Horst und Detlev

Was ist cooler: Eine Männertasche oder Horst Seehofer? Foto: Youtube-Screenshot «The Hangover» Warner Brothers, Peter Kneffel (Keystone, DPA)

Gerade noch hatten wir Sandsturm und Smog, aber wenn der Herr befiehlt, dann teilen sich die Himmel über China, die düsteren Wolken verziehen sich, und es strahlet weiss und blau. Letzte Woche widerfuhr uns Pekinger Korrespondenten seltene Gnade. Wir bekamen IHN zu Gesicht, viele zum ersten Mal. Den Herrn eines Landes, das unter den neidischen Blicken der Völkergemeinschaft auserwählt wurde, die Zukunft zu gestalten. Den Chef der PARTEI, die ihr dankbares Volk allwissend, streng und doch gerecht regiert seit Anbeginn der Zeit, und die nach Stand der Dinge am jüngsten Tag noch längst die Macht abgibt, auch wenn sie da, nach eigener Einschätzung, längst zur Rechten des Vaters sitzen wird.

Es war, ich gebe es zu, auch für die notorischen Nörgler unter uns, ein ergreifender Moment. Die Kapelle spielte auf, die Limousine glitt herein, ER stieg aus, musterte die erwartungsvoll zu ihm aufschauende Menge und sagte: «Griesst’s Eich!» Und zwar zur Blaskapelle. Weil der Seehofer Horst immer zuerst die Blaskapelle begrüsst, erst recht, wenn sie aus Denkendorf kommt und mit einem Mal mitten in China blasen muss, was sie mit erfrischender Tapferkeit tat. Der mit 1,93 Meter ausserordentlich grosse Vorsitzende sprach dann ein paar Worte zu uns Journalisten und gab sich Mühe, Sinn und Zweck seines Chinabesuchs zu erklären, jenseits der Tatsache natürlich, dass, wo auch immer der Horst Seehofer auftritt, sich Sinn und Zweck ganz von allein einstellen. Viel mehr in Erinnerung von jenem Abend ist mir allerdings die Tatsache, dass ich in der Delegation gleich mehrere Träger eines Herrenhandtäschchens ausmachte.

Lässig unter die Achseln geklemmt

Erst kurz zuvor an diesem Tag hatte ich meine Akkreditierung zum «One Belt, One Road»-Forum (Obor) abgeholt, jener Konferenz über ihre «Neue Seidenstrasse», zu der die Chinesen sämtliche Diktatoren und Möchtegerndiktatoren der Welt eingeladen haben. (Nicht aber Horst Seehofer, der ist nämlich als Ministerpräsident Bayerns und Chef der CSU in China, um der bayerischen Wirtschaft unter die Arme zu greifen beziehungsweise der Denkendorfer Blasmusik, der auch noch aufgetragen war, in Bayerns Partnerprovinz Shandong aufzuspielen). Meinem Presseausweis beigepackt war ein Rucksack voller Geschenke: ein Block, ein Stift, ein Schirm – und ein ledernes Herrenhandtäschchen. Ich zeigte es meiner Frau, die zurückzuckte. «Oh», sagte sie. «Ein Detlev.» Aha, dachte ich, so heisst das. Das Detlev hat China später überrollt als das Abendland. Und ist dann nie wieder verschwunden. Der Detlevträger ist hier in manchen Kreisen (Kader, Neureiche, Kleinkriminelle) noch immer stilbildend: lässig unter die Achseln geklemmt, an den Gürtel geklippt, ums Handgelenk geschlenzt. Mein Obor-Präsent ist ein wahres Prachtexemplar von einem Detlev: Fächer für ein Mini-Tablett, für Dutzende Kreditkarten, Gürtelclip, Umhängegurt, und, und, und.

Die Obor-Konferenz, das muss man wissen, ist Chinas bislang ehrgeizigster Versuch, die Globalisierung nach seinem Wunsche zu gestalten. Und jetzt verteilt das Land Tausende von Detlevs an jene Gäste, die Chinas Vision von der Zukunft in die Welt tragen sollen. Wie ich da so stand, beim Empfang der Bayern, und die Handtäschchen im Raum zählte, da kam mir ein beunruhigender Gedanke. Ist es das, was uns droht mit China am Steuerrad? Die Detlevisierung der Welt? Ich wage zu behaupten, von Horst Seehofer ist da nicht viel Widerstand zu erwarten.

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2 Kommentare zu «Horst und Detlev»

  • Ralf Schrader sagt:

    Es ist immer wieder interessant zu lesen, dass es dem Korrespondenten nicht gelingt, auch nur ein des Berichtens wertes Thema aus dem grössten Staat der Welt zu finden.

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