Warum es in Skandinavien so lange so heiss ist

Heiss ists im Norden, ja. Ungewöhnlich ist das aber nicht. Foto: kachelmannwetter.com

Wir erleben einen aussergewöhnlichen Sommer – weniger bei uns, wo es einfach nur durchgehend wärmer als normal ist, aber bisher ohne grosse Hitzespitzen. Das Hoch über Skandinavien macht aber den Norden Europas zum Hitzepol.

In diesem Sommer kommt Schulbuchwissen über Meteorologie an seine Grenzen. Hoch über Skandinavien, haben wir gelernt, bedeutet die berühmte «Bisentendenz». Und ist die nicht eher kühl? Muss nicht unsere 30-Grad-Sommerluft aus dem Süden kommen?

Kann, muss nicht. Wenn wie in diesem Sommer das Skandinavien-Hoch wochenlang an Ort und Stelle bleibt, dann sammelt sich in den langen Tagen des Nordens (Sonnenscheindauer bis zu 24 Stunden) immer mehr Warmluft. Das hat dann zur Folge, dass am Nordkap Temperaturen gemessen werden, die Aufregung verursachen – wie kann es so weit im Norden so heiss werden? Das waren die Höchsttemperaturen am Donnerstagabend.

Wenn man sich abkühlen will, reicht ein Sprung ins Küstenwasser für sehr nachhaltige Abkühlung:

Die auch in Extremsommern unbeeindruckten Wassertemperaturen sind normalerweise auch der Grund dafür, dass es am Nordkap selten so warm wird. Sobald sich die skandinavische Landmasse erhitzt, kommt üblicherweise der Seewind, der entsprechend Abkühlung bringt, Sie erinnern sich.

Es gibt allerdings ein Szenario, in dem die aufgeheizte Luftmasse sozusagen keine Ahnung hat, dass da kaltes Wasser ist: Es muss nur genügend Südwind da sein. Dann kann sich kein Seewind-System bilden, und die warme Luft kommt bis an die Küste mit dem kalten Wasser. Sie sehen das an den Strömungslinien von Freitag 17 Uhr, dass der heisse Südwind bis an die Küste reicht:

Deswegen ist es auch irreführend, wenn Medien berichten, dass es verrückt sei, dass es so weit im Norden so warm wird. Im Gegenteil: Der lange Weg der Luft von Süd nach Nord über Schweden oder Finnland bringt immer mehr Aufheizpotenzial, zusätzlich sinkt die Höhe über Meer Richtung Küste und bringt noch mal einen Aufschlag von 1 Grad pro 100 m Höhendifferenz. Das bedeutet, dass bei einer solchen Wetterlage hohe Temperaturen am Nordkap viel wahrscheinlicher sind als an der finnischen Südküste, wo eben bei Südwind die Ostsee kühlend eingreift und die Höchstwerte unter 30 Grad drückt.

Bei dieser Wetterlage sind 30 Grad und mehr an der Südküste Finnlands viel aussergewöhnlicher als ganz im Norden von Schweden. Aussergewöhnlich sind die lang anhaltende Wetterlage und die Stärke des Südwindes, welche die Seewindlust kaputt machen.

Inzwischen ist die Finnmark übrigens zur Normalität zurückgekehrt, wie Sie am Beispiel von Mehamn sehen (andere Orte via Menü):

https://kachelmannwetter.com/ch/wetter/778707-mehamn

Der Weg zurück zur Normalität beim Wetter wird noch dauern, wie die neuen Vorhersagen des Europäischen Zentrums für Mittelfristige Wettervorhersagen erwarten lassen, die bis Ende August reichen:

Das grosse Regendefizit würde demnach bis Ende August eher noch grösser werden (gräulich bräunliche Farben)

Wie immer ist es anderswo kühler und nasser als normal, in diesem Sommer am Mittelmeer – das führt dazu, dass die Wassertemperaturen der Ostsee vor St. Petersburg durchaus mehr als gut mit dem Wasser vor Südfrankreich mithalten können:

Wenn Sie nun über Tropennächte in St. Petersburg lesen, brauchen Sie sich auch nicht mehr zu wundern: Die Tiefstwerte sinken kaum unter die Wassertemperatur, wenn der Wind vom Meer her kommt. Es ist also alles ganz normal. Nur die Dauer derselben Wetterlage ist sehr aussergewöhnlich.

29 Kommentare zu «Warum es in Skandinavien so lange so heiss ist»

  • Victor sagt:

    Hey Jörg, du bist zwar ein Gott unter den Wettergöttern aber bist du nicht der Meinung das dein Artikel die Gefahr der Erwärmung herunter spielt? Im Eruopareport 2003 gab es über 70.000 Todesfälle Aufgrund des Hitzehochs. Also ich mach mir schon ein bissel sorgen und ich bin auch der Meinung das jedes Jahr ein neuer Rekord aufgestellt wird was die Temperaturen betrifft. Bis 2050 soll der Nordpol Eisfrei sein. Welche wird ein Hitzehoch dann einnehmen und wie wirkt sich das auf die Periglazial Gebiete in Russland aus?

    Aber über eine professionelle Diskussion würde ich mich freuen. Mach doch eine mit Harald Lesch im Fernsehen. Das wäre sehr interessant und dann könntest du gleich für deine App werben die ich sehr loben muss.

    Wünsche einen schönen Feierabend,

    mfG Victor

  • Anton Paschke sagt:

    2010 war ein komischer Sommer mit sehr stationärem Wetter. In Westeuropa sehr feucht, in Russland brannten die Wälder. Indus und Mekong führten extremes Hochwasser. Argentinien und Australien litt unter Dürre. Der Weizenpreis stieg wie ein Rakete. Die Taasinga Maersk lief in den Hafen von Conakry ein und sorgte 3 Wochen lang für Schlagzeilen und 2kg Reis pro Familie pro Woche. Die relativ kleinen arabischen Händler waren nicht in der Lage schnell andere als pakistanische Reislieferanten zu finden. Ben Ali in Tunesien hat, anders als der frisch gewählte Alpha Conde in Guinea, die Lage unterschätzt. Die Arabellion begann – in Syrien wird heute noch gekämpft….
    Das Wetter ist eine treibende Kraft der Weltpolitik.

  • Martin Eggenberger sagt:

    Das kommt wirklich manchmal vor: ca. 2003 war ich mit Kollegen in Norwegen mit dem Velo unterwegs. Wir fuhren rund 12 Tage und hatten keinen einzigen Tag Regen. Die Höchsttemparaturen lagen bei +36 C und wir waren mit dem Velo und Gepäck unterwegs. Zu Hause käme es mir nicht im schlimmsten Albtraum in den Sinn, bei 36 C eine Velotour mit Gepäck zu machen :-). Aber es war schön!
    Zwei Jahre später waren wir mit dem Auto unterwegs in Skandinavien. Zum Glück. Es war immer kühl und öfters regnerisch. So wie „man“ sich das so vorstellt…

  • Christoph sagt:

    Herr Kachelmann, lassen wir die Vergangenheit ruhen und blicken gekonnt in die Zukunft. Tolle Analyse, Danke!

  • Hansruedi Tscheulin sagt:

    Es sei bei uns in diesem Sommer nur „durchgehend wärmer als normal“, behauptet Kachelmann, und es ist eine blosse Behauptung. Was ist übrigens „normal“? Der Mittelwert? Der interessiert niemanden.

    • Katharina I sagt:

      Doch, mich hat das auch schon immer interessiert. Was ist wettertechnisch denn normal? Der Mittelwert ist einfach der Mittelwert. Der sagt ja nichts aus über die Normalität. Und Vergleichswerte aus der Vergangenheit sind ja auch nicht „normaler“, sie sind einfach Vergleichswerte. Ich glaube, dass es in Wahrheit nämlich gar kein normales Wetter gibt.

      • Hansruedi Tscheulin sagt:

        Sie haben recht. Vielleicht kann man auch, wie bei uns Menschen, vom Wetter sagen, es sei brauchbar oder eben nicht, nützlich oder dann verheerend. Der oft genannte „Mittelwert“ scheint die „mittlere Erdtemperatur“ zu sein. Die wird, obwohl es sie nicht gibt, benutzt, um das ominöse „Klimaziel“ irgendwo festmachen zu können.

  • Peter Glarner sagt:

    @M. Walter: Fügen Sie noch ein „Ein“ als erstes Wort ein, dann wird es klar. Ich habe gerade das Vergnügen, diesen finnischen Ausnahmesommer live zu erleben. Das wirklich Aussergewöhnliche ist, dass sich in FI bereits um Ostern herum lange sonnige Perioden zeigten, mit bereits aussergewöhnlich hohen Temperaturen. Seit etwa Pfingsten ist es nun – mit kurzen Unterbrüchen – durchgehend sonnig und heiss. Temperaturen fast konstant 25-30C, sogar mit Nächten über 20C. Finnlands Gesundheitsbehörden geben Hitzewarnungen heraus, die Finnen sind so lange Phasen mit hohen Temperaturen nicht gewöhnt.

    • Hanspeter Niederer sagt:

      Das sind klare Vorzeichen der kurz bevorstehenden Apokalypse. Genaugenommen hat sie schon begonnen, aber die Politik gefällt sich darin, eventuelle Massnahmen gegen die ab jetzt rapide zunehmende Erwärmung bis zum Sanktnimmerleinstag hinauszuschieben. Glasklar GAME OVER.

      • Michawl Schweingruber sagt:

        Bitte Herr Niederer
        Endzeittheorien bringen nichts und niemanden irgend ein Mehrwert. Sie sind ganz einfach Quatsch. Wir brauchen mutige und weitsichtige Menschen, welche Probleme erkennen können und Lösungen vorschlagen. Aber sicher keine kreischenden und keiffenden Jammersusen.

  • Heidi Riedlberger sagt:

    Wir sind seit 9 Tagen mit Hurtigrute unterwegs und haben genau diese Wetterlage erlebt!
    Bis gestern überwiegend 25 bis 30 Grad und nur Blazer Himmel!
    Am Nordkap schwitzen und den Kindern beim Baden im Fjord ( Strand!) zuzuschauen das ist schon außergewöhnlich!
    Heute morgen Richtung Hammerfest hat es nun mit 13 gr für Temperaturen die wir erwartet haben!

  • Hanspeter Niederer sagt:

    Der Klimakollaps beginnt in der Arktis. Durch diese völlig unnatürlich hohen DURCHSCHNITTS-Temperaturen beginnt der Permafrost aufzutauen, in dem gigantische Mengen an CO2 und Methan gspeichert sind. Es setzt eine Feedback-Schleife ein, welche in sehr kurzer Zeit die Temperaturen massiv erhöht. Herr Kachelmann wird noch zu Kreuze kriechen müssen mit seinen „alles ganz normal“-Analysen. GAME OVER ist sehr sehr nahe gerückt.

    • Volker Schmitt-Illert sagt:

      ach du liebe Zeit, noch ein Klimakollapshysteriker. Ich verfolge mit großem Amusement seit Mitte der 60er Jahre die Prognosen der „Wissenschaftler“. Die Wellenbewegungen sind wirklich abenteuerlich und weitgehend davon abhängig, wer gerade die Studien bezahlt.

      • Hanspeter Niederer sagt:

        Träumen Sie Ihren schönen Traum der Ignoranten weiter. In sehr kurzer Zeit werden Sie leider in den Albtraum-Modus wechseln müssen.

    • Katharina I sagt:

      Herr Niederer, ich will Ihre Katastrophenträume ja nicht schmälern. Aber es gibt keine unnatürlichen Temperaturen. Jede Temperatur ist natürlich, weil auch der Mensch ein Teil der Natur ist.

      • Dr. Huske sagt:

        Kann man so sehen – nur leider beeinflusst der Mensch durch sein Verhalten die Natur ganz maßgeblich. Artensterben, Abholzung, Bevölkerungsexplosion, CO2 Emission.

      • Hanspeter Niederer sagt:

        Faszinierend wie sich gewisse Leute ihre Welt schönreden. Doch, es gibt unnatürlich hohe Temperaturen bezogen auf ein bestimmtes Gebiet. Nämlich dann, wenn sie extrem von den dortigen natürlichen Schwankungen abweichen.

      • Hanspeter Niederer sagt:

        @Katerina I: pro Tag ! sterben weltweit 200 Tier-Spezies aus. Alles paletti, alles natürlich …. Sie dürfen selbst ausrechnen, wie lange es noch geht, bis wir in einer toten öden Welt vegetieren werden. In der Schweiz sind 35% der Tierarten vom Aussterben bedroht. Das ist schlicht eine absolut katastrophale Entwicklung. Wer hier noch ruhig bleibt gehört zum Psychiater. Und nicht diejenigen, die versuchen, die Leute aus ihrer konsumverblödeten Passivität und Lethargie aufzurütteln.

      • Katharina I sagt:

        Nun seien Sie doch nicht so emotional, Herr Niederer. Ein bisschen mehr Rationalität würde auch Ihnen gut tun. Dann würden Sie vielleicht verstehen, was ich meine. Jede Temperatur ist natürlich, das kann nicht von „unnatürlichen“ Dingen beeinflusst werden. Denn der Mensch ist ebenfalls ein natürliches Phänomen, sozusagen. Und beruhigen Sie sich, ich glaube schon, dass Ihnen noch eine sehr lange Zeit bleibt, um Ihr Leben zu geniessen. Und das sollten Sie tun! Gehen Sie spazieren! Treffen Sie Freunde! In der Ruhe liegt die Kraft. Und Herr Huske, Sie haben recht. Doch damit tut der Mensch nur das, was alle Arten tun. Er hat einfach mehr Möglichkeiten…

  • Adriano Maranta sagt:

    Da scheint einer gut draus zu kommen.
    Klare Analyse, und unterhaltsam geschrieben.
    Ein Wetterbericht, bei dem man was lernen kann.
    Gratuliere.

  • Martin Walter sagt:

    Hoch über Skandinavien, haben wir gelernt, bedeutet die berühmte «Bisentendenz».

    Was bedeutet dieser unvollständige Satz, Herr Kachelmann?

    • Peter Schleming sagt:

      Es bedeutet, mein Lieber Herr Walter, dass das simplifizierte Schulbuchwissen vielleicht die naiven Wettervorstellungen der Bildungsfernen prägt und falsche Erwartungen weckt; dass ein Hoch über Skandinavien zwar eine Bisentendenz bewirken kann, aber nicht muss.

      • Hans Hasler sagt:

        Die Frage stellt sich aber schon, wer denn angeblich dieses simplifizierte Schulbuchwissen und naive Wettervorstellungen haben soll.
        NIEMAND geht davon aus, dass ein Hoch im Norden zu Bisen führt.

    • Meiers Ursel sagt:

      Das Wort „bedeuten“ wird in einer zwar seltenen ,aber korrekten Form verwendet und bedeutet hier eben nicht „bezeichnen“, sondern „existieren“.

  • Sepp Thomas sagt:

    Zitat: „Bei dieser Wetterlage sind 30 Grad und mehr an der Südküste Finnlands viel aussergewöhnlicher als ganz im Norden von Schweden. Aussergewöhnlich sind die lang anhaltende Wetterlage und die Stärke des Südwindes, welche die Seewindlust kaputt machen.“ Das find ich sehr interessant, könnten sie das nicht noch quantifizieren? Wie häufig sind 30 Grad an der Südküste Finnlands im Vergleich zum Norden von Schweden pro Sommer in den letzten Jahrzehnten gewesen? Oder könnten sie eine normalisierte Anomalie ausrechnen? Beispielsweise: Die 30 Grad an der Messstation im Norden von Schweden minus Sommer Klimatologie geteilt durch Varianz? Verglichen dann mit dem Süden von Finnland? Halt irgendwie quantifiziert, ich denke sie haben das gemacht, sie schreiben es ja im Text.

  • Karl Zürrer sagt:

    Sehr gute Analyse, Herr Kachelnann.
    Der durchnittliche Wetterkonsument ist vermutlich etwas überfordert, dennoch ein sehr guter Beitrag um das von gewissen Medien gehipte horrorszenarien zu relativieren.
    Bitte weiter so….

  • Philipp M. Rittermann sagt:

    also jetzt will ich dem herrn kachelmann doch (auch) mal ein kompliment für diese interessante analyse machen.
    ich glaube generell soll es die meteorologen auszeichnen, die wetterlagen zu analysieren als sie (falsch) vorherzusagen. denn letzteres gelingt über mehr als einen tag hinaus nicht wirklich gut. so ist für mich die meteorologie eigentlich der mikrokosmos innerhalb der klimaforschung. aber immerhin doch. -;)

    • Jörg Kachelmann sagt:

      Man kann ohne Problem viel weiter in die Zukunft sehen, aber lassen wir das.

      • Philipp M. Rittermann sagt:

        da haben sie natürlich recht. nur weiss niemand, was die zukunft bringt. so richtig… zumindest. nehmen sie z.b. die klimaerwärmung. die ist natürlich tatsache. aber der einfluss aufs wetter ist nach wie vor eine lotterie. so sehe ich das zumindest als laie, wohlgemerkt.

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