Von Pi:pl zu Pi:pl

Welttheater

Der Panda zieht stets die Aufmerksamkeit auf sich. Foto: leungchopan (iStock)

Wie die Zeit vergeht. Als ich anfing, Sinologie zu studieren, hatte China eine Geschichte von 3000 Jahren. Heute sind es 5000, sagt jedenfalls die Regierung. Und vor ein paar Tagen erzählte Donald Trump der Zeitschrift «Economist» von Chinas grossartiger Geschichte von 8000 Jahren. Es machten sich dann wieder einmal alle lustig über Trump, aber ich glaube, ich weiss, wie er auf die Zahl kommt. Neulich war ich auf einem «People-to-People-Dialog». P2P. Das ist etwas Neues, das ist, wenn welche miteinander reden, nämlich Pi:pl. Haben die Chinesen das jetzt also auch noch erfunden, das mit dem miteinander reden, dabei hätten wir da nun wirklich selbst drauf kommen können. Kein Wunder, hängen die uns bald überall ab.

Wobei mir noch immer nicht genau klar ist, wer da jetzt am Ende gemeint ist: Das Volk? Oder die Leute? Wenn man überhaupt was sagt, die Leute sind dort eher sparsam, gerade im Dialog. Jedenfalls sassen nun in Peking in einem riesigen Saal auf der einen Seite viele chinesische Partei- und Regierungsfunktionäre und auf der anderen Seite unter anderem der Felix Magath, der Sigmar Gabriel und, ganz hinten in der letzten Reihe, da wo immer die Journalisten hingesetzt werden, ich. Waren wir die Pi:pl? Oder das Pi:pl? Jedenfalls guckten wir uns zuerst einen dieser tollen Filme an mit viel blauem Himmel und flatternden Fahnen, in dem, glaube ich, die Seidenstrasse vorkam und vielleicht sogar Duisburg, auf jeden Fall aber bambuskauende, purzelbaumschlagende Pandabären – und am Ende sind es halt immer die bambuskauenden, purzelbaumschlagenden Pandabären, die hängen bleiben. Sorry, Duisburg.

Dialog macht müde

Draussen im Foyer gab es was zum Staunen, nämlich eine kleine Fussballausstellung. Weil: «Der Fussball eint Länder in weiter Ferne in gemeinsamer Prosperität», so stand es am Eingang. Da stand noch einiges mehr, was zum grüblerischen Kopfnicken einlud, zum Beispiel in der Weite des Raumes erneut Felix Magath. Und hinten an der Wand dieser Satz: «Selbst Meere und Berge können Gleichgesinnte nicht trennen.» Ich nehme an, damit waren die Pi:pl gemeint. Herzstück der Ausstellung waren kleine Messingfiguren, die einen Cuju-Ball aus der Han-Dynastie balancierten und damit den Beleg lieferten, dass, eh klar, lange vor dem Buchdruck und dem People-to-People-Dialog die Chinesen auch den Fussball erfunden haben, vor mehr als 2000 Jahren. Vielleicht war das Herzstück aber auch der Felix Magath, der nämlich vermittelte, wie er da so stand, den Eindruck als sei er es gewesen, der den Cuju-Ball damals nach China gebracht hat.

Schliesslich durften wir uns nacheinander 14 (vierzehn!) Reden anhören, und wer das nicht glaubt, dem faxe ich gern eine Kopie der Rednerliste zu. Allerdings rate ich, vorher eine neue Faxpapierrolle einzulegen, alternativ besorgen Sie sich – damit die E-Mail Platz hat auf Ihrem Bildschirm – einen dieser schicken Passt-nur-durch-herrschaftliche-Flügeltüren-oder-Start-up-Garagentore-Macs, vor denen sämtliche Grafikdesigner entlang der Seidenstrasse so gerne pittoresk lümmeln. Von den Rednern ist mir ebenfalls nur mehr der bambuskauende Pandabär in Erinnerung. Dann waren weitere 3000 Jahre vergangen, nur zum Miteinanderreden blieb leider keine Zeit mehr, was aber nicht so schlimm war, weil wir vom vielen Dialog ganz schön müde waren.

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4 Kommentare zu «Von Pi:pl zu Pi:pl»

  • Patrick Zubin sagt:

    Chinesen haben einen ungleich strengeren Massstab bezüglich was man unter der Geschichte versteht, im Vergleich zu uns Westlern.

  • Dmitri Kirik sagt:

    Tja, kein Wunder versteht man in Peking die Reden nicht und findet sie langweilig, wenn man nicht chinesisch kann! Die Teilnehmer sind selber schuld- wer die Sprache nicht kann, bleibt halt zurück.

  • Roger Beaud sagt:

    Wenn man einem Chinesen, einer Chinesin die Wahrheit erzählt, die Wahrheit über Geschichte, und aus einer Geschichte lauter verschiedene und unterschiedlich lange Geschichten werden, Gerschliesst sich dem chinesischen emüt dass andere Völker auch eine lane Geschichte haben, womöglich eine viel längere. Athen zum Beispiel steht schon seit 7500 Jahren in Griechenland. Der Oetzi, den mman als Mumie in einem Museum bestaunen kann, soll a schon vor 300 Jahren über die Alpen gekraxelt sein und bereits Akupunkturnarben besessen haben. China hingegen gab es vor 5000 Jahren nicht einmal. Ein China gibt es erst seit der rabiate Ying Zheng als 13-jähriger sechs Könige ermordete und ihre Länder stahl – vor 2200 Jahren. Aus Qin wurde China

  • Jennifer sagt:

    Auf einer Bambusbärenstation im Bambuswald, wo die Bambusbärchen ihr Fläschchen bekommen, wird wohl weniger geredet. Sonst ist ja immer irgendwer am Schwatzen. Dafür muss man nicht nach China gehen, wenngleich viele und lange Reden in Asien zum gesellschaftlichen Ritual gehören. Doch auch hier in der S-Bahn oder nachts (!) auf dem Balkon, was man noch mitbekommt, wenn man sonst sämtliche Anlässe meidet, stülpt dauernd irgendwer den anderen die eigene verzerrte Interpretation der Wirklichkeit über und die miserable, neurotische Energie seiner/ihrer Sprechstimme, kolonisiert ihre persönliche Sphäre und stiehlt ihnen ihre Zeit. Viele denken, Vergewaltigung hätte mit den Geschlechtsorganen zu tun. Ist aber nicht unbedingt so. Sie hat mit dem Trommelfell zu tun. Manche nennen es Dialog.

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