Wie wird der Sommer?

Erlaubt der Sommer Freudensprünge? Marzilibad in Bern. Foto: Manu Friederich

Sie wissen, dass man nicht jeder Schlagzeile trauen kann, aber für unser heutiges Thema hilft, was da kürzlich abgesondert wurde:

Brennende Frage: So titelte diese Woche die Onlineausgabe der Zeitung «Bild». Foto: Screenshot

Wir nähern uns dem Problem meteorologisch und statistisch. Meteorologisch ist zu sagen, dass es kein wie auch immer geartetes Kontingent von Wetter gibt, das früher oder später aufgebraucht wird. Es ist Irrglaube, zu meinen, wenn es im Mai schon sehr warm ist, kann es im Juni und Juli nicht auch noch heiss werden, weil dann nicht mehr so viel Wärmereserven da sind. Die Schlagzeile ist also völliger Blödsinn.

Allerdings müssen wir die Sache auch statistisch, und zwar mit den Euromillions betrachten. Professionelle Spieler registrieren über Jahre, welche Zahlen gezogen werden. Technisch ist es schon so, dass die Wahrscheinlichkeit für die Ziehung einer Zahl jedes Mal wie beim Würfeln identisch ist. Dennoch müssen wir auch in Betracht ziehen, dass langfristig alle Zahlen gleich oft gezogen werden müssten. Deswegen tippen manche Euromillionsstrategen Zahlen, die deutlich unterdurchschnittlich gezogen wurden, denn wenn Zahlen seltener als erwartet gezogen wurden, muss sich das ja langfristig ausgleichen («Gesetz der grossen Zahlen»).

Die Mär vom Siebenschläfer-Tag

Deshalb ist es auch so, dass es in jedem Sommermonat (zu) warm werden kann, weil es das Hitzekontingent nicht gibt. Doch Jahre, in denen alle Monate deutlich zu warm ausfallen, sind auch in Zeiten des Klimawandels unwahrscheinlich – aus oben genannten Euromillionsgründen.

Bauernregeln und andere wilde Dinge aus der Welt des Aberglaubens helfen uns heute leider nicht beim Vorhersagen des Sommerwetters. Nur von einer Regel werden wir am 27. Juni wieder hören: Dann ist Siebenschläfer-Tag.

Wie Sie bereits aus dem Posting «Das Märchen der Eisheiligen» her wissen: Der Siebenschläfer-Tag (die mit ihm in Verbindung gebrachte Regel lautet: So wie das Wetter am 27. Juni ist, wird es sieben Wochen lang bleiben) ist nicht dann, wann Sie denken. Wetterregeln, die sich auf einen Tag beziehen, sind generell, Pardon, Hafechäs. Dennoch ist die Siebenschläfer-Regel fast als einzige im Jahr relativ erfolgreich, wenn man sie richtig anwendet und umformuliert.

Denn: Falls sich in der ersten Juliwoche ein stabiles Hoch etabliert, wird der Juli mit einer Wahrscheinlichkeit von 60 bis 70 Prozent deutlich zu sonnig und zu warm. Allerdings hat man eben immer noch 30–40 Prozent Risiko, dass es doch anders kommt, aber in den letzten Jahren lag die Prognose gut.

Wer die besten Prognosen macht

Die grössten Wetterdienste der Welt versuchen, sich mit den grössten Computern der Welt in langfristiger Wettervorhersage zu messen– die Trefferquoten sind leider meist nicht weit von 50 Prozent entfernt. So kann man natürlich keine Grillpartys planen! Berechnet werden nur monatliche Abweichungen von der Normalität. Wenn also ein Monat ein Grad wärmer als der Durchschnitt berechnet wird, kann das ganz viele Dinge bedeuten:

  • Es ist immer ein bitzli zu warm
  • Es ist nachts viel wärmer als normal und tagsüber etwas zu kühl, weil es andauernd bewölkt ist
  • Es ist 5 Tage unglaublich heiss und 25 Tage etwas kühl
  • Es ist 5 Tage unglaublich kalt und 20 Tage warm
  • …und viele andere Varianten mehr.

Deswegen ist es so furchtbar, was in diese Abweichungskarten hineininterpretiert wird, weil diese nicht viel hergeben, selbst wenn sie perfekt stimmen würden.

Die besten Vorhersagen (also manchmal besser als die Zufallstrefferquote von 50 Prozent) kommen vom Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersagen (ECMWF). Das sind die aktuellen Vorhersagen des ECMWF mit der Interpretation, die möglich ist: Wir stellen für den Juni fest, dass es rund 1 Grad zu warm werden soll im Vergleich zum langjährigen Durchschnitt, das ist normal in Zeiten des Klimawandels, weitere Aussagen sind nicht möglich.

Hauptsache, es wird etwas verkauft

Was die Abweichung bei den Regenmengen angeht, könnte man daraus eine Häufung föhniger Wetterlagen herauslesen mit mehr Regen im Westen und Süden – aber wie gesagt: Das kann vieles bedeuten.

Das ECMWF macht übrigens noch eine 46-Tages-Vorhersage mit wöchentlichen Abschnitten, die von Getränkekonzernen, Versicherern und Schuh- und Bademodenverkäufern genutzt wird, so werden dann mehr oder weniger Cervelats, Riemlisandäleli und Bierfässer produziert – mehr dazu am Montag hier im Blog.

Das Wochenende wird übrigens sonnig, am Samstag in den Bergen nur einzelne, am Sonntag wieder vor allem in den Bergen häufiger Gewitter. Bitte von Bergtouren mittags zurück sein, merci!

14 Kommentare zu «Wie wird der Sommer?»

  • Thomas sagt:

    Es gibt keinen Ausgleich bei den Euromillionen – oder beim Würfeln. Das würde ja den identischen Wahrscheinlichkeiten für die Ziehung einer Zahl widersprechen. Es scheint nur so, als ob es einen Ausgleich gäbe, da bei einer sehr grossen Zahl von Ziehungen die Zahlen, die am Anfang seltener als erwartet gezogen wurden kaum mehr ins Gewicht fallen.

    Ob es beim Wetter einen Ausgleich gibt, weiss ich nicht. Falls ja, hat das aber nichts mit den Euromillionen zu tun.

    Das gleiche gilt auch für das Beispiel Drei zu warme Sommermonate sind im Voraus zwar relativ unwahrscheinlich.
    Genauso ist auch die Wahrscheinlichkeit für ein

  • R. Wenger sagt:

    Eine totsichere Bauernregel: Wenn der Güggel kräht auf dem Mist, ändert das Wetter oder es bleibt wie es ist.

  • Reinhardt Franke sagt:

    Danke für diese Aussagen, Herr Kachelmann. Es freut mich, wieder mal von Ihnen zu hören. Alles Gute und ein erfolgreiches Jahr!

  • Markus Siegenthaler sagt:

    (Fortsetzung)
    Auf bisherige Verliererzahlen zu setzen ist darum genauso erfolgversprechend, wie wenn man auf bisherige Gewinner oder irgendeine andere Zahl setzt. Wenn allerdings viele Spieler auf bisher seltene Zahlen setzen, müssen sie einen allfälligen Gewinn untereinander aufteilen und haben somit letztlich kleinere betragsmässige Gewinnchancen.

  • Markus Siegenthaler sagt:

    Danke, Herr Kachemann, dass Sie hier mit ein paar alten Mythen aufräumen. Hierzu ist aber auch die Euromillionstrategie zu zählen. Wie Sie schreiben, werden die Karten jedes Mal neu gemischt und die Würfel haben kein Gedächtnis, wissen nicht, welche Zahl sie schon wie oft gezeigt haben. Je mehr Ziehungen, desto mehr glättet sich die Kurve der Abweichungen, bisher seltene Zahlen werden dadurch aber nicht mehr gezogen als andere. Wenn z.B. die Zahl 1 nach 100 Ziehungen zurückliegt, ist es genauso (un)wahrscheinlich, dass sie bei den nächsten 100 Ziehungen nochmals zurückliegt wie, dass sie überdurchschnittlich oft erscheint und somit insgesamt aufholt.

  • Bruno Koller sagt:

    „Dennoch müssen wir auch in Betracht ziehen, dass langfristig alle Zahlen gleich oft gezogen werden müssten. “
    Das Gesetz der Grossen Zahlen wird meist nicht richtig verstanden. Es besagt nur, dass die RELATIVEN Häufigkeiten sich einander asymptotisch angleichen, nicht aber die ABSOLUTEN Häufigkeiten. Deswegen sind die Euromillionstrategen auf dem Holzweg. Und die Formulierung, dass alle Zahlen gleich oft gezogen werden müssten, ist zumindest missverständlich.

  • Helga Tränensack sagt:

    Also warum sollen die am Mittag von Bergtouren zurück sein? Die Klimaerwärmung ist doch ein Problem – weil zu viele Menschen. Da können die doch oben auf dem Berg bleiben… Dem Klima würd’s bestimmt gut tun.

  • Thomas sagt:

    @ Kachelmann: Wie Sie auch sagen: Die Wahrscheinlichkeit für die Ziehung einer Zahl ist jedes Mal gleich hoch – unabhängig davon, ob eine Zahl vorher seltener als erwartet aufgetreten ist oder nicht. Einen „Ausgleich“ gibt es aber nicht. Das scheint nur so, weil bei häufigem Würfeln durch die grosse Menge an Ergebnissen die „unerwarteten“ Ergebnisse kaum noch ins Gewicht fallen.

    Auf die Meteorologie bezogen: Die Wahrscheinlichkeit für drei zu warme Sommermonate ist im Voraus zwar relativ tief. Sobald aber Juni und Juli zu warm waren, ist die Wahrscheinlichkeit für einen zu warmen August – und damit für drei warme Sommermonate! – gleich gross wie sie das ohne die zu warmen Juni/Juli gewesen wäre.

    Das beschriebene Verhalten der Euromillion-Strategen ist somit irrational.

  • Christian Bänninger sagt:

    „Niemand kann das Wetter langfristig vorhersagen“.
    Word, lieber Herr Kachelmann!
    Aber das „Klima“ auf 100 Jahre im Voraus angeben, das kann man dann; ja? Oder wie sehen Sie das, Herr Kachelmann? Oh, Pardon, ich habe ja ganz vergessen, dass das Wetter mit dem Klima gar nichts, aber wirklich rein ganz und gar nichts zu tun hat; oder war es am Ende gar umgekehrt?

    • Hotel Papa sagt:

      Nichts davon begriffen, wie Statistik funktioniert.

      Wetter: Am 2. Juniwochenende 2019 schiffts!
      Klima: Über die Sommersaison 2019 fallen voraussichtlich 2000 +/- 500 mm Regen.

      Die erste Aussage ist Scharlatanerie.
      Die Trefferquote bei letzterem ist ziemlich gut.

  • Michael Weiss sagt:

    Für einmal stimmt es mathematisch nicht: Es gibt keinen Grund, warum die Zahlen, die bei den Euromillions bislang eher selten gezogen wurden, zukünftig häufiger auftreten sollten. Die Zufälligkeiten der Vergangenheit beeinflussen die Zufälligkeiten der Zukunft nicht, wie sollten sie auch. Dass am Schluss die Statistik trotzdem stimmt, liegt daran, dass allfällige anfängliche Ausreisser statistisch immer unwichtiger werden, je mehr weitere Ziehungen man betrachtet. Wenn einige Zahlen tatsächlich statistisch signifikant und über lange Zeit hinweg seltener gezogen werden, muss man dagegen sogar davon ausgehen, dass die entsprechenden Kugeln sich irgendwie doch von den anderen unterscheiden und dann auch zukünftig seltener gezogen werden.

  • Hotel Papa sagt:

    Nicht unabhängig zum Beispiel nach dem Motto: Ein Tiefdruckgebiet, dass lange stabil über Europa hing, zieht mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein ebensolches Hochdruckgebiet nach sich. (Nur so als Beispiel. k.A. ob das so ist oder gerade andersrum.)

  • Hotel Papa sagt:

    Auch der Kachelfrosch verwendet jetzt schon die Formulierung „zu warm“ für einen Monat, der signifikant über dem Durchschnitt liegt. Die Formulierung impliziert, dass da irgendwelche Grenzen überschritten werden. Das ist mitnichten und -Neffen der Fall. Er ist eben einfach signifikant weg vom Mittel. Aber statistisch mit einer gewissen Wahrschenlichkeit zu erwarten.

    Dann: Die Euromillions Begründung ist Hafechäs. Für statistisch unabhängige Fälle wie eine Lottoziehung strebt der relative Fehler für grosse Testmengen gegen null, der absolute gegen unendlich. Will heissen: Die Zahlen die bisher signifikant häufiger kamen, haben eben KEINE geringere Wahrscheinlichkeit gezogen zu werden.

    Das mag für die Monate beim Wetter anders sein; dann sind sie aber nicht statistisch unabhängig.

  • Andi Hirt sagt:

    Eine Wetterregel mit 100% korrekter Vorhersage gibt es sehr wohl…
    „Kräht der Hahn auf dem Mist, wechselt das Wetter oder es bleibt wie es ist.“

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