Wo es in der Schweiz am meisten regnet

Im Winter ist Luzern einer der trockensten Orte der Schweiz. Foto: unsplash.com/Lin Mei
Wikipedia lügt. Nicht immer, aber ausgerechnet beim Wetter und Luzern. Zitat: «Die Gegend um die Stadt Luzern weist ein besonderes Klima auf. Sie erhält wegen des Pilatusmassivs reichlich Regen (was ihr bei den anderen Schweizern den Übernamen Schüttstein der Schweiz eintrug).»
Wäre der selige Luzern-Werber Kurt H. Illi noch unter uns, würde er diesen Satz zu Recht mit Feuer und Schwert bekämpfen. Der Pilatus im Südwesten der Stadt nimmt eher Regen weg und beschert den Luzernern Wärme durch den
Pilatusföhn.
Deutlich mehr Regen in Zürich oder Bern
Gravierender aber ist die Räubergeschichte mit dem Schüttstein. Vor allem in den Wintermonaten ist Luzern einer der trockensten Orte der Alpennordseite: Von Dezember bis Februar fallen im Schnitt gschämelige 179 Liter pro Quadratmeter. Dagegen in den Super-Schüttsteinen Zürich 206, in Bern 188 Liter pro Quadratmeter. Ausser in der trockensten Region rund um Basel findet man auf der Alpennordseite kaum einen Ort, der in den Wintermonaten und im ganzen Winterhalbjahr trockener ist als Luzern.
Dass das so ist, liegt an den vielen Bergen südwestlich von Luzern (bitte merken Sie sich diesen Satz, er kommt gleich noch mal). Im Winterhalbjahr ziehen die Niederschlagswolken relativ gleichmässig übers Land, und es kommt sehr darauf an, wer im Luv oder Lee der Berge der Heimat wohnt. Luzern liegt im Lee des Napfgebiets, was sich in relative Trockenheit umsetzt.
Unwetter-Friedhof im Sommer
Im Sommer ist alles anders: Von Juni bis August fallen in Luzern durchschnittlich begeisternde 451 Liter pro Quadratmeter. Zürich: 374. Bern: lausige 323.
Dass das so ist, liegt an den vielen Bergen südwestlich von Luzern. Das Napfgebiet ist einer der Gewitter-Schwerpunkte der Schweiz. Wenn es im Rest der Schweiz noch trocken sein mag, die ersten und süttigsten Gewitter bilden sich oft dort. Sie ziehen mit den üblichen südwestlichen Höhenwinden Richtung Luzern, wo sie oft viel schwächer ankommen. Aber bei der Menge der Napf-Gewitter reicht Luzern die Position als kleiner Unwetter-Friedhof für eine bessere Position beim Sommerregen – ein Schüttstein ist Luzern aber nie.
Der trockenste Ort der Schweiz
Hier gibt es eine schöne Übersicht über die durchschnittlichen Monats- und Jahresniederschlagsmengen vieler Schweizer Orte. Sehen Sie nach, wo Sie stehen im nationalen Vergleich und ob es wirklich anders ist an dem Ort, über den Tante Lisi behauptet, dass dort das Wetter viel besser sei. Der trockenste Ort mit einem Regenmesser ist Ackersand im Wallis. Man kann sich gut vorstellen, warum: Fast in jeder Himmelsrichtung fangen hohe Drei- bis Viertausender den Regen ab.
Für Ihren wetteroptimierten Zügelwunsch müssten Sie aber auch noch beachten, dass viel Regen nicht unbedingt gleichzeitig bedeutet, dass es oft regnet. Die nassesten Orte der Schweiz findet man oft im Tessin (schauen Sie in der Tabelle von eben mal bei Camedo, Betonung 1. Silbe), aber gerade dort kommt der Regen gerne in Sturzbächen vom Himmel und dauert nicht so lange wie das fiese Fiserle, das für den Norden typischer ist.
Regenmenge vs. Regendauer
Wenn Sie also Ihren Wohnort nicht in Richtung Regenmenge, sondern Regendauer optimieren wollen, hilft Ihnen diese Tabelle. Sie sahen in Tabelle 1: An vielen Orten im Tessin regnet es doppelt so viel wie in Zürich oder sogar das Dreifache der Basler Menge und sehen jetzt, dass es im Tessin sogar 20 bis 30 Tage seltener regnet als im nördlichen Trockenheits-Schwerpunkt Basel.
Die grössten Regenmengen für den Süden gibt es im Frühling und Herbst. Die aktuelle 10-Tages-Vorhersage für die Regenmengen zeigt: 2018 ist keine Ausnahme. Und machen Sie bitte keinen Regenschirm-Laden in Ackersand auf – wird auch dieses Mal nichts.
Lesetipp: in diesem Posting erklärt Jörg Kachelmann, wo die wahre Sonnenstube der Schweiz liegt.
4 Kommentare zu «Wo es in der Schweiz am meisten regnet»
Gibt es denn etwas traurigeres als nasse Sommer und trockene (=schneefreie) Winter? Arnes Luzern.
Zum Glück sind Sie wieder auferstanden, lieber Herr Kachelmann. Endlich ein Wetterschmöcker, der keinen redundanten Mist erzählt, gut reden und schreiben kann und Humor hat.
Es gibt ja einen Song, aus den späten 60er-Jahren, glaube ich: „It never rains in Southern California“. Nur wenige wissen, dass es weiter heisst: „… it pours!“ Das gilt offensichtlich auch für das Tessin: Es regnet nicht sehr häufig, aber wenn, dann richtig. – Übrigens: Der sonnenreichste Kanton – gemessen an der sogenannten Globalstrahlung – ist tatsächlich nicht die angebliche „Sonnenstube“ Tessin, sondern das Wallis. (Was ich während meiner Rekrutenschule in Sion sehr genossen habe.) Wer eine Solaranlage bauen will – egal, ob solarthermisch oder fotovoltaisch – erhält also im Wallis den höchsten Ertrag respektive die kürzeste Payback-Time.
Ich absolvierte im Sommer in Luzern die RS. Wir empfanden das damalige Wetter genau so wie Herr Kachelmann es für diese Jahreszeit beschrieben hat. Sauwetter. Die UOS dann ab Januar: oft schönend daher in guter Erinnerung. Fazit: man darf eine Beurteilung nicht auf einer Momentaufnahme, der Sommer-Regenzeit in Luzern – abstellen, da kommt ein falsches Bild raus. PS: heute mit 70 Jahren bin ich oft und gerne in dieser Region.