Lebensmüde, wer sich auf diese Velowege traut

Velofahren in Johannesburg kann ziemlich gefährlich sein – besonders auf Velowegen. Foto: Henrique NDR Martins (iStock)
Freiwillig kommt in Johannesburg kaum einer auf die Idee, sich auf einem Fahrrad ins Verkehrsgewühl zu stürzen. Erstens ist die Stadt auf «Koppies» genannten Hügeln gebaut, die selbst einen gedopten Lance Armstrong aus der Puste bringen würden. Und zweitens ist der Trubel in der afrikanischen Metropole dermassen rau, dass man schon suizidal sein muss, um sich dem Strassenkampf ohne schützendes Stahlgehäuse auszusetzen. Aber freiwillig ist in Südafrika ohnehin kein Wort, das zählt: Mancher ist schlicht gezwungen, zur Vermeidung teurer Transportkosten oder stundenlanger Fusswege ein Velo zu nutzen.
Wie Martin Mathe, der mit seinem Drahtesel täglich mehr als 15 Kilometer zurücklegt, um zur Arbeit zu gelangen. In den vergangenen Jahren sind fünf seiner Bekannten im Strassenkampf getötet worden. Für den Slumbewohner war es ein Hoffnungszeichen, als er hörte, dass die ANC-Stadtverwaltung mit dem Bau von Radwegen begann: Vielleicht musste er bald ja nicht mehr um sein Überleben fürchten.
Wegelagerer und Glasscherben
Doch dann schob sich die Kommunalwahl zwischen Mathe und seine Hoffnung. In deren Vorfeld hatte der «Oberbefehlshaber» der Ökonomischen Freiheitskämpfer (EFF), Julius Malema, die Fahrradwege als Thema seines Wahlkampfs entdeckt: Für ihn waren es teure Spinnereien, mit denen die ANC-Verwaltung nur das weisse Bürgertum für sich gewinnen wollte. Tatsächlich haben die bleichen Wohlstandsbürger den zweirädrigen Hobel als Fitnessinstrument entdeckt: Allerdings pflegen sie mit diesem nicht durch Johannesburgs Strassengewirr, sondern über Stock und Stein durch dessen Grüngürtel zu strampeln.
Mein Sohn Marvin lebte mit der Illusion, dass die Fahrradwege für Seinesgleichen abgelegt wurden – er zählt zu den coolen Drahtrittern der Post-Cyber-Generation, die sich mit ihren Fixies ohne Gangschaltung und Bremsen in den Strassenkampf stürzen. Marvin nutzte die Spur genau eine Woche lang. Dann stellte er fest, dass es sich bei den Wegen in Wahrheit um Todesfallen handelt – und zwar nicht nur, weil sich in ihnen spitze Steine, Hausmüll und Glassplitter anzusammeln pflegen. Sie werden vielmehr von Fahrraddieben genutzt, die sich neben den Spuren im Gebüsch verstecken: Kommt ein Radler daher, springen sie mit Messern bewaffnet aus ihrer Deckung. Auf offener Strasse könnte er solchen Wegelagerern entkommen, sagt Marvin: Doch in der von hohen gelben Plastiknoppen begrenzten Bahn ist er gefangen. Seitdem liegen die Fahrradwege wieder verwaist neben den Kraftfahrzeugspuren.
Oder auch nicht. Denn wie es in Metropolen des Mangels auf der Südseite des Globus üblich ist, findet schliesslich alles eine Verwendung. Die Fahrradwege wurden inzwischen von Altstoffsammlern entdeckt, die mit ihren überladenen Leiterwagen voller Blachen, Plastik oder Altpapier bisher auf der Fahrspur trotten mussten. Ein Pech, dass die von den Ökonomischen Freiheitskämpfern unterstützte neue Stadtverwaltung den Bau weiterer Radwege jetzt stoppen liess: Statt dem bleichen Bürgertum wolle man das Geld lieber den Armen zukommen lassen, hiess es.
3 Kommentare zu «Lebensmüde, wer sich auf diese Velowege traut»
Romeo, hingegen Autofahrer wie Sie vergiften die Schulkinder mit ihren Abgasen und sind damit ein viel besseres Vorbild, richtig?
Naja, 1. keine Radfahrer, aber 2. dann Fahrrad-Diebe auf der Lauer?
Und worüber beklagen sich die Velofahrer in Zürich…?
Heute (Montag) Morgen im Englischviertelquartier: Papi Velofahrer mit Wimpel-Kinderanhänger rauscht an den stehenden Autos vorbei bei rot auf die Klosbachstrasse hinaus, als gerade drei kleine Knirpse auf dem Schulweg auf den Fussgängerstreifen treten; hunder Meter weiter (Freiestrasse) „durchfährt“ ein Velfoahrer im Zick-Zack die Autokolonne (einmal links überholen, einmal rechts etc) und ein dritter ist in Gegerichtung auf dem Velostreifen unterwegs. Mal abgesehen von den Verkehrsregelbrüchen ein Super-Vorbild für die vielen Schulkinder, die das jeden Morgen auf die eine oder andere Weise vorgelebt bekommen.