Das ideale Geschenk zur Konf

Eine Zierde für jeden Garten: Wetterhütte am Firmensitz von Meteologix in Sattel SZ. Foto: Jörg Kachelmann
Ja, ich bin auch eine verlorene Seele, die diese modernen Wettergerätli nutzt. Der Fühler irgendwo draussen, der seine Werte nach drinnen funkt, und man sieht auch ganz von selbst, was nachts der Tiefstwert und tagsüber der Höchstwert war. Es ist bequem. Einmal im Jahr muss man die AAA-Batterie wechseln.
Ein mechanisches Relikt
Dennoch habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich so was schreibe, und ich fürchte, dass die vielen (ich habe vorsichtshalber nicht gezählt) mechanischen Geräte, die ich im Laufe meines Lebens angesammelt habe, nicht glücklich sind, wenn ich dieses neumödige, seelenlose Züügs benutze.
Dieser kollektive Vorwurf präsentierte sich gestern so:
Für jüngere Menschen: So sahen früher Barometer aus. Sie bestanden vor allem aus einer luftleeren (Aneroid-)Dose, die sich je nach Luftdruck mehr oder weniger zusammenzog. Das Mehr oder Weniger wurde auf einen Zeiger übertragen. Zu einem gelungenen Barometer gehörte meistens noch handgeschnitztes Holz und ein Quecksilberthermometer (für die noch Jüngeren: Das ist das silberfarbene giftige Zeug in den Thermometern, das rauf- und runtergeht, je nach Temperatur – es hat zwei Nachteile: es ist sehr giftig und es gefriert bei –39 Grad, sodass es in sehr kalten Gegenden seit jeher durch Alkohol – blau oder rot gefärbt – ersetzt wurde. Heute sind Flüssigkeitsthermometer selten geworden.)
Wetterhüsli-Love
Ich möchte nicht auf die alten Geräte verzichten. Es hat schon vor 50 Jahren angefangen, als die schönen Geräte für mich ausser Reichweite waren – nur die Wetterhüsli lagen im Familienbudget. Von denen denken manche Leute fälschlicherweise, dass sie etwas vorhersagen können, wenn Mann oder Frau draussen sind – dabei ist nur ein Faden drin, der sich mit mehr oder weniger Feuchtigkeit verdreht. Die Wetterhüsli sind Hygrometer, die nur anzeigen, was ist. Dennoch entwickelte ich schon damals einfache Versuche zur Ermittlung der Windrichtung.
Der grosse Bruder des Wetterhüslis, die Wetterhütte, war damals (und ist es noch heute) die einfachste und beste Möglichkeit, Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit präzise zu messen. Heute gibt es Unmengen der eingangs erwähnten elektronischen Wetterstationen, doch leider messen sie fast alle völligen Blödsinn – es hilft nicht, wenn die Fühler im Schatten sind, und noch schlimmer ist es, wenn sie von der Sonne beschienen oder durch eine sonnenbeschienene Wand angestrahlt werden. Wenn aufgeregte Menschen auf Facebook schon im März behaupten, sie hätten 30 Grad, dann greifen Meteorologen zum Beissholz: Alle diese lustigen Geräte, die im Freien hängen, messen nicht die Lufttemperatur, sondern die eigene Temperatur, die tagsüber 2 bis 20 Grad höher ist als das, was man zu messen glaubt.

Das ist eine Karte eines Wetterstationsanbieters von München in diesem Frühling – es waren in der Realität 17 Grad. Sie sehen, warum wir Meteorologen nur traurig sind über all die schönen, doch sinnlosen Geräte, deren Werte wir nicht verwenden können – fast alle viel, viel zu warm und für die Wissenschaft verloren. Wer keine Wiese und keine Wetterhütte hat, dessen Temperaturwerte haben tagsüber nichts mit der Lufttemperatur zu tun. Es gibt eine Vorschrift, wie man die Lufttemperatur misst: zwei Meter über Wiese, und das Thermometer muss vor direkter und indirekter Strahlung geschützt sein. Heute nimmt man dafür ventilierte Thermometer, früher gab es die erwähnten Wetterhütten mit Lamellen nach innen und aussen – eine Zierde für jeden Garten. Die gute Nachricht für engagierte Heimwerker und Bastler: Sie können sich selbst eine Wetterhütte basteln, Baupläne gibts im Internet.
Die gute Nachricht: Die Wetterhütte sollte alle zwei Jahre geschliffen und gestrichen werden, damit sie immer schön weiss bleibt. Ihre Familie wird Ihnen gerne dabei helfen. Alles für die Wissenschaft. Und falls Sie ein Geschenk suchen: Ich habe eine solch private gezimmerte Wetterhütte zur Konfirmation bekommen. Viele Kinder wünschen sich ein neues Smartphone. Überlegen Sie sich, ob eine Wetterhütte nicht mehr Freude machen würde. Und die Wissenschaft ist Ihnen dankbar.
20 Kommentare zu «Das ideale Geschenk zur Konf»
Ich möchte noch etwas zu einem anderen Thema sagen. Heute ist der 16. Mai. Und seit drei Tagen ist es ziemlich kalt. Und die kalte Sophie soll’s nicht geben? Und am 23. Mai wird’s wieder kalt, da bin ich ganz sicher! Und ich möchte dazu Wikipedia zitieren, eine Beschreibung aus der Zeit, als die Gletscher richtig gross waren: „In vielen Landstrichen kam es nicht selten zu Hungersnöten. Die durchschnittliche Vegetationsperiode war kürzer als heute; dies stellte die Bauern (gerade in relativ kühlen Landesteilen, z. B. im Osten Deutschlands und in den Mittelgebirgen) jedes Jahr vor ein Dilemma: Wenn sie spät aussäten, war die Ernte relativ gering; wenn sie relativ früh aussäten, waren die jungen Pflanzen von Frühlingsfrost bedroht.“ Klingt wie im natürlichen Paradies, nicht?
Alte Elektroniker Weisheit: Wer misst, misst Misst.
Richtig messen und das gemessene richtig interpretieren setzt Wissen, Logik und Erfahrung voraus.
Sie mit ihrer alten Elektroniker Weisheit gehören sicher zur alten Garde. Im Internetzeitalter braucht man doch nichts mehr wissen, man googelt. Das Problem ist nur, ohne Wissen ist im Internet nur schwer zwischen Fakten und dem reichlich vorhandenen Unsinn zu unterscheiden und ohne Wissen versteht man das gefundene nicht und kann nur gauben.
und welche Geräte gehören da rein und wo kann man diese beziehen?
Lieber Herr Kachelmann, ich mag Ihre Artikel!
Wir haben zwei sehr schöne und sehr alte grosse, verzierte Holz-Barometer an der Wand hängen, die hübsch aussehen. Nur – sie haben ein absolutes Eigenleben, das mit dem Wetter draussen nichts zu tun hat – aber es ist immer wieder interessant und lustig zu sehen, was die beiden voraussagen!
Im Artikel nicht erwähnt ist das ursprüngliche Barometer, das auch noch die Masseinheit lieferte, das Quecksilberbarometer. Die Einheit für den Luftdruck war xxx mm Quecksilbersäule.
Lb Herr Kachelmann – wie gut tut es einem, ihre pragmatischen,professionellen u humorvollen Meteo- Berichte zu lesen! Vielen Dank u beste Wünsche!
Katharina Stuber- Hug
Lieber Herr Kachelmann
Ich freue mich jedesmal auf Ihre humorvolle und fundierte Kolumne.
Ich interessiere mich für Meteorologie, handwerke gerne und habe sogar einen eigenen Garten mit Wiese 🙂
Jetzt fehlen nur noch erschwingliche qualitativ gute Geräte. Habe mich schon mehrfach durchs Angebot gegoogelt – leider mit mässigem Erfolg. Vielleicht folgen in der nächsten Kolumne ein paar Tipps? Herzlichen Dank.
«…und das Thermometer muss vor direkter und indirekter Strahlung geschützt sein», schreibst Du. Und was gibt es noch? Doppelindirekt?? Ich komme nicht draus.
Muss der Eigenbau einer Wetterhütte im eigenen Garten GATT konform ausgeschrieben werden?
Nein, Herr Faessler, aber ja nach Gemeinde brauchen Sie eine Baubewilligung.
„es hilft nicht, wenn die Fühler im Schatten sind, und noch
schlimmer ist es, wenn sie von der Sonne beschienen oder durch eine sonnenbeschienene Wand angestrahlt werden.“
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Nur dann wüsste ich von Herrn Kachelmann gerne mal unter welchen „Laborbedingungen“ man die echte Temperartur messen kann? Etwa nur wenn es stark bewölkt ist, denn nur so wäre das Wetterhäuschen weder Sonne noch Schatten ausgesetzt.
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Wie sieht es denn aus mit den professionellen globalen Temperaturmessern, die in den letzten Jahren immer neue Rekordwerte verzeichnen. Wie gross sind dort die Messfehler? Für die antropog. Klimawandelskeptiker scheinbar ganz enorm, da wird immer mit den „E“ (estimate) argumentiert, nur halte ich die Klimawandelskepitker auch für ziemlich unseriös, die tricksen auch heftig
Guter Artikel. Dieses Mal. Denn was ist mit dem dieses Jahr wieder einmal genau pünktlich bestätigtem „Aberglauben, dass es um die Eisheiligen herum nochmal eher kalt würde“, Herr Kachelmann? Vielleicht ist Payerne halt doch nicht der Nabel der Welt 😉
Merci jörg so super dein artikel.
Danke Jörg für diesen erfrischen Artikel!
Lieber Herr Kachelmann
ich mag Ihre saloppe Schreibweise durchzogen mit fundiertem Wissen, das lockert den tristen Zeitungsalltag auf willkommene Weise auf. Erinnert mich ein bisschen an Peter Brunners Kochgeschichten im Züri Tipp seinerzeit.
Dankeschön!
Vielleicht ist durch diese Wettergrätli-Flut auch die gefühlte Klimaerwärmung viel höher als die tatsächliche?!
Das wäre beunruhigend, wenn diese Wurschtgerätli einbezogen würden, ich glaube das nicht – aber was das Gefühl der Leute betrifft, hat das sicher einen Einfluss, weil die Gugus-Werte alle immer in den sozialen Medien gepostet werden.
Noch schlimmer als die falsch gemessen Werte sind die falschen Interpretationen darüber. Da spielt es auch keine Rolle mehr, ob die Ausgangswerte korrekt oder zufällig sind, analog mit mechanischen Geräten oder digital mit elektronischen gemessen wurden.
Was allerdings nichts zur Sache tut.