und dies verglichen mit der Referenzperiode 1981-2010, in welcher die Temperaturen wegen der Klimaerwärmung auch schon massiv gestiegen sind.

  • Rita Süßholz sagt:

    Herr Kachelmann, Die alten Bauernregeln sind alles andere als Blödsinn. Summieren sich doch darin die Erfahrungen von Jahrhunderten, die nur deshalb statistisch nicht nachweisbar sind, weil eben keine Daten vorhanden. Was die Leute aber heute mit Sicherheit behaupten können, sind falsche Wettervorhersagen der Meteorologen. Selbst Wetteransagen der „nur“ nächsten 24h sind häufig falsch. Lustig wird es aber bei Vorausschauen von 10 Tagen, oder mehr. Also besser nochmals die 7-Schläferregel vor Augen führen, dass Beissholz weglegen und in die tollen „Berechnungen“ mit einfließen lassen. Der Hinweis mit dem gregorianischen Kalender ist aber richtig.

    • Jörg Kachelmann sagt:

      Sehr geehrte Frau Süssholz (cooles Pseudonym!)

      Was Sie schreiben, ist völliger Unsinn, weil die Daten seit über 200 Jahren vorliegen und man ind en letzten Jahrzehnten auch ohne Problem sehen kann, dass der 27. Juni keine Bedeutung hat. Was die Vorhersagequalität angeht: Wir hatten das Thema schon https://blog.tagesanzeiger.ch/wettermacher/index.php/229/ist-morgen-grillwetter/ Sie schauen einfach dort, wo man nicht schauen sollte.

      • Rita Süßholz sagt:

        Herr Kachelmann, Sie verwechseln die max. 200-jährige Temperarurhistorie mit den Bauernregeln, die schon im Mittelalter und noch viel früher den Bauern eine aus Erfahrung gute Hilfestütze für ihre Ernten waren. Verlässliche Wetter Modelle berechnen zu lassen unterliegen nicht nur komplexen Faktoren, die Meteorologen kaum in der Gänze zur Verfügung stehen, geschweige denn mangels Rechnerkapazitäten aufarbeiten könnten. Vielleicht wird es ja irgendwann mit den gewünschten Quantenrechnern besser, heute allerdings bleibt die Sage, also das Körnchen Wahrheit in den prognostizierten Berechnungen die einzig realistische Aussage. Die Klima-Lüge der angeblich menschengemachten Erderwärmung, die Mainstream-Meteorologen der Wirtschaft für neue Absatzmärkte zur Verfügung stellen, tun dabei ihr übriges

  • marsel sagt:

    Klar, hoffen darf man trotzdem, aber aktuell schaut der 7.7. nach Prognose Kachelmann kühl und blitzig aus.

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