Wo Schweizer Gewitter daheim sind

Blitze kann man aus 200 Kilometer Entfernung sehen: Gewitter in Vevey im Juli 2017. Foto: Cyril Zingaro (Keystone)
Eins ist sicher: In Schaffhausen sind sie nicht daheim. Ich hatte an sich eine glückliche Kindheit und Jugend, es gab schlechtere Orte zum Aufwachsen als Schaffhausen. In den 60ern und 70ern war noch industrielle Sauereizeit, interessante rote Staubwolken wurden aus dem Mühlental emittiert und hingen stundenlang über der Stadt.
Der singende Apotheker Dieter Wiesmann überzeugte mich durch die schiere Belastung durch spitze Vokale auf Radio Beromünster, meinen Dialekt leicht einzuzürchern (später bemerkte ich, dass ein gewisser Christoph Blocher das ähnlich probierte, aber bei der Spitzigkeit der Vokale nur teilweise erfolgreich war). Aber sonst wars gut. Wäre nur das Wetter für das unwetterbegeisterte Kind etwas anders gewesen.
Immer dieser blaue Himmel!
Es ist das Schicksal eines Ortes im Lee des Schwarzwaldes, dass in ihm wenig bis nichts passiert – ausser viel Nebel im Winter. Man konnte die Gewitter-Action über Voralpen und Schwarzwald sehen, der Himmel über Schaffhausen blieb meist blau, allenfalls kümmerliche Reste brachten irgendwann ein paar Tropfen und ein kleines Lüftli. Am Pfingstmontag war wieder so ein Tag:

Über der Stadt blau, Richtung Nordwest die brodelnden Cumuli congesti und Cumulonimbi. Foto: Jörg Kachelmann
So ist es eigentlich immer, auch wenn die Blitzhäufigkeit Jahr für Jahr unterschiedlich ist. Blicken wir auf das Jahr 2017 zurück, sehen wir die üblichen Schemata, die es jedes Jahr gibt: der Gewitterreichtum im Jura, von Emmental bis Entlebuch und im Tessin – und selbst in einem Jahr, in dem es ausnahmsweise viele Gewitter rund um den Bodensee gab, wie immer wenig in Schaffhausen:
Dieser Mai wird am Ende ein gewitterreicher Monat sein, es sieht so aus, als ob es bis zum Monatsende bei täglichen Gewitterrunden bleiben wird. Jeder Monat hat seine Spezialitäten, aber Sie sehen bei der Statistik bisher, dass es bei den Prinzipien bleibt: Jura, Voralpen, Tessin. Sie können auch die leicht föhnige Tendenz im Monat bisher ablesen mit den deutlich selteneren Blitzen in der Ostschweiz im Vergleich zum Westen. Und ja, in Schaffhausen warens wenige, obwohl dort das Föhnige weniger stören sollte:
Dass es in Schaffhausen weniger blitzt als anderswo, hat sich über Jahrzehnte auch bei Gewitterbeobachtern im Portemonnaie niedergeschlagen. Früher hat man das so gemacht, dass es ganz viele Beobachter über die Schweiz verteilt gab, die bei Gewitter eine vorgedruckte und vorfrankierte Postkarte an die Meteorologische Zentralanstalt von damals verschickt haben, sobald es donnerte. Für jede Karte gab es zwei Franken vom Bund.
Während die Beobachter im Emmental in Saus und Braus Berge von Meringues auf dem Kemmeribodenbad von ihrem Blitzerlös geniessen konnten, reichte es für die verlorenen Seelen in den blitzarmen Gebieten allenfalls für einen Eintritt in der Badi.
Der Blitz ist ruckzuck ermittelt
Viele Menschen überschätzen übrigens die Gewitterhäufigkeit an ihrem Ort, weil sie nicht (mehr) wissen, dass man Blitze bis zu 200 Kilometer weit sehen und Donner 10–15 Kilometer weit hören kann. Das Internet ist voll von Berichten aus dem Züribiet, «dass die von Gewittern gar nichts gesagt hätten und es uhuere blitzt» über Gewitter im Tessin (wir nennen das Wetterleuchten, wenn man den Donner nicht hört) und oft auch über diese komischen Gewitter, wo es ganz viel blitzt, aber gar nicht regnet oder donnert.
Bei den modernen Systemen muss man leider keine Postkarten mehr schicken, sondern das Ganze funktioniert so. Man erfasst dadurch praktisch jeden Blitz, und liest man irgendwo von einem Brand durch Blitzschlag, kann man den Übeltäter sofort ermitteln und auch sehen, wie lange es vor sich hingeschmürzelet hat, bevor der Brand richtig sichtbar wurde.
Nachfolgend drei Beispiele:
Wirkung: Ein Haus brennt nachts im Jura.
Ursache: Der Blitz schlug nachts um halb eins ein, es folgte offenbar dann ein langer Schwelbrand bis zu den offenen Flammen.
Wirkung: Es schlägt dort ein, wo es selten gewittert, und nicht mal ins Haus direkt.
Ursache: Der Blitz, der kurz nach 7 Uhr morgens sicher alle geweckt hat – das ist das Praktische an Blitzeinschlägen: Gibts ein Feuer, überrascht es nie im Schlaf.
Wirkung: Der Blitz schlägt morgens in den Dietiker Kirchturm ein und verursacht einen Sirenenalarm mit.
Ursache: Der Blitz kam zu einer unchristlichen Zeit, weckte aber ganz Dietikon.
Schwache Brummler und wilde Hausrüttler
Falls Sie Lust haben, können Sie von hier aus (für gut abgehangene Blitze bis 1999) auf Blitzsuche gehen – für die Detailkarte in den Kanton, dann Bezirk, dann aufs Blitzsymbol klicken. Je nach Feldstärke des Blitzes (in kA angegeben) chlöpft es mehr oder weniger, deswegen die Einteilung in schwacher Brummler, mittlere Roller, starke Knaller und wilder Hausrüttler. Horizontale Blitzsymbole zeigen Wolkenblitze, vertikale die mit Einschlag.
Was die nächsten Tage betrifft, bleibt alles beim Alten, das wissen auch schon die Vorhersagemodelle, auch wenn man nie genau weiss, wo die Gewitter treffen – Schaffhausen wird es eher nicht sein.
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11 Kommentare zu «Wo Schweizer Gewitter daheim sind»
Wohne in Richterswil und habe auch das Problem, das wir hier von den Gewitter
meistens nur den Rand mitbekommen. Gestern auch wieder!
Wobei der Rand schon besser ist, als blauer Himmel. Verstehe aber die Enttäuschung in Schaffhausen. 😉
Schaffhausen mag ich. Gewitter auch. Könnte es sein, dass Baden-Baden ein guter Ort ist, solche Naturspektakel eher nur von weitem zu sehen? Meine Erfahrung ist, dass sie sich meistens in unbedenklicher Entfernung ringsum (Schwarzwald, Rheinebene) entladen. Wir sehen uns das gerne an.
Ich hätte jetzt noch auf das Freiwilligen-Netzwerk von blitzortung.org hingewiesen.
So macht es richtig Spass, Sie zu lesen. Die (weitgehende) Abkehr von Werbung für Ihre eigene, kommerzielle Seite tut Ihrer Glaubwürdigkeit gut. Das ist mein alter Kachelmann, über den ich zu sagen pflege: „Wo der Kachelmann no gsi isch, ischs Wetter besser gsi“. Man spürt Ihre Mission, den Menschen das Wetter zu erklären anstatt vorzulesen. Weiter so, Sie sind und bleiben DER KACHELMANN!
Also mich hat’s am meisten in Zürich geblitzt.
Ihe Schreibstil ist genau mein Ding. So wird Wetter wieder intressant.
Toll
Oder heissts kindlich?
Finde Ihre Erläuterungen sehr informativ, doch Ihre Sprache teils etwas kindisch….so à la Frank Baumann; der ist Ihnen wohl seelenverwandt…..
Ja dieses ungewittrige Schaffhauser-Wetter ! Nebst blauem Himmel und viel Nebel kommen noch durchschnittlich 122,5 Regentage dazu (die meisten wie gehört langweilig blitzfrei). Schaffhausen ist wahrlich ein fürchterlich langweiliges Nest (kriegt man Subventionen für soviel Langeweile ?).
Klasse, weiter so Kachelfrosch..
Donnerfrosch, Knallfrosch… ?