Ein Netzwerk hilft Schwangeren gegen Mobbing

In Japan nennt man die Diskriminierung und Schikanierung Schwangerer und junger Mütter «Matahara»: Frau mit Babybauch posiert in einem Fotostudio in Tokio. Foto: Kim Kyung-Hoon (Reuters)
Die Verkäuferin Hiroko Miyashita wusste noch gar nicht, dass sie schwanger war, als sie als Notfall ins Krankenhaus gebracht wurde. Das Spital informierte ihren Arbeitgeber – der Filialleiter liess ihr ausrichten, sie werde nicht mehr gebraucht. Seine Begründung: Er könne keine Schwangere im Laden beschäftigen, das irritiere die Kunden. «Ich konnte nicht mehr essen, nichts mehr trinken und nicht mehr lächeln», erinnert sich Miyashita. Sie wehrte sich, zumal sie das Gesetz auf ihrer Seite wusste. Aber der Filialleiter behauptete, für sein Geschäft gelte das Gesetz nicht.
Die Geschichte von Hiroko Miyashita liegt 15 Jahre zurück, inzwischen nehmen die Gesetze in Japan schwangere Arbeitnehmerinnen deutlich mehr in Schutz. Aber Gesetze werden in Japan flexibel ausgelegt; oft zugunsten des Stärkeren.
Miyashita reichte damals Klage ein, und sie gewann. In Japan nennt man die Diskriminierung und Schikanierung Schwangerer und junger Mütter «Matahara». Die Soziologin Hiromi Sugiura hat den Begriff kreiert – eine Kurzform des englischen «Maternity Harassment» (die «Drangsalierung von Müttern»). Inzwischen steht es sogar im Gesetz.
Abtreibung oder Kündigung
Geändert habe sich im Alltag wenig, sagt Miyashita: «In vielen Firmen ist die Mentalität noch die gleiche.» Es werden bis heute immer wieder Fälle bekannt, in denen Schwangere vor die Wahl gestellt werden: Abtreibung oder Kündigung.
Noch heute halten viele Japaner das Modell, wonach der Vater arbeitet, während sich die Mutter ganz um die Kinder kümmert, für die traditionelle Familienstruktur. Viele wissen nicht, dass ihr Land dieses Modell erst im 19. Jahrhundert aus Preussen importiert hat. Seither wird von den Japanerinnen erwartet, dass sie ihre Stelle kündigen, wenn sie heiraten.
Vor drei Jahren schlossen sich deshalb einige Opfer von Matahara zusammen. Geführt von Sayaka Osakabe, die wegen Mobbings zwei Kinder durch Spontanaborte verlor, gründeten sie Matahara-Net. Miyashita und vier weitere ehemalige Opfer helfen per Mail und am Telefon. In den letzten drei Jahren holten sich mehr als 300 Frauen bei ihnen Rat. «Es melden sich immer mehr Opfer», sagt Miyashita. «Ich hoffe, das ist so, weil unser Hilfsangebot immer bekannter wird. Nicht, weil es immer mehr Fälle gibt.»
«Das alte Denken ist weit verbreitet»
Die Ratgeberinnen trösten, beraten, kontaktieren wenn nötig den Arbeitgeber und versuchen, die Opfer beim Verhandeln zu unterstützen. «Viele Schwangere fühlen sich machtlos, sie können nicht kämpfen, manche suchen die Schuld bei sich selbst.» Wenn Verhandeln nicht hilft, unterstützt Matahara-Net die Frauen auch beim Gang vor Gericht.
Vor zwei Jahren erst verweigerte Japan Airlines einer schwangeren Flugbegleiterin den Wechsel in den Bodendienst und zwang sie in den unbezahlten Urlaub. Die Frau klagte vor Gericht, es kam zum Vergleich, die Airline musste zahlen. Als die 31-jährige Parlamentarierin Akako Suzuki im Juli ihre Schwangerschaft bekannt gab, bombardierten Wähler sie im Internet mit Rücktrittsforderungen. Sie könne nicht gleichzeitig schwanger und Politikerin sein, meinte man.
«Das alte Denken ist eben weit verbreitet», seufzt Hiroko Miyashita, «vor allem unter Männern.»
9 Kommentare zu «Ein Netzwerk hilft Schwangeren gegen Mobbing»
Der Artikel laesst das Gefuehl entstehen, dass dieses Thema in Japan ein grosses Problem ist. Ist es aber nicht. Direkte Vergleiche mit der Schweiz sind unangebracht. Herr Neidhart schreibt gewoehnlich lesenswerteres ueber Japan. Frauen in Japan haben einen viel hoeheren Stellenwert, als im Westen allgemein angenommen.
Wenn beide 100 % arbeiten, dann ist die Organisation des Alltags ein grosser Kraftaufwand, der nicht jedermann und jedefrau 😉 schafft. Es kommt nicht zuletzt auch auf das Umfeld drauf an. Wenn Omi und Opi oder eine Nachbarin mal kurzfristig einspringen können und ein krankes Kind Zuhause hüten, dann geht das. Wenn man sich dann jedes Mal abmelden muss, wird es schwierig. Die Krippe als Abschieben zu bezeichnen seh ich als dauerhaften Nichtargument. Krippen geben die Chance zu wichtigen sozialen kindgerechten Kontakten, die man sonst nicht so einfach bieten kann. Auch einfache altersgerechte Regeln einhalten ist dann für den kleinen Prinzen oder die kleine Prinzession mal angesagt. Das schadet nicht. Papi und Mami kümmern sich sonst um alles, und bei weitem nicht nur am Wochende!
‚Regeln einhalten‘, ‚kindgerechte Kontakte‘, ja, toll, das ist in dem Alter sicher das wichtigste. Kinder sollten von Klein auf lernen dass es sie immer Teil einer grossen Gruppe sind und es ohne Regeln nicht geht. Sich immer schön anpassen und gleichgeschaltet sein und alle Regeln befolgen, nur ja nicht auffallen. Schon in der Schule fand ich das lästig. Ich bin froh, dass mir das in jüngeren Jahren erspart geblieben ist. Ab und zu mit anderen Kindern spielen und was unternehmen geht auch sonst, Nachbarn, Freunde, Bekannte.
Ich frage mich aber auch, ob die Krippenverteidiger(innen) wirklich immer nur um das Wohl des Kindes besorgt sind, oder ob sie nicht auf ihre eigenen Karrieren und Bedürfnisse im Hinterkopf haben …
Es geht aber nicht nur ums Geld. Frauen brauchen auch ein Leben neben der Familie. Studien zeigen, dass Frauen, die im Vorschulalter teilweise berufstätig waren, zum Zeitpunkt der Einschulung gesünder und in besserer Verfassung sind, als andere Mütter. Eine berufliche Diskriminierung ist daher völlig daneben.
Weiter ist es auch für die Beziehung der Eltern sehr wertvoll, wenn die Mutter auch ein anderes Thema als „nur“ die Kinder und deren Erziehung hat.
Allerdings ist es schon auch so, dass eine Entscheidung für Kinder eine einschneidende Entscheidung ist und die Kinder auch den Stellenwert bekommen sollen, den sie verdienen. Eine 100% Weiterbeschäftigung beider Eltern verkennt diesen Stellenwert und hat m.E. langfistige Folgen auf das Kind, die sich erst viel später zeigen werden.
Krippen sind auch keine Lösung, das hat für mich was von ‚Kinder abschieben‘, Familie ja gerne, aber bitte nur am Wochenende. Oder so.
Den Kindern zuliebe sollte man sich entscheiden – 100% Arbeit und Familie gleichzeitig geht eher schlecht als recht. Zumindest die ersten 5-10 Jahre nach der Geburt der Kinder. Ich bin froh, dass ich nicht im Alter von wenigen Monaten in eine Krippe abgeschoben wurde, sondern meine Jugend mit meinen Eltern verbringen durfte, oft sogar mit beiden Elternteilen
Das bedeutet natürlich nicht, dass die Mutter ihren Arbeitsplatz aufgeben muss – wir leben schliesslich im 21. Jahrhundert! Ebenso gut kann der Vater die Kinder grossziehen, oder die beiden Eltern teilen sich die Erziehung (arbeiten also z.B. beide Teilzeit an unterschiedlichen Wochentagen).
Daheim bleiben oder weiter arbeiten ist kein kurzfristiger Entscheid. Ein paar Jahren die Krippe zahlen, wenn man es sich leisten kann, und dafür im Arbeitsprozess integriert bleiben. Die erworbene Kompetenzen nicht verlieren und später trotzdem die Karriere machen, die man sich wünscht und die mindestens zum Teil noch möglich ist. Es geht um den eigenen Lebensentwurf, um das Leben, das wir als Familie führen wollen. Daheim zu bleiben, „nur“ um keine Krippe zu bezahlen kann in diesem Sinn sehr unvernünftig sein.
Ist es soviel besser bei Herrn und Frau Schweizer? Nicht ein bisschen. Da kann sich die CH ruhig in eine Reihe mit Japan stellen, und sollte sich schämen! Selbst die Mentalität, dass der Stärkere bzw. der Arbeitgeber sowieso Recht hat, findet sich hier. Frauen werden nicht selten gekündigt, wenn sie es wagen sollten nach dem Mutterschutz wieder ganz normal arbeiten gehen zu wollen.
Och, bleiben Sie als Mann auch zu Hause, wenn Sie merken, dass Ihr gesamtes Einkommen für die Familie draufgeht?
Naja, sooo rosig sieht es bei uns ja auch nicht aus. Die meisten Frauen haben auch hier kaum eine wirkliche Wahl, zwar weniger gesellschaftlich, definitiv aber vom System bedingt: Ein Krippenplatz kostet zwischen 2500 und 3000Fr. und kann nur teilweise von den Steuern abgezogen werden. Bei zwei Kindern lohnt sich arbeiten meistens nicht. Der Vernunftentscheid: Sie bleibt Zuhause..