Notruf von der Trauminsel

Ein Konzentrat von allem, was das Mittelmeer ausmacht: Die Insel Pantelleria. Foto: Michael Leithold (Wikimedia)
Wäre man doch Kinderarzt geworden! Das Paradies stünde einem offen. Auf Pantelleria, einer Insel in der Strasse von Sizilien, vulkanisch rau und schön, wird händeringend nach einem Kinderarzt gesucht, der die Dottoressa Mariella Guzzo ersetzen könnte. Nach langem Dienst ist sie in Pension gegangen, und auf frühere, landesweite Ausschreibungen hat sich niemand gemeldet – nun ist die Stelle sogar international ausgeschrieben.
Das liegt wohl daran, dass es in Italien an Ärzten mangelt, besonders an Spezialisten. Auf dem Festland verdient man auch mehr. Und so versucht es die Gesundheitsbehörde der Provinz Trapani, die zuständig ist für die Insel, nun mit einem deutlich üppiger dotierten Lohnangebot für den Posten auf Pantelleria: 90’000 Euro im Jahr.
Mit dem Helikopter zur Geburt
Für lokale Verhältnisse ist das eine kleine Extravaganz, 20’000 Euro mehr als früher, aber unbedingt vertretbar. Gewissermassen überlebenswichtig. Findet sich für die Stelle nämlich wieder niemand, wird die Geburtsstation im Ambulatorium von Pantelleria schliessen müssen. Werdende Mütter müssten dann nach Sizilien fahren, um zu gebären, und das ist gar nicht so nahe – mit der Fähre sind es fast sechs Stunden. Tunesien wäre weniger weit weg.
Wenn es in der Schwangerschaft Komplikationen gibt, ist es jetzt schon üblich, dass Frauen nach Agrigento, Trapani oder Palermo geflogen werden – mit dem Helikopter, aus Sicherheitsgründen. Auch das ist teuer. Die Investition in die Geburtsstation würde sich wohl rechnen. Neben einem Kinderarzt wird übrigens auch ein Neonatologe gesucht. Auf Pantelleria!
Ein Ort für Liebhaber
Man könnte ja denken, dass das Geld bei den Überlegungen in diesem Fall nur eine beiläufige Rolle spielen sollte. Schon der Name: Er leitet sich vermutlich aus dem arabischen Bint ar-riah ab, Tochter der Winde. Mistral und Scirocco fegen die Wolken weg, klären die Luft, schärfen das Licht. Es regnet nicht oft auf der Insel. Darum bauten sie auf Pantelleria immer schon Häuser, die berühmten Dammusi, deren Dächer so geformt sind, dass sie im Winter das Regenwasser sammeln.
Ihre Gärten, nicht selten in Terrassen angelegt, schützen die 8000 Bewohner mit Mauern aus Lavagestein, damit nicht die Winde die Früchte davontragen: die Zitronen, Orangen, Oliven, die Weintrauben des Zibibbo, eines süssen Weissweins. Der traditionelle, tausend Jahre alte Weinanbau auf Pantelleria erscheint den Kulturschützern der Unesco als so wertvoll, dass sie ihn zum Welterbe zählen. Aus Pantelleria kommen auch die besten Kapern Italiens, der würzigste Oregano. Ein Konzentrat von allem, was das Mittelmeer ausmacht.
Vor allem aber sind Pantellerias Küsten nicht so verbaut worden wie andere. Die Insel hat sich dem Massentourismus recht erfolgreich widersetzt. Sie bewahrt ihren alten Charakter, der über Jahrhunderte von vielen Besatzern geprägt wurde: den Phöniziern, den Römern, den Byzantinern, den Arabern, den Bourbonen, den Normannen. Der Ort ist etwas für Liebhaber, für Romantiker ohne Inselkoller. Im vergangenen Jahr kamen auf Pantelleria achtzig Kinder auf die Welt. Sehr anstrengend ist der Job also nicht. Die Bewerbungsfrist läuft noch bis zum 10. Oktober.
5 Kommentare zu «Notruf von der Trauminsel»
Euro 90’000.- ist in der EU, selbst auf einer (schönen) Insel, ein Traumsalär. Man darf halt die allermeist sehr überrissenen Löhne in der Schweiz nicht heranziehen!
Habe, als ich Praktikum in Grönland 1995 absolvierte, einen Chef gehabt, der 1/2 Jahr in Schweden gearbeitet hat (wegen den Steuern hat sich mehr nicht gelohnt) und im Sommer einige Monate auf Pantelleria „inoffiziell“ seiner Arbeit nachging. Hat geschwärmt von der Insel. Nicht umsonst haben Armanis und Co ihre Ferienanwesen dort. Bei den CH-er ist diese Insel noch nicht bekannt, zum Glück.
…… einen 24-Stunden-Job
Das sind italienische Insel Stunden, also gemach, gemach Stefan!
Naja, 90’000 Euro ist nicht gerade ein Traumgehalt für einen 24-Stunden-Job mit der Aussicht auf baldigen Burn-Out. Beispielsweise Rorschach hat ungefähr gleich viele Einwohner, aber 4 Kinderärzte und ein Spital.
Wenn man der einzige Kinderarzt auf dieser Insel ist, darf man davon ausgehen, dass man die nächsten Jahre nebst dem immer vollen Sprechzimmer auch keine Nacht mehr durchschlafen wird. Da muss man den Beruf nicht nur lieben, sondern man muss ganz und gar nur für den Beruf und die Berufung leben. Und diese Eigenschaft ist im Rahmen der Entzauberung der Medizin auch bei Ärzten seltener geworden.
Es gibt eben noch Leute, die etwas mit Hingabe tun. Klar, die findet man bei den Züri-„Banker“-Hipstern nicht, sondern eher bei den Alphirten, den Maschinenbauern und eben den Kinderärzten