Warum Wetterprognose-Apps nichts taugen

Es müsste doch die Sonne scheinen…: App-Prognosen bringen nichts – ausser verlässliche Einnahmen. (Foto: iStock)

Manchmal wollen Menschen mehr wissen als nur die Antwort auf die Frage, ob man morgens einen Regenschutz mitnehmen sollte oder nicht. Noch vor 50 Jahren waren Wetterprognosen ausserhalb der Landwirtschaft völlig wurscht, man hat sich vorgenommen, am 1. Mai mit den Nachbarn Cervelats zu braten, und man hat dann am 1. Mai Cervelats gebraten.

Ob es gerade zufällig geschifft, gehagelt oder geschneit hat, war irrelevant. Irgendjemand hat dann einen grossen Schirm gebracht, unter dem die physische Integrität der helvetischen Identitätswurst gewahrt blieb. Man fuhr auch generell bei Schneesturm und -30 Grad in die Skiferien mit dem in vielen Familien gehörten Satz: «Mer mönds Abonnema usehole».

Der grosse Regenjammer

Dann kam das Wort «Effizienz» zuerst in unser Berufs-, dann ins Privatleben. Wer eine Tennissstunde bucht und nur schon von einem schüüchen Schauer erwischt wird, ist ein Verlierer. Kindergärten begannen – trotz deutlich verbesserter Waschmöglichkeiten daheim – Kinder nicht mehr bei Regen oder Schnee rauszulassen.

Dadurch gelang die Aufzucht einer Generation, die nicht funktionieren kann, wenn es regnet. Diese kleinen Menschen, die von klein auf gelernt haben, dass Menschen offenbar nicht mehr wasserdicht sind, gelangten dann an die Mikrofone der «jungen» Radiosender und heulten dann jeden Tag ihren Jammermonolog in die Welt, an dem die Sonne nur ungenügend schien. Regnet es, hören wir ein weinendes Zusammenbrechen, weil junges Leben unter Hydrometeoren nicht mehr denkbar scheint.

Von wegen Kontrolle

So kam es, dass es immer mehr Wetter-Apps gab, die bis zu 14 Tage weit in die Zukunft schauen. Das ist zwar völliger Blödsinn, weil fast alle diese Apps nicht mal richtig anzeigen, wie das aktuelle Wetter ist, geschweige denn eine ferne Zukunft. Das Geschäft lief dennoch prächtig, denn trotz aller Sinnlosigkeit gab es nun etwas, was den effizienzsüchtigen Wasserscheuen zumindest ein kleines, aber elendes Gefühl der Kontrolle verlieh. Doch tief drin wissen alle: Das geht alles (noch) gar nicht.

Stimmt. Das geht alles noch gar nicht. Ich zeige Ihnen kurz, warum. Sie haben sicher schon im Schweizer Fernsehen («die Olpen») von Wettermodellen gehört. Fast alle Apps nutzen das weniger gute amerikanische, weil es gratis im Internet zur Verfügung steht und somit allen App-Einnahmen null Datenkosten entgegenstehen – sehr effizient für die App-Scharlatane. Das Blöde ist aber: Es gibt ganz viele Modelle, die teilweise deutlich besser sind als das amerikanische Modell (die grüne Linie gleich in der Grafik) und früher oder später unterscheiden die sich massiv, wie man am Beispiel von Zürich sieht (nicht von Zürich? Irgendeinen anderen Ort nehmen weltweit): Temperaturvorhersage Zürich, Regenvorhersage Zürich.

Keinen blassen Schimmer

Eine einigermassen sichere Vorhersage ist nur möglich, solange alles einigermassen übereinstimmt. Geht es drunter und drüber, ist eine Vorhersage sinnlos und man kann nur noch mit groben Wahrscheinlichkeiten und Unsicherheitsbereichen rechnen. Wenn Sie seriös das Wetter fürs übernächste Wochenende ansehen wollen, sehen Sie hier (etwas runterscrollen), wie gross die Unsicherheiten noch sind, 20 Grad zwischen der wärmsten und kältesten Möglichkeit. Womit wir bei der Quelle der berühmten unsicheren Wetterentwicklung sind – Euphemismus für: Wir haben keinen blassen Schimmer.

Für die Ängstlichen, die im Mai keinen frostigen Blüemli-Alarm mehr mögen, sieht es immerhin gut aus: Man sieht, dass es auch zuunterst bei den blauen Möglichkeiten über null bleibt. Doch aufgepasst: Die Eisheiligen kommen noch, und die sind real nicht vom 11. bis 15. Mai – aber das ist eine andere Geschichte.

Kleines Trostpflaster für die nächste verschiffte Tennisstunde

Diese Modellunterschiede kann man aber auch schon selbst für die kommenden zwei bis fünf Tage am Beispiel von Zürich deutlich sehen, wobei dasselbe für Basel, Bern oder Mallorca gilt: Schweizer Modell, Deutsches Modell, Europäisches Modell, Holländisches Modell, Amerikanisches Modell, Kanadisches Modell, Australisches Modell, Britisches Modell.

Diese Vorhersagen werden alle 6 (in Europa alle 12) Stunden neu berechnet, sodass Sie immer Hoffnung haben können, dass sich Ihre Vorhersage ändert. Und falls es Ihre Tennisstunde dennoch verschifft, kann ein vorbereiteter Satz, der Ihnen intellektuelle Credibility verschafft, nicht schaden: «Nach den Australiern hätte es trocken bleiben sollen.»

25 Kommentare zu «Warum Wetterprognose-Apps nichts taugen»

  • Daniela sagt:

    Wie wahr! Daher verstehe ich nicht, dass auf allen Kanälen dem Wetter solche Bedeutung zugemessen wird. Die 10-Minuten-Begrüssung jeder eventuellen Wolke wäre so obsolent!

  • Christoph Z. sagt:

    Sensationell geschrieben !! Ich habe Tränen gelacht zum Thema Wasserdichtigkeit bei Menschen 🙂
    Toller Artikel !!!!

  • Marcel Beutler sagt:

    Kachelmann hat unrecht: erstens, noch bevor es Apps gab, gab es Waldkindergärten, da gehen die Kinder trotz Schnee und Regen raus. Drinbleiben war früher, Waldkindergärten und so boomen. Zweitens gibt mir MEINE App immer das richtige Wetter an für den nächsten Tag, so haben meine Kinder .erst die richtige Kleidung mit. Ausserdem liegt es nicht an den Apps, dass Wetter nicht richtig vorausgesagt wird, sondern an den Voraussagen selber. Seit Menschengedenken.

  • R. Wenger sagt:

    Meine Prognose stimmt immer. Es ist eine alte Bauernregel: Wenn der Güggel kräht auf de Mist, ändert das Wetter oder es bleibt, wie es ist. Doch Spass in Sack. Wenn Sie sagen, morgen ist das Wetter wie heute, haben Sie etwa 80% Treffer. Denn plötzliche Wetteränderungen sind selten.

  • Carolina sagt:

    Ich finde JKs Blog eine echte Bereicherung! Süffig geschrieben, witzig, mit saftigen Seitenhieben an die ‚Wetterindustrie‘ und mit viel Informationen: ich bin auch so eine Wetter-App-Süchtige und habe mich schon immer gewundert (bzw aufgeregt), dass die unterschiedlichen Wetterberichte so unterschiedliche Prognosen machen – übrigens auch durchaus innerschweizerisch. Kleine Erinnerung an mich selber: Qualität kostet (meistens) etwas……

  • Elias sagt:

    Gibt es denn eine App, die gut ist?

  • Jürgen Baumann sagt:

    Also bei mir passen Vorhersage und Realität recht gut zusammen. Ein „Hoch“ auf die App von MeteoSchweiz!

  • Ursel sagt:

    Gott sei Dank ist J.Kachelmann wieder da! Schon damals habe ich bemerkt, dass tatsächlich nur er die genauesten Wettervorhersagen gemacht hat. Er sollte wieder im Fernsehen erscheinen. Ihm würde ich glauben – und das ist mein voller Ernst!

  • Vanadis sagt:

    Herzlichen Dank für diesen Beitrag, Herr Kachelmann. Ich wunderte mich schon lange darüber, wie diese „Regen ist böse, nur Sonne ist schön“-Unkultur sich innerhalb von nur einer Generation (oder maximal zweien) so tief in die Gesellschaft einschleichen konnte, dass sie mittlerweile fast Konsens ist.
    Noch in den 80ern haben wir Kinder bei Regen eben die Gummistiefel angezogen und sind quietschvergnügt durch die Pfützen gehüpft – aber moderne Helikoptermütter haben eben Angst vor Dreck oder Erkältungen…

    Auch wenn ich mit meiner Sonnenallergie nicht gänzlich unabhängig von Wettervorhersagen bin, gehe ich die Sache entspannt an: Ändern kann man das Wetter sowieso nicht, also muss man es nehmen, wie es kommt. Die beste „Wetter-App“ ist immer noch das Fenster nach draußen!

  • Elias sagt:

    Welches ist denn nun das zuverlässigste Modell (bzw. welche App)?

  • Ri Kauf sagt:

    Kinder nicht nach draussen zu lassen, wenn es regnet, ist etwas vom Blödesten was Erzieher machen können. Es gibt ja gar kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung, oder?

  • Kai V sagt:

    Lieber Jörg,
    wir müssen reden! Der Satz, ausser in der Landwirtschaft interessiert es keinen wie das Wetter ist 😯
    Mein Vater war Bauleiter für Grossbaustellen, der schaute die Globale Wetterkarte an und hat entschieden im März das Dach seines Hauses neu decken zu lassen. 3 Wochen mit Folie auf dem Dach im März gutes Wetter, nur beim letzten Eindecken gab es ein wenig Schnee.
    Alle haben gewitzelt, doch einige die auch ans Dach wollten kriegten einen verregneten Sommer. Aber wenn es ans grillen ging, das haben wir bei Minusgraden im Winter gemacht 🙂 Nur Schweizer Wurst, die war uns wirklich Wurscht 😉

  • N. Ruf sagt:

    Herrlich zu lesen – und leider nur allzu wahr, danke.
    Und jeder App-oholic hat wieder ein dämliches und belangloses Icon mehr auf dem Screen. Fehlt noch die App, die denen dir Richtung zum Himmel zeigt, um zu kontrollieren, ob die erste App richtig liegt.

  • Paddington4450 sagt:

    Da verlasse ich mich nur auf ein Model. Auf mein Modell.
    Ich schaue zum Fenster raus, schifft’s, nehme ich den Schirm mit, schifft’s nicht, bleib der Schirm zu hause.

  • Klaus Hählen sagt:

    Sie haben recht, „früher“ gingen wir einfach raus, ein Blick zum Himmel hat gereicht und manchmal wurden wir halt nass – henusode.
    Doch bei den Wetterapps gibt es eine löbliche Ausnahme: https://www.meteoblue.com. Hier die verschiedenen Wettermodelle zum Vergleich dargestellt unter Multimodel (hier mit Biel als Beispiel): https://www.meteoblue.com/de/wetter/vorhersage/multimodel/biel_schweiz_2661513. Damit und mit den Erläuterungen kann sich wirklich jedeR sein eigenes Wetter basteln, bzw. glauben, was gerade in den Kram passt. Die Seite hat aber noch viel mehr Spannendes zu bieten, klicken Sie sich einfach mal durch!
    Meteoblue ist meines Wissens ein Spin off der Uni Basel – eine echte Perle und eine meteorologische Erleuchtung!

  • Markus Schmid sagt:

    Ist etwa so wie der Wert Horoskopen.

  • Frank Rosebrock sagt:

    Endlich ein Fachmann, der sagt, wie ich es schon lange wahrnehme. Vorhersagen stimmen nur bei stabilen Wetterlagen. Ansonsten werden sie alle paar Stunden geändert, und was vor 2 Tagen angeblich noch gesichert war, ist plötzlich zum Gegenteil geworden. Beobachte ich schon eine Weile. Ich schaue doch lieber einfach raus und zum Himmel, da weiss ich mehr.

  • Meggie Petit Moulin sagt:

    Kachelmann war, ist und bleibt der beste Wettermann!
    Der Artikel ist amüsant zu lesen: TOP!

  • Martin Cesna sagt:

    Bunte Bildchen sind für den einfachen Geist halt eingängiger als die manchmal doch etwas unsichere und komplexere Wahrheit.
    ….aber die Bildchen verkaufen sich besser halt!

  • Gerlinde sagt:

    Haben die Wetterfrösche nicht den Satz geprägt, „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung!“ ? Mir ist das Wetter egal, ich genieße es wie es gerade kommt! 😉

  • Kai Hawaii sagt:

    Vor allem in der Schweiz scheint es eine ziemliche Wetter-Prognosen-Sucht zu geben: SRFmeteo und andere Anbieter (auch das Tamedia-Portal search.ch!) machen langfristige Vorhersagen. In der deutschen ARD ist keine Prognose weiter als 3 Tage in die Zukunft – und das scheint den offenbar weniger prognosesüchtigen Deutschen auszureichen. – Leise schimmert auch immer das Bemühen der Wetterfeen und Wetterkobolde vom Leutschenbach durch, lieber etwas zu optimistisch in die Zukunft zu blicken. Vor allem am Wochenende. Es könnten sich ja die Touristiker beschweren, wenn zuviele Gäste ausblieben wegen bad news. – Der beste ist aber immer noch der von den Ringier-Medien gesponserte Hype um die Muothataler Wetterschmöcker mit ihren Ganzjahresvorhersagen.

  • Marco Gschwend sagt:

    Die wenigen, die den Blog-Eintrag nicht mochten, waren wahrscheinlich Wetter-App-Anbieter … 🙂

  • Silvio K. sagt:

    Toller Artikel Jürg, ich habe mich köstlich amüsiert, speziell der Satz „unsichere Wetter-Entwicklung = wir haben keinen blassen Schimmer“ gefällt mir! Ich liebe die Sonne über alles, trotzdem finde ich es toll, dass die Natur macht was sie will und auch die besten Computer das Wetter noch nicht verstehen! Bravo!

  • D.G sagt:

    Interessanter Artikel. Ein klein bisschen weniger Eigenwerbung wäre schön gewesen.

  • Philipp M. Rittermann sagt:

    wie sollen wetterprognose-apps etwas taugen, wenn schon die generellen wettervorhersagen nichts taugen. ich schaue frühmorgens jeweils kurz aus dem fenster und sehe welches wetter wir haben. meteorologie ist keine exakte wissenschaft und wird heillos überbewertet. trotzdem finde ich sie ganz amüsant.

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