Fidel zum Ausmalen

Begrenztes Interesse: Von vier Millionen Büchern wurden gerade mal 300’000 Stück verkauft. Foto: Alejandro Ernesto (EPA, Keystone)

Februar ist in Kuba der Monat des Buches. Havanna erklärt sich zur Welthauptstadt der Literatur und zelebriert die Internationale Buchmesse. Sie ist kein Branchentreffen, sondern war von Anfang an als grosses Labsal gedacht für ein revolutionäres Volk, das geistige Nahrung ebenso schätzen soll wie einen Teller Reis und Bohnen. Lesen und Schreiben gehören ja zu den Grundpfeilern der kubanischen Revolution. Fidel Castro, selbst ein besessener Leser und Mann der vielen Worte, liess nach dem Triumph der Revolution 1959 als Erstes Militärkasernen zu Schulen umbauen und erklärte nach einer gigantischen Bildungs­kampagne Kuba zum ersten freien Territorium Amerikas mit null Prozent Analphabeten.

Ein Buch für 50 Rappen

Fidel rief seinem Volk immer wieder zu, es solle «nicht glauben, sondern lesen». Als dann aber kritische Köpfe Dinge zu schreiben begannen, die dem Revolutionsführer nicht gefielen, schob er einen Riegel: «Innerhalb der Revolution alles, ausserhalb nichts.» In Fidels Kuba wurde es geistig eng, kalt und eintönig. Bücher von Andersdenkenden verschwanden aus den Regalen, unzählige einheimische Schriftsteller verschwanden ins Exil. Viele Kubaner fragen sich heute: Was nützt mir die gute Bildung, wenn ich nicht schreiben und lesen darf, was ich will?

Wie alles, was in Kuba seit der Revolution gegründet und erschaffen wurde, ist auch die Buchmesse ein Nachlass von Fidel. Er rief sie ins Leben, als die Sowjetunion und der Kommunismus in Europa das Zeitliche segneten und sich in den Köpfen und Kochtöpfen in Kuba gähnende Leere ausbreitete. Dutzende Verlage, alle im Besitz des Staates, vollbringen seither Jahr für Jahr einen Effort, dem Volk etwas zu bieten. Die alten Druckmaschinen werden angeworfen und das ewig knappe Papier für Neuerscheinungen und Wiederauflagen verwendet. Wie die ganze Kultur ist auch das Buch hoch subventioniert. Ein Buch kostet im Verkauf zwischen 50 Rappen und 1 Franken.

Fidel in allen Varianten

Die Menschen strömen immer noch in Massen zur Messe, geben ihr Geld aber lieber für Bier, frittierte Schweinsöhrchen und Hühnerschenkel aus als für Bücher. Von den vier Millionen Exemplaren, die für die diesjährige Messe gedruckt wurden, gingen gerade mal gut dreihunderttausend weg. Vielleicht lag es am Angebot. Im Jahr eins nach Fidels Tod war das grosse Thema: Fidel. Zwei Dutzend neue Bücher über und von Fidel sind erschienen, alle an prominentester Stelle in den ersten Regalen stapelweise aufgelegt. Weil Fidel alles war und zu allem etwas gesagt hat, ist die Variante der Bücher über ihn grenzenlos. Fidel, der Revolutionär; Fidel, der Denker; Fidel, der Politiker; Fidel, der Baseballspieler; Fidel, der Journalist; Fidel, der Frauenversteher; des weiteren gesammelte Reden zu diesen und jenen Themen und Lexika mit endlosen Stichworten, zu denen er sich geäussert hat. Für die Kinder gibt es neu Fidel auch in Comics und als Malbuch: Fidel als Kind, als Jugendlicher und als junger Rebell.

Die 3,7 Millionen Bücher, die noch nicht verkauft worden sind, werden nun in die Buchhandlungen in allen Provinzen des Landes transportiert. Dort geht die Messe für Fidel weiter.

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6 Kommentare zu «Fidel zum Ausmalen»

  • Wolfgang Fischer sagt:

    Wie immer versucht Alba, auf moeglichst abschaetizge Weise ueber Kuba zu berichten.
    Dennoch kommt er bei diesem Thema nicht darum herum, die lueckenlose Alphabetisierung zu erwaehnen – eine phatastische Leistung!!!
    Bei der Buchmesse in Havanna unterschlaegt er, dass diese international war, mit Beteilung aus 46 Laedern – Ehrengastland war Kanada, welches alleine mit 30 Autoren vertreten war.
    Das Maerchen von der einseitigen Propaganda ist auch innerhalb Kubas laengst widerlegt: nehmen wir z.B. Leonardo Padura: er ist sehr kritisch, wurde aber Chefredaktor der Gaceta de Cuba und erhielt – neben Auszeichnungen in Deutschland, Frankreich und Spanien – den kubanischen Nationalpreis für Literatur.
    Und schliesslich: wenn 300 000 Buecher in Umlauf gebracht werden, so ist das grossartig!

  • Lukas Mattmann sagt:

    Fidel gehörte als Sprössling spanischer Einwanderer und Grossgrundbesitzer zur Oberschicht, die er bekämpfte, um als Jus-Student selber an die Macht zu kommen. Die Linken sind ja sonst immer die Ersten, wenn es darum geht, Mythen zu dekonstruieren. Fidels Aufstand ist auch so eine Legende, es gab gar keine echte militärische Auseinandersetzung, sonst hätte er mit seiner Handvoll Revoluzzer nie gewinnen können. Ein erstes Mal wurde er kurz eingekerkert. Wäre Batista wirklich ein brutaler Diktator gewesen, hätte man Castro kaum freigelassen. Diese Bücher fürs Volk sind reine Gehirnwäsche.

  • Richard Keller sagt:

    Das ist schon fast bizarr. Da gibt es einen Staatsführer, der ewig im Amt war und grosses geleistet hat.
    Einer, der dann von sich aus abgetreten ist.
    Einer, der kein grosses Mausoleum wollte (und nur einen bescheidenen Stein als Grabmal mit der Inschrift Fidel erhielt)
    Einer, der keine Strassen und Plätze nach sich benannt haben möchte….

    und dann …
    gibt es Journalisten, die mit dem Finger zeigen , wenn dann nur Bücher dieses Herrschers, der schon von 10 Jahren zurücktrat, verkauft werden.

  • Markus Arnold (einer der von Kuba genug hat) sagt:

    Das grosse Thema der Bücher ist immer die Revolution- lesenswert aber ist vor allem Che Guevara, er hat auch einen guten Stil. Immerhin kann man in Havanna Klassiker erwerben und es stimmt, diese sind preisguenstig oder auch Bücher um Spanisch zu lernen. Ich hoffe nur, dass Kuba endlich einmal einen neuen Weg findet, der kubanische Sozialismus ist eine Katastrophe. Und Kuba gehört zu den ärmsten Ländern der Welt, es funktioniert nur der Salsa. Auch kenne ich keinen Staat, der die Touristen dermassen kontrolliert. Ich hoffe, dass nach Raul endlich in Kuba begriffen wird, Sozialismus funktioniert nur in Kombination mit Kapitalismus und Freiheit – die Kubaner selber sind ein gutes Volk mit viel Herz.

    • Richard Keller sagt:

      Sorry, da kann ich nur lachen. Ich war im Jletzten November in Kuba. Weder Touristen noch Einheimische werden überwacht.
      Angesichts Jahrzehntelangen Embargos und versteckter Sabotage der Amerikaner (Zuckerrohrplantagen in Brand stecken und Schweinepest einführen) hat sich das Land erstaunlich gut erhalten.

    • Egloff sagt:

      Ich habe mich in Kuba nie kontrolliert gefühlt. Und 300 000 verkaufte Bücher an einer Messe finde ich immer noch sehr beeindruckend. Fidel Castro als Schwerpunkt kurz nach dessen Tod, kann ich gut nachvollziehn. Ich gehe davon aus, dass es nächstes Jahr ein anderen Schwepunkt geben wird.

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