Warum es in Havanna keine Einkaufszettel gibt

  • Einkaufslisten überflüssig: In Havanna wird gekauft, was gerade da ist. (Foto: iStock)

  • So viel wie man tragen kann: Wer weiss schon , wann es das nächste Mal Klopapier zu kaufen gibt. (Foto: Niurka Barroso/AFP)

  • Nur zum Anschauen: Ein neues Sanitärgeschäft in Havanna ist seit über einem Jahr geöffnet ... (Fotos: Oscar Alba)

  • ... die Kundschaft kann aber nur die Ausstellungsmodelle bestaunen.

  • «Geschlossen aus Gründen der Hygiene und Epidemiologie»: Der wahre Grund für die Schliessung ist meist der Mangel an Produkten.

  • «Mehr Angebote im oberen Stock»: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Schaufenster eines Juweliergeschäfts in Centro Habana.

Einkaufen gehen in Kuba kostet viel Zeit, Geduld und Nerven. Was man braucht und sucht, ist meistens gerade nicht im Angebot. Was es jedoch stets zur Genüge gibt: chronischer Mangel, böse Überraschungen und wundersame Rätsel.

Alle paar Wochen wiederholt sich die Geschichte mit dem Toilettenpapier. Plötzlich ist es alle, und in ganz Havanna gibt es nirgendwo mehr welches zu kaufen. Die Leute fragen jeden Tag danach. Die Angestellten in den Läden sagen, vielleicht kommt die Lieferung morgen, vielleicht übermorgen. So vergehen Tage, manchmal zwei, drei Wochen, ein Monat. Wenn dann die Regale auf einen Schlag überall wieder voll sind mit WC-Papier-Rollen, stehen die Menschen Schlange.

Halb leere Wundertüten

Am ersten Tag meistens ziemlich lange, weil die Frau an der Kasse sagt, das Toilettenpapier ist zwar da, aber noch nicht verkäuflich, weil, es muss erst noch erfasst, registriert, inventarisiert werden und wie alle die Wörter heissen, die in Kuba zum Standardrepertoire gehören. Viele Kunden gehen dann aber nicht nach Hause, sondern harren in der Warteschlange aus, denn wenn man später zurückkommt, ist es vielleicht schon wieder zu spät, sprich das Toilettenpapier alle. Dasselbe Szenario spielt sich ab mit x anderen Artikeln des täglichen Bedarfs.

Die Supermärkte sind halb leere Wundertüten. Niemand geht da mit einer Einkaufsliste oder mit dem Gedanken hin, ich brauche dies und das. Das ist zwecklos und verursacht nur unnötigen Frust. Man geht hin, um zu schauen, was es gibt. Vielleicht ist etwas im Angebot, das man gerade braucht. Weil das aber sehr oft nicht der Fall ist, hat Kuba eine rekordverdächtig hohe Zahl von Laufkunden, die, ohne etwas zu kaufen, die Ladengeschäfte verlassen.

Trockenkekse – so weit das Auge reicht

Weil zu viele leere Regale und Kühltruhen schlecht sind für die Gemütslage der Volksseele, müssen die Filialverwalter diverse Auflagen befolgen. Zum Beispiel die, dass die wenigen Produkte so aufgereiht werden müssen, damit die Kundschaft zumindest optisch den Eindruck erhält, dass es von dem schmalen Angebot für alle genug hat. Der Kunde sieht: zehn Meter weit Pulvermilch oder Tomatensauce, Trockenkekse oder Speiseölflaschen so weit das Auge reicht, aber nur in den vordersten zwei Reihen im Gestell. Dahinter beginnt die grosse Leere.

Wenn die Lücken zwischen den wenigen Produkten zu gross werden, müssen die Geschäfte schliessen. An den Türen hängen dann Schilder wie: Geschlossen wegen Inventar. Oder wegen Reparaturarbeiten. Oder wegen Stromausfall. Oder wegen «Fumigación», heisst: Man erwartet die Stosstrupps des Gesundheitsministeriums, die mit ihren Giftkanonen den Laden ausräuchern, um die Moskitos zu killen, die Zika, Dengue und andere Krankheiten übertragen.

Kommen Sie nächste Woche wieder vorbei…

Ein anderes Phänomen sind die neuen Geschäfte mit Importprodukten, die anmächelig ausgestellt sind, man aber nicht kaufen kann. Zum Beispiel im Sanitärgeschäft Viglacera im noblen Stadtteil Miramar. Der Laden ist im Sommer 2016 eröffnet worden und immer voll von potenziellen Kunden. Sie bestaunen die glänzenden Lavabos, Duschvorrichtungen, Keramikfliesen, Pissoirs mit Sensorspülung und intelligenten Toiletten mit automatischem Deo-Ausstoss und sich selbst öffnenden und schliessenden Deckeln. Seit über einem Jahr muss das elegant gekleidete Verkaufspersonal die Kundschaft vertrösten: Es gebe Probleme mit dem Import aus Vietnam und die Ausstellungsmodelle dürften nicht verkauft werden.

Dasselbe Problem hat das neue Elektrowarengeschäft im Supermercado 70y3ra: Von den modernen Kühlschränken, Klimaanlagen und Waschmaschinen aus Südkorea haben es erst die Präsentationsmodelle bis nach Kuba geschafft. Die Angestellten können nicht sagen, wann der Verkauf losgeht. Man solle doch nächste Woche noch einmal vorbeischauen.

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24 Kommentare zu «Warum es in Havanna keine Einkaufszettel gibt»

  • N. Davalos sagt:

    Der Artikel ist absolut korrekt,und es ist leider eine Tatsache das viele Leute nicht die Möglichkeit haben überhaupt in einen solchen Laden zu gehen.Kuba hat von die „privilegierte Bevölkerungschicht “ und jene die das absolute Minimum haben. Damit auch das Thema des Einkaufs, wer die Drvise CUC besitzt, hat mehr Glück einen Artikel zu kaufen der ihm fehlt in,den in den entsprechenden Läden zu finden,aber im generellen ist es so das man nur das kaufen kann was es gerade im Angebot hat,und das ist leider öfters herzlich wenig. Wohlgemerkt spreche ich von der Bevölkerung und nicht aus der Sicht eines Touristen.,nach wie vor ist noch lange nicht alles wie es sein könnte oder dürfte…

  • Ruedi Meier sagt:

    „Trockenkekse“, was ist denn das? Sind etwa Bisquits gemeint?

  • Sacha Maier sagt:

    Bei Industrieprodukten, Halbwaren und Spezialwerkzeugen ist es hier bei uns in der Schweiz auch nicht besser. Schliesslich hat der gnädige Herr Doktor aus H. im Jahre des Herrn 2005, die Lex Blocher zugunsten unserer Generalimporteure eingeführt, die besagt, dass patentierte Waren nicht schwarz importiert (d.h. am offiziellen Generalimporteur vorbei eingeführt) werden dürfen. Sonst wird die Ware vom Zoll eingezogen und es gibt eine Busse. Bloss hat der Generalimporteur oft keine Lust zu importieren – etwa wenn es sich um ein wenig benötigtes, oder billiges Teil handelt – und der Hersteller verweist hartnäckig auf den Generalimporteur. So hat sich die Katze am Schwanz gebissen. Also geht die Sucherei los. Manchmal findet man Restbestände aus besseren Zeiten bei kleineren Firmen. 😉

    • vemaro sagt:

      Du warst wohl noch nie in Kuba???
      Sonst würdest du nicht solch einen Blössinn erzählen….
      du hast keine Ahnung, wie es in einem Land, wo es dauernd fast nichts gibt, zu leben ist.
      Da hat es das Geschäft „No hay“ und das Geschäft
      „Hay nada“ und sonst so sozusagen ……… nichts!
      Du bist betrübt, dass du gerade das von dir gewünschte Detail nicht kriegst!
      Dort kriegst du nicht mal ds Ganze……

  • René Engesser sagt:

    Ich weiss nicht, wo der Autor dieses Beitrages in Havanna einkaufen geht. Ich finde immer ( fast ) alles. Also Toilettenpapier hat noch nie gefehlt. Klar, die Preise sind manchmal auf internatiolem Standard. Aber es gibt die Waren, null Problemo.

    • vemaro sagt:

      Kuba besteht nicht nur aus Havanna.
      Und einen vollen Geldbeutel, um in den Geshäften der Westerners kaufen zu können, haben die Wenigsten.
      In Kuba lebtvor Allem das Volk, das nichts hat und nur die wenigen Leute wie du, die sich alles leisten können finden, was sie wollen.

      • Ruedi Meier sagt:

        Da oben steht aber, dass in ganz Havanna manchmal kein WC-Papier erhältlich ist. Darauf bezieht sich René E.

      • Wolfgang Fischer sagt:

        1. Alba wohnt in Havanna; es gibt es keinen Zweifel, dass er sich auf die Hauptstadt bezieht.
        2. Das Thema des Artikel war die Behauptung, diverse Verkaufsartikel seinen nicht erhaeltlich. Herr Engesser weist darauf hin, dass dieser Mangel in der Darstellung Albas masslos uebertrieben ist. Dies stimmt auch mit meiner Erfahrung ueberein, aber Alba versucht in allen seinen Beitraegen, alles in Kuba so negativ wie moeglich darzustellen;. von Ausgewogenheit keine Spur.
        3. Sie wechseln das Thema wenn Sie zur Frage kommen, ob die Produkte auch erschwinglich seien. Nicht jeder kann alles kaufen was er will, das ist ueberall so. Und wenn es um Grundbeduerfnisse geht, so sind die Kubaner VIEL besser ausgestattet als Einwohner vergleichbarer Laender, wie Haiti, Honduras oder Guatemala.

  • Max gerber sagt:

    Da lernt man wohl kleine Dinge zu schätzen. Scheint ein kleines Abenteuer zu sein jeder Tag, der Bus der nicht kommt oder der Strom der abgestellt wird etc. etc:-)

    • vemaro sagt:

      Genau! Und dabei den guten Mut und die Fröhlichkeit nicht zu verlieren wäre für die Schweizer beinahe ein Wunder!…….

      • Max gerber sagt:

        Mit dem Wort Fröhlichkeit habe ich etwas Mühe, sie sind schon stark geprüft mit Entbehrungen, eher eine einzigartige Mischung aus Gelassenheit und auch Stärke, wenn man die Skaven-Vergangenheit betrachtet, wo nur die Stärksten überlebten.

  • Albert Fiechter sagt:

    Auf einer Reise von West nach Ost und umgekehrt in Kuba bin ich keinem Geschaeft begegnet, das nach hiesigen Begriffen als „Supermarkt“ bezeichnet werden koennte. Supermaerkte in einem Land in dem die Lebensmittel rationiert sind, ist ein Widerspruch.

  • Albert Fiechter sagt:

    Auf einer Reise von West nach Ost und umgekehrt in Kuba bin ich keinem Geschaeft begegnet, das nach hiesigen Begriffen als „Supermarkt“ bezeichnet werden koennte. Supermaerkte in einem Land indem die Lebensmittel rationiert sind, ist ein Widerspruch.

  • Peter Aletsch sagt:

    Bezüglich Kühlschränken auf Kuba noch eine Reminiszenz: war bei einem Professor mit casa particular zu Gast. Im Zimmer ein weit überdimensionierter Kühlschrank, Made in Ukraine. Als ich ihn berührte bei der Einfassung, erhielt ich einen elektrischen Schlag!

  • Ursula Jauch sagt:

    Ja es ist ein Erlebnis.Zuerst vor dem Geschäft anstehen,hereingelassen werden wenn Kunden herauskommen,Mehl,Hülsenfrüchte,ect.in mitgebrachte Behälter abfüllen,zahlen,Wechselgeld ist Mangelware.Vom Staat erhält jeder zum leben pro Monat für ca.1 Woche
    Grundnahrungsmittel,Kartoffeln,Mehl,Eier,Hülsenfrüchte.Zucker ist Mangelware=teuer,Salz das Kilo ca,5 Franken.
    Auf Märkten stehen Polizisten mit Maschinengewehren bei jedem Stand.85% der Lebensmittel werden importiert.Export sind Ärzte und Krankenschwestern.Geht man in eine Apotheke haben sie viel Kräutermedis,kaum ein chemisches Produkt.

    • Patrick Biegel sagt:

      Ein Paradies für Vegetarier, Veganer und Esoteriker, denn Fleisch gibt es äusserst selten und die „Kräutermedis“ brauchen meistens auch noch eine rechte Portion gefestigter Glaube an deren Wirksamkeit…

    • Peter Aletsch sagt:

      Kann ich nicht bestätigen,den Betrieb in einer Apotheke in Bayamo immer noch im Sinn, weil ich dort ein Video aufnahm, weil gerade ein Musikhit aus Europa im Hintergrund gespielt wurde. Würde auch dem guten Stand kubanischer Medizin widersprechen. Als ich einmal ein Antibiotikum brauchte, war das sofort da.

      • vemaro sagt:

        Als ich dort (nicht in Havanna) war, hatte es fast nichts, und als ich sehr krank wurde und lebeswichtige Medikamente brauchte konnte ich diese nur dank meiner goldenen Mastercard per Flugzeug kommen lassen.
        Ich habe meine Krücken, die ich zum Gehen brauche ( ich hatte auch einen Rollstuhl dabei) und alle meine Schmerzmittel und Vitamine dagelassen, weil die Familie, die wir besuchten nichts hatte und der Grossvater keine rechten Stöcke besass und immer Schmerzen hatte.
        Alles, was wir nicht wirklich brauchten haben wir bei der Abreise dagelassen….

    • vemaro sagt:

      Ja, so ist es. Aber nur die Leute, welche schon mal in Kuba waren und mit dem Volk Kontakt hatten wissen das.

  • Daniel Lehmnann sagt:

    „Geschlossen wegen Inventar“?
    Wohl nicht, Herr Alba.
    Richtig übersetzt heisst es „Geschlossen wegen Inventur“.
    Ansonsten Danke für den unterhaltsamen Artikel!

    • Patrick Biegel sagt:

      Die brauchen vermutlich auch nicht sehr lange um die wenigen noch verbleibenden Artikel zu zählen…

    • vemaro sagt:

      Echt arrogant, Herr Daniel Lehman.
      Wir sind hier nicht im Deutschkurs….
      ..und jeder kann sich mal vertippen.
      Die schöne, interessante und aufschlussreiche Reportage ist unterhaltsam zu Lesen und Ihr Kommentar völlig daneben

  • Housi Abächerli sagt:

    Willkommen im real existierenden Sozialismus!

  • Patrick Biegel sagt:

    Das würde ich als „Einkaufserlebnis“ bezeichnen… Wenigstens gibt es jedes Mal eine interessante Geschichte zu erzählen, auch wenn der eigene Kühlschrank (wenn man überhaupt einen besitzt) nach dem „Einkauf“ immer noch leer ist…

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