So schützt man sich vor Blitzeinschlägen

Es gibt nur einen wirklich verlässlichen Tipp bei Gewitter: Seien Sie kein Ziel für den Blitz. (Foto: iStock)
Wie immer ist der Anfang eines Gewitters ein ganz schüücher, auch wenn es am Ende ein grosses, wichtiges Getöse wird. Man sieht auch, wie unendlich lange Zeit man fast immer hat, sich auf ein Gewitter vorzubereiten, zu vermeiden, dass man einsam auf einer Wiese steht und vom Blitz erschlagen wird. Aber dazu später mehr.
Unser Gewitter begann sein Leben am Mittwoch um 16.55 Uhr beim Kloster Einsiedeln mit diesem kleinen Regenschauer.
Eine Stunde lang passierte nicht viel, der Schauer zog langsam Richtung Norden und verstärkte sich zunächst ein wenig und wurde um 17.10 Uhr ein rechter Regenguss. 20 Minuten später hat es in Richti, Wädi und Rappi ein wenig getröpfelt und man musste kurz denken: Das wars, wenn man das Radarbild von 17.30 Uhr ansieht, das einen müden Schauer zeigt.
Nur eine Viertelstunde später aber eine dramatische Wendung: Wie Popcorn entwickeln sich im gesamten Süden des Kantons Zürich und im Umfeld kräftige Schauer im Gleichschritt.
Das Wägital ist ein klassisches Gewitter-Brutgebiet. Normalerweise ziehen frische Gewitter von dort aus gerne Richtung Speer und dann ins Toggenburg, aber am Mittwoch kamen die Höhenwinde aus Süd (nur diese entscheiden über die Gewitterzugbahn) – die ersten Blitze wurden rund um Schübelbach registriert, sie zündeten noch nicht in den Boden, sondern waren reine Wolkenblitze.
Dann ging es Schlag auf Schlag: Um 18 Uhr gab es schon die ersten hagelverdächtigen violetten Echos, die Gewitter hatten sich aber noch nicht zusammengeschlossen und bestanden aus mehreren kleinen Einzelpfüpfli.
Eine Stunde später war dann zusammengewachsen, was zusammengehörte, mit Starkregen und Gewitter, das sich fast schon über den ganzen Kanton ausdehnte.
Doch eher ein Gmüetliberg
Die Gewitterböen kamen auch zu der Zeit, am stärksten fielen sie am Rand des Flughafens Kloten aus (die Messstation liegt in Oberglatt), auch am See am Mythenquai und im Tiefenbrunnen hat es kurz anständig gewindet. Das was Uetliberg genannt und oft so zitiert wird und diesmal schwächer war als unten, ist übrigens nie der Wind auf dem Uetliberg, sondern derjenige auf der Turmspitze. Deswegen müssen Zürcher nie erschüttert sein, wenn sie von dramatischen Windgeschwindigkeiten auf dem Uetliberg hören. Dort ist es wegen der vielen Bäume auch vom Wind her eher ein Gmüetliberg. Die Dramawerte stammen nur von der Spitze des 187 Meter hohen Turmes, was uns aber immer verschwiegen wird, weil 200 Kilometer pro Stunde «auf dem Uetliberg» besser klicken als dieselbe Windgeschwindigkeit auf der Spitze des Uetliberg-Turms.
Das Gewitter war sehr blitzreich, wie man an diesem Halbstundenausschnitt sieht, 686 Blitze zwischen 18.45 und 19.15 Uhr (Detailanalyse mit Blitzstärke und Einschlagsort via Klick auf ein Blitzsymbol): Bei so vielen Blitzen stellen sich Menschen immer wieder die Frage: «Was tun, wenn man von einem Gewitter überrascht wird?»
Merken Sie sich diese Verhaltenstipps ein für allemal
Nun, niemand, der bei Trost ist, kann von einem Gewitter überrascht werden. Sie sehen auch am Ablauf der Ereignisse von gestern, dass Sie immer Zeit haben. Auch wenn Sie kein Radar sehen: Der Himmel zeigt Ihnen, was passiert. Es zwingt Sie niemand, an einem gewittrigen Tag eine Bergtour oder Wanderung zu machen. Stehen Sie früh auf oder seien Sie mittags zu Hause.
Falls Sie sich dennoch inmitten eines Gewitters befinden:
- Versuchen Sie, das nächstbeste Auto oder Haus zu erreichen. Ist es eine Scheune oder ein Holzhaus ohne Blitzschutz, sollten Sie in der Mitte des Gebäudes im untersten Stock warten, bis es vorbei ist. Falls Sie wirklich auf einer Wiese sein sollten: in die Hocke und Füsse zusammen.
- Blitzeinschlag in Sie als Person ist von der Wahrscheinlichkeit her wie ein Sechser im Lotto, Superzahl und Weihnachten zusammen. Und ein Blitzeinschlag in den Boden in Ihrer Nähe ist auch äusserst selten. Strom fliesst durch die Spannungsunterschiede im Boden. Stehen Sie breitbeinig oder – noch schlimmer – liegen Sie im Zelt am Boden, so gibt es einen Spannungsunterschied zwischen linkem und rechtem Fuss oder Kopf und Fuss. Der Strom fliesst durch Sie hindurch, was schwere Verletzungen oder den Tod zur Folge hat. Sind die Füsse hingegen geschlossen, ist die Schrittspannung deutlich geringer und damit steigt die Überlebenschance.
- Alle folgenden Personen und Gegenstände haben dasselbe Risiko, vom Blitz getroffen zu werden: Velofahrer, Fussgänger gleicher Grösse, Golfspieler mit einem Metalldings, Golfspieler mit einem Holzdings, Menschen mit einem Plastik- oder Metall-Regenschirm, Campingzelte mit Metall- oder Fiberglasstängeli. Menschen unter Buchen, Eichen und allen anderen Bäumen. Segler in Plastik-, Holz- und Metallbooten auf dem See. Menschen mit und ohne Ehering und Goldketteli. Genauso wie Menschen mit oder ohne Telefon in der Hand.
- Übrigens: Blitzableiter ziehen keine Blitze an, sondern sorgen dafür, dass der Blitz im Falle eines Einschlags in ein Haus sinnvoll in den Boden abgeleitet wird.
- Eine finale Sache: Die grösste vorstellbare Gewitterkatastrophe ist ein starker Blitzeinschlag in eine nächtliche Zeltstadt bei einem Festival. Menschen schlafen in den Zelten, Dutzende wären tot. Diese Menschen müssen deshalb einen Plan haben bei Gewittern auf einem Festivalgelände. Sie müssen rechtzeitig Schutz in einem Auto suchen – also dafür sorgen, dass sie Platz finden und sich früh genug darum kümmern.
- Wir nennen das mit dem Blitz «low risk, high impact». Vor allem junge Leute unterschätzen, dass ein Sechser im Lotto gar nicht so selten ist. Also seien Sie kein Ziel für den Blitz. Und: Nur Deppen werden vom Gewitter «überrascht».
38 Kommentare zu «So schützt man sich vor Blitzeinschlägen»
So schützt man sich vor Blitzeinschlägen.
Das Buch Physik spricht von Ausschlagen, dies erklaert sehr vieles.
Das Photo zeigt es, der Blitz ist am Boden am heller.
Die Tipps sind ja ganz plausibel, aber was macht man als nicht ganz so sportlicher, junger Mensch auf der freien Wiese, wenn man es nur kurze Zeit in der Hocke aushält? Und was die Zeit angeht, die man noch hat, sich ein sicheres Plätzchen zu suchen: ich habe es auch schon erlebt, dass ganz plötzlich ein einzelner Blitz mit heftigem Donner aufgetreten ist, nichts davor und nichts mehr danach. Natürlich nicht bei strahlend blauen Himmel, aber doch überraschend.
Schrittspannung: Wegen der grossen Distanz der Vorder- und Hinterbeine werden Kühe und Pferde oft vom Blitz erschlagen. Ein daneben stehender Mensch erleidet keinen Schaden.
Guter Kommentar.
Frage wie verhält sich das in einem Wohnwagen? Gelten dort die gleichen Gesetze wie bei einem Auto?
Kommt darauf an aus was er besteht. Wenn er aus Metall ist, wirkt er als Faradayscher Käfig und bietet Schutz. Sonst nicht.
Gestern hat bei uns in der Nachbarschaft der Blitz eingeschlagen. Verbunden mit einem Wahnsinnsknall! Ich zog die Schuhe an und ging raus, aber man konnte den Blitz leider nicht mehr sehen.
Könnte daran liegen, dass zuerst der Blitz einschlägt und Sie erst danach den Wahnsinnsknall hören, wenn der Blitz schon wieder weg ist.
Es wäre mir neu, dass wenn man den Donner hört, man noch schnell die Schuhe anziehen und draussen den Blitz beim einschlagen ertappen kann… Marty McFly oder der Doc könnten das vielleicht.
Es mag ein Einzelfall sein, aber wenn man die Story von Bodenkirchen bei Landshut (Deutschland) liest, wird man vom Begriff Schutz im Hause bei Blitzeinschlägen sehr irritiert. Es mag ja ein Einzelfall sein, doch es erstaunt, dass es selbst dort nicht sicher ist…Es heisst ja, man möge sich am ehesten in der Mitte des Zimmers aufhalten, doch ist es dort wirklich sicherer? Opfer reden dann nicht mehr von Einzelfall. Gegenstände im Haus kann man ersetzen, aber den Menschen nicht mehr….lässt also die Druckwelle einen schon töten im Haus? Mit den Klima-Veränderungen wird ja die Wahrscheinlichkeit von noch mehr Unwettern mit heftiger Blitzkultur vorgegeben. Ihre Prognosen u. Wetterkarten helfen, sich zumindest in solchen Situationen sicherer zu fühlen
Was ( auch und gerade heutzutage?) gerne vergessen geht:
Blitze schlagen nicht nur irgendwo ein, sondern sie erzeugen auch noch so ein gigantisches elektromagnetisches Feld.
Da hat vor ein paar Jahren der Blitz ins Nachbarhaus eingeschlagen (ca. 30m, mit Blitzableiter) worauf mein Modem seinen Geist ausgehaucht hat und das Mainboard einen Hirnschaden erlitt, sozusagen.
Und ja doch, aufgrund von so digitalen Spuren liess sich der Zeitpunkt des Schadens so recht genau mit dem Blitzeinschlag in Zusammenhang bringen.
Ich lese Jörg Kachelmanns Artikel sehr gern. Sie sind pointiert und darum nie langweilig.
Richti, Wädi, Rappi ?
Bitte ganz ausschreiben 🙂
Nein, bitte nicht. Bin dort aufgewachsen: Genau so!
=)
„Blitzableiter zieht keinen Blitz an“
Quatsch. Wenn der Blitzableiter der einzige gute Leiter über der Erdoberfläche in der Umgebung ist, zieht er sehr wohl Blitze an. Jedenfalls die, die sowieso in der Nähe eingeschlagen hätten. Das ganze heisst physikalisch „Spitzenwirkung“ und funktioniert über eine lokale Erhöhung der Feldstärke um herausragende Leiter.
Naja, spitzfindig betrachtet ist das mit der Spitzenwirkung korrekt. Nehmen wir jedoch als Beispiel den Eiffelturm: Es ist der Turm, der die Blitze anzieht, nicht dessen Blitzableiter. Das dürfte für praktisch alle exponierten Gebäude gelten. Wer auf ein Haus – in der Absicht Blitzschutz zu betreiben – einen zusätzlichen herausragenden Leiter installiert, hat keinen Blitzableiter gebaut, sondern gepfuscht.
Baut man eine Antenne aufs Dach, sieht es anders aus. Aber eine solche läuft ja nicht unter „Blitzableiter“.
Einverstanden. Wenn ich aber ein hölzernes Fachwerkhaus habe und da an einem Punkt einen dicken Kupferleiter hochziehe, dann wird der sehr wohl den Einschlag auf sich ziehen.
Und bei Dingen wie einem Reetdach ziehe ich sinnvollerweise den Leiter über den First.
Eine brauchbare Daumenregel von Randall Munroe: Man stelle sich die Fläche vor, welche eine eine Kugel mit 60 Meter Durchmesser über dem Gelände aufspannt. Alles was unterhalb der Kugel (beziehungsweise Fläche) ist, wird vom Blitz eher verschont als die oberhalb liegenden Punkte. Wenn ich mich also 100 Meter von einem geerdeten Turm befinde bin ich ungeschützt, stehe ich ein paar Meter vom Turm weg wird der Blitz eher in den Turm als über mich abgeleitet.
Das funktioniert natürlich auch bei Bäumen, nur leiten die nicht sehr gut und sind schlecht geerdet, so dass der Blitz vom Baum dann trotzdem auf die Person darunter hinüber springt oder genug Spannung ableitet aber der Baum durch den Blitz gefällt wird und die Person darunter erschlägt…
@Andy: Die Schrittspannung nicht vergessen, Turm hin oder her.
Ich kann mich an einen Fall erinnern, etwa 1970, wurde ein Mädchen in der Stadt Zürich erschlagen, auf der Strasse, ein paar Meter neben einem 5 Stockwerke hohem Haus.
@A.P.: Aber eben wahrscheinlich durch die Schrittspannung, d.h. vom sich aus der Erdung des Blitzableiters ausbreitenden Strom, nicht direkt vom Blitz getroffen.
Den grössten Schreckmoment meines Lebens hatte ich 2016 beim Weissensteinschwingen. Während des ersten Ganges flüchtete die Menge (auch ich) vor dem grossen Regen und Sturm in das Festzelt.
Der Blitz schlug wenige Meter neben diesem ein. (Man könnte nicht mal Null denken beim Distanz zählen).
Wenn da der Blitz ins Zelt eingeschlagen hätte, ja dann….
Wäre vermutlich nicht mehr passiert, weil die Energie über den Alurahmen des Zelts abgeflossen wäre. Faraday hilft auch da.
Sehr gute Ratschlaege Herr Kachelmann. Leute die glauben das sie schlauer sind als ein Fachmann werden frueher oder spaeter eines besseren belehrt.
Danke für die Tipps.
Wie ist es, wenn
-ich im See schwimme ?
-mit einem Boot rudere (Holz oder Kunststoff) ?
Vielen Dank
Röbi Lehner
@Lehner
Ab(unter)tauchen und warten bis es vorbei ist.
Gern geschehen.
Da wollen wir aber hoffen, das Gewitter dauere nicht zu lange. Sonst ist der Blitz dann das kleinste Problem…
Im See schwimmen? Ich nehme an, der Strom verteile sich gleichmässig im Wasser, seine Stärke nimmt also mit dem Quadrat der Distanz ab. 100 Meter sind sicher zu wenig. Man könnte einen Krampf oder auch nur einen Schreck bekommen und ertrinken.
Im Boot? Sitzend überragt man die Wasseroberfläche etwa um einen Meter. Harmlos.
Ein Meter über einer glatten Fläche wie einem Seespiegel ist keinesfalls harmlos. Da reicht eben schon der Kopf des Schwimmers.
Ist die Wasseroberfläche von den Sturmböen aufgewühlt siehts wieder besser aus. Aber dann hat man andere Probleme…
Lehner: siehe Schrittspannung. Da man im Wasser nicht – jedenfalls nicht für mehr als ein paar Sekunden – kauern und dabei auch noch den Kopf einziehen kann, sind Blitze im Wasser sehr viel gefährlicher als auf trockenem Boden!
Ich lasse mich gerne korrigieren, aber bisher meinte ich, dass das Risiko, vom Blitz getroffen zu werden, bei etwa 1:2’000’000 liegen täte, und damit bedeutend höher wäre, als das Risiko, einen Lott6er zu tippen.
Danke Herr Kachelmann für diese wertvolle Tipps!
„dass der Blitz im Falle eines Einschlags in ein Haus sinnvoll in den Boden abgeleitet wird“ – sinnvoll? Also möglichst über den EW-Zähler? Das einzige Szenario, bei dem ich einen Sinn erkennen könnte… 🙂
Allerdings ist auch hier kein Lottogewinn zu erwarten: Die Gutschrift des EWs betrüge nur wenige Franken, enthält ein Blitz doch eine eher bescheiden anmutende Energiemenge von vielleicht 100 bis 400 kWh. Eine Familie in einem EHF verbraucht rund 10x so viel pro Jahr.
Letztes Jahr hat bei uns im Haus ein Blitz eingeschlagen, vom Blitzschutz in den Boden abgeleitet. Im UG ist sämtliche Elektronik ausgestiegen, vom Telefon über das Garagentor bis zur Elektronik im Crosstrainer. Zudem haben alle Sicherungsautomaten im Tableau im UG angesprochen. Soviel zur Feldstärke.
Danke Herr Kachelmann.. super Tipps..
„Vor allem junge Leute unterschätzen, dass ein Sechser im Lotto gar nicht so selten ist.“
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Wie viele Male haben Sie schon einen 6er im Lotto gehabt?
Wie viele mal wurden Sie schon vom Blitz getroffen?
Beides ist statistisch gut dokumentiert.
Das grösste Risiko, das wir täglich ohne auch nur mit der Wimper zu zucken in Kauf nehmen, ist die Teilnahme am Strassenverkehr. Auch das: Statistisch gut dokumentiert…
Herr Kachelmann, das habe ich jetzt gerne gelesen. Storytelling war schon immer Ihre Stärke. Nur die Sticheleien gegenüber der Konkurrenz (hier für einmal nicht der Fall) sind für Uneingeweihte meist wenig ergiebig.
Super Bericht. Herr Kachelmann ist und bleibt mein Lieblings Wettermoderator. Mit ihm macht Wetter einfach Spass!