Kuba, Land ohne Kartoffeln

Che lächelt selig, doch für die Kubaner ist die Kartoffelernte meist kein Grund zur Freude mehr. Fotos: Desmond Boylan (Reuters)

«La papa». Diese beiden Worte schallen in diesen Wochen wie ein Echolot durch Kuba. «La papa» ist die Kartoffel. Sie gehört eigentlich zum kubanischen Speiseplan wie der Reis und die Bohnen, doch weil die Karibikinsel schon seit sehr vielen Jahren sehr grosse Probleme hat mit der Knolle, das Volk fast nie welche auf den Teller bekommt, ist «la papa» als Thema stets in aller Munde – insbesondere in den ersten drei Monaten des Jahres. Der Grund: In dieser Zeit wird geerntet, und der Staat verkündet, wie und wo er die wenigen Kartoffeln «so gerecht wie möglich» an sein Volk zu verteilen gedenkt.

Dieses Jahr hat er sich nach Jahren des Pröbelns mit einem halb freien Markt wieder für den «kontrollierten und regulierten Verkauf» entschieden. Das heisst: In ausgewählten Landesprovinzen hat jeder Bürger das Recht, mit seinem Lebensmittelbezugsschein eine festgelegte Menge zu kaufen. In Havanna waren es im Februar zwei Kilo Kartoffeln pro Person, im März die doppelte Ration, zum staatlich festgesetzten und hoch subventionierten Preis von acht Rappen das Kilo.

Prügeleien vor der Bodega

Die Bodegas (Lebensmittelausgabestellen) in den Vierteln informieren auf Zetteln an ihren Türen, wann man seine Ration beziehen kann. Die Warteschlangen sind endlos. In der Bodega «El Poncho» gleich um die Ecke musste letzten Samstag die Revolutionspolizei kommen, um das Schlimmste zu verhindern. Wegen eines Wirrwarrs in der Warteschlange wäre es beinahe zu Prügeleien gekommen.

Ein Arbeiter bereitet eine Lieferung Kartoffeln für Havanna vor, 2009.

Der Nachbar Enrique, 65, promovierter Chemiker und die Ruhe in Person, zuckte nur mit den Schultern, sagte, die Leute würden unter der brennenden Sonne eben die Nerven verlieren. Enrique stand viereinhalb Stunden an, bis er an der Reihe war. Er ist aber froh, dass «sie den Verkauf wieder reguliert haben».

Lastwagen verschwinden

In den letzten Jahren verzichtete Enrique auf «papas», weil er sich nicht «in die Schlachten» stürzen wollte, die der freie Verkauf provoziert hatte. Hamsterer, Zwischenhändler und Schwarzmarktverkäufer kämpften um die Kartoffel – mit Preisaufschlägen, Tricks, Diebstählen und nicht selten auch mit Fäusten. Kam die Kartoffel endlich in der Stadt an, musste die Polizei mobilisiert werden.

Doch den Schwarzmarkt können sie auch jetzt, beim regulierten Verkauf, nicht lahmlegen. Ganze Lastwagenladungen verschwinden auf dem Weg in die Bodegas – und tauchen später in kleinen Plastiksäcken portioniert wieder auf, zu einem Kilopreis, der zehn- bis fünfzehnmal höher ist als jener von Vater Staat. Flüsternde Stimmen an Ecken und in Hauseingängen zischen einem beim Vorbeigehen «papas, papas!» zu, als würde es sich um Sprengstoff oder eine Droge handeln.

«Angelegenheit nationaler Sicherheit»

«Es hat immer zu wenig» ist die einzige Gewissheit rund um die Kartoffel.

Es ist nicht so, dass die «papa» immer schon ein Problem war in Kuba. Das Land hatte einst ein Kartoffel-Forschungsinstitut und exportierte das Erdgewächs sogar. Ist aber schon zwanzig Jahre her.

Inzwischen hat die Regierung die Kartoffel zu einer «Angelegenheit nationaler Sicherheit» erklärt. Eine Resolution besagt, der Staat ist für den «Härdöpfel» zuständig und subventioniert ihn. Das kostet jedes Jahr Millionen. Unzählige Staatsfirmen und verschiedene Ministerien kümmern sich um die Kartoffel. Nur der Staat darf Saatgut importieren; er schreibt jedem Bauer, jedem Landwirtschaftsbetrieb und jeder Kooperative vor, wie viel sie produzieren und zu welchem Preis sie die Ernte an die staatlichen Abnehmerfirmen verkaufen müssen.

Nachbar Enrique sagt: «Die Sache mit der Kartoffel in Kuba ist kompliziert, niemand blickt mehr durch.» Klar sei nur: «Es hat immer zu wenig.»

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18 Kommentare zu «Kuba, Land ohne Kartoffeln»

  • Hotte sagt:

    Ich war 8 mal in Kuba, noch nie in varadero oder havana. Auf dem Lande, bei einer Familie. Eher bei ärmlichen Leuten, aber Unterernährung habe ich dort noch nie gesehen. Die Daten von der UNICEF sind garantiert nicht gefälscht. Und ich bin ausserdem wahrlich kein Sozialismus Fan. Das ist ganz einfach Fakt.

  • Wolfgang Fischer sagt:

    Ursula: die Angabe ist veraltet, ist jetzt unter 80%. Ist immer noch viel, das stimmt, aber wirklich relevant ist und bleibt, dass niemand hungert. Auch die Schweiz ist bekanntlich von Lebensmittelimportant abhaengig. Dagegen haben Laender wie Nigeria einen starken Netto-Nahrunsexport, waehrend in der eigene Bevoelkerung Hunger weit verbreitet ist.

    Dimitri: UNICEF ueberprueft ihre Angaben sorgfaeltig, und hat ein hohes Ansehen. Welche statistische Grundlage haben Sie fuer Ihre Behauptung????

    Fiechter, Junker: ich kenne Kuba sehr wohl (war aber noch nie in Varadero). Ich emphehle Ihnen meinerseits eine Besuch in Nachbarlaendern wie Haiti oder Guatemala (ausserhalb von Touristenzentren), um die wahren Auswirkungen der „freien Markwirtschaft“ kennenzulernen.

    • Albert Fiechter sagt:

      Habe 10 Jahre in der Dominikanischen Republik gelebt und die ziehe ich Kuba nun wirklich vor. Ausser Uruguai und den drei Guayanas kenne ich alle Laender Lateinamerikas.

  • Don A sagt:

    Wir Kubaner verwenden viel häufiger Süsskartoffeln (sog. Boñatos), von denen es mehr als genügend gibt auf der Insel.
    Kartoffeln kommen in Kuba dagegen etwa so selten auf den Teller wie bei uns Süsskartoffeln: es gibt sie nicht überall und sie sind zu teuer.

  • Ursula sagt:

    Wolfgang Fischer,hätte ich gewusst wie es Cuba geht hätte ich es nie betreten.85% Lebensmittelimporte.

  • Fritz sagt:

    das alles ist usrael zu verdanken Welt weit….!!! diesen Terroristen….. und massen Mörder….!

  • Dimitri sagt:

    Der wievielte Versuch ist dies, die Menschheit mit irgend einer Variante der sozialistischen Heilslehre zu beglücken? Und der wievielte, der in Elend, Unfreiheit und Leid endet?
    Wie oft wird dieser Irrweg noch beschritten werden bis die Menschen endlich merken: Sozialismus geht nicht.

    • Ralf Schrader sagt:

      Einen ernsthaften Versuch hat es noch gar nicht gegeben. Dazu ist es auch noch zu früh. Sie verwechseln da wohl etwas.

      • Rolf Rothacher sagt:

        Der Sozialismus lebt weiter (wenn auch ziemlich bescheiden, so wie immer schon).
        Denn selbstAdam und Eva haben auf den gelebten Sozialismus im Paradies verzichtet, wollten lernen und sich weiterentwickeln, assen vom Baum der Erkenntnis und riskierten dafür den Rausschmiss.
        Ist in Kuba von heute und gestern auch nicht anders. So lange das Volk (oder zumindest die Mehrheit) diese Diktatur akzeptiert, ist an ihr nichts auszusetzen. Im Gegensatz zu Russland muss ja in Kuba wegen der tropischen Lage niemand Hunger leiden. Und alles andere hält der Mensch bekanntlich irgendwie aus.
        Im Übrigen sind Menschen in armen Ländern eher glücklicher als solche in reichen Ländern. Denn Glück findet man in der kleinsten Kartoffel, wenn man eine besitzt.

  • Wolfgang Fischer sagt:

    @Ursula: UNICEF hat kuerzlich festgestellt, dass die Quote der unterernaehrten Kinder in Kuba bei genau 0 Prozent liegt.
    DAS ist das wirklich relevante Resultat, welches trotz Handelsblockade erreicht wurde, und von dem z.B. die USA meilenweit entfernt sind.
    Wo liegt also die Schande?
    Sie koennen den Vergleich beliebig fortsetzen: nehmen Sie etwa Mexiko, ein Land, welches mit Erdoel gesegnet ist, aber in welchem 7 Millionen Menschen Hunger leiden (das ist die ofizielle Angabe, NGOs schaetzen die Zahl viel hoeher).
    Aber das das wird in unserer Presse natuerlich nie thematisiert.

    • Laurence sagt:

      @Wolfgang: Also entweder Sozialismus oder Hunger? Socialismo o muerte? Dialektischer Materialismus? Statt Mexiko könnten Sie Costa Rica oder zahllose andere Länder nehmen, bei denen Ihre Ideologie nicht aufgeht. Es gab schwere Hungersnöte in China und der UdSSR, trotz Sozialismus.

    • Albert Fiechter sagt:

      Herr Fischer, man kann denen, die aus weltanschaulichen Gruenden glauben, Kuba hochloben zu muessen, nur empfehlen, das Land mal selber zu besuchen. Ich bin ueberzeugt, dass jeder, der ein bisschen mehr als Varadero und Havanna zu sehen bekommt, gelaeutert zurueckkehrt.

      • Dimitri sagt:

        Vermutlich hat die UNICEF da Zahlen entweder selber gefälscht oder unkritisch von der kubanischen Regierung übernommen.
        Die Realität ist eine andere.

      • Rolf Junker sagt:

        Herr Fiechter, kann Ihnen nur zustimmen. Habe mehr als nur Varadero gesehen. Hab mich dann auch gefragt, wie man so Leben kann.

  • Markus sagt:

    Die Revolution des Castro Clan wird in eine neue Runde gehen, es ist nun der Sohn von Raul Castro, Alejandro Castro Espín dran der quasi bereits ins Amt als President „gewählt“ wurde durch die Castro Doktrin. Weitere mindestens 50 Jahre Freiheit……..

  • Ursula sagt:

    In einem Land wo der Grossteil unbebaut ist und zwei mal geerntet werden könnte eine Schande.Anschauungsunterricht für die sozialistisch Hoffenden.

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