Das alles verschlingende Monster-Fax

Ich stelle mir das Fax riesengross vor: in einem Keller der Hauptstadt vor sich hin stotternd, blitzeblank gepflegt, ein Monster, das alle unsere Anfragen wegputzt. Foto: Getty Images/iStockphoto
«Schicken Sie uns ein Fax.» Ein Satz aus einem anderen Leben. So wie: «Lass uns zum Wienerwald gehen.» Obwohl.
Ich berichtete auch schon vom Serviceparadies China. Von jenem Land, in dem ein Mann morgens ein Pandakostüm fürs Halloweengruseln bestellen kann und es mittags geliefert bekommt (von einem Panda im Mannskostüm). Und dann die elektronische Revolution. Von Wechat haben Sie schon gehört: Die App ist Twitter und Facebook in einem und Uber und Yelp und Lieferheld dazu. Mit Wechat kann man chatten und seinen Freunden Geld überweisen und den Nudelmann bezahlen und Taxis bestellen und die Nasenhaare rasiert es einem auch.
Heute möchte ich ein paar Worte zu einem ganz anderen Land verlieren. Ein Land, das sich auch China nennt. Ein Land, dessen Taxifahrer einen mit Knoblauchfahne anraunzen und auch schon mal aus dem Wagen werfen, wenn man darauf besteht, dass sie den Taxameter anschalten. Wo jene die Amtsstuben beherrschen, die uns Journalisten abperlen lassen wie Regentropfen an der Wasserbüffelhaut. Die Beamtin des Strassenkomitees etwa, die gähnend den Hörer abnahm und mich dann flüsternd beschied, sie müsse jetzt leise sein und könne auch leider gar keine Telefonnummer für uns raussuchen, es sei «gerade so dunkel» im Büro: «Wollen Sie etwa, dass ich hier das Licht anmache?» Aber nein, war ja erst zwei Uhr nachmittags. Oder der Anruf neulich bei einer staatlichen Baufirma. SZ: «Guten Tag, ist da die Pressestelle …?» Auf der anderen Seite ein Schreckensquieken. Dann Stille. Dann: «Woher kennst du diese Nummer? Wer hat die dir gegeben??? Wir sind nicht mal im Internet!!!! Wer bist du überhaupt?!?!?»
Ein Satz wie ein Henkersbeil
Die effektivste Waffe der Bürokratie hier gegen journalistische Belästigung aber ist das Fax. Der jeden Tag tausendfach gemurmelte Satz: «Schicken Sie uns mal ein Fax.» Ein Satz wie ein Henkersbeil. Ich ahnte gar nicht, dass es das auf dieser Welt noch gibt, Faxgeräte. Heute weiss ich, es gibt noch mindestens eines. Ich stelle es mir riesengross vor: im Herzen der Hauptstadt, in einem Keller vor sich hin stotternd, blitzeblank gepflegt, ein Monster krakengleich inmitten eines Netzes dicker Kabel, die in alle Ministerien und Staatsbetriebe reichen, alle unsere Anfragen verputzend, auf dass kein Krümel übrig bleibt, und nie auch nur eine Antwort in die Welt zurücksendend. Und draussen stehen wir, gesenkten Kopfes, wie Kafkas Mann vom Land, der vom Türhüter Einlass ins Gesetz erwartet, jahrein jahraus vergebens.
Die SZ hat seit kurzem einen zweiten Mann in Peking, der noch mit einer erfrischenden Portion Unschuld an die Dinge rangeht. Neulich dachte er, er könne doch mal nachfragen, was mit einem seiner verschollenen Faxe passiert sei. «Faxe, die uns nicht interessieren», wurde er beschieden, «schmeissen wir weg.» Ich selbst hielt mich kürzlich auch für besonders schlau. Im Telefonat mit einer Dame vom Amt fragte ich vorsichtig, ob wir denn nicht vielleicht statt per Fax auch per E-Mail …? «Klar», sagte sie. »Schicken Sie uns doch Ihre E-Mail-Adresse per Fax.» Bumm. Ich habe es nie getan. Und manchmal, wenn mich Frust überkommt, dann stelle ich mir kichernd vor, wie die Amtsleute in jener Stube seit Wochen vor dem Faxgerät sitzen und zunehmend verzweifelt auf das Fax mit meiner E-Mail-Adresse warten, aber nein, diesmal habe ich ihnen ein Schnippchen geschlagen.
4 Kommentare zu «Das alles verschlingende Monster-Fax»
Aber aus unerfindlichen Gründen werden auf Firmen- und Amtswebsites wie auch auf Visitenkarten immer noch diese Faxnummern aufgeführt! Eigentlich sollte man alle die, die solche Nummern noch veröffentlichen, beim Wort nehmen und ihnen massenweise Faxe schicken…
»Schicken Sie uns doch Ihre E-Mail-Adresse per Fax.» erinnert mich an ein Erlebnis in den 90er Jahren. Ich war in einem bekannten IT-Forschungsinstitut zuständig für ein Projekt im Auftrag eines Ministeriums eines deutschen Bundeslandes. Einmal kam meine Sekretärin ins Büro, in der Hand ein Blatt: „Ein Fax für Dich, vom Ministerium.“ – „Was schreiben sie?“ – „Dass sie dir eine Mail schicken werden. In einer Stunde“ – „???? !!!!! OMG“ Und nach einer Stunde kam tatsächlich die Mail. Es war schwierig, die Fax-Ankündigung von Mails abzubestellen. Internet war schon vor Frau Merkel Neuland in Deutschland.
Hahaha….neulich hat ein Verwandter meinen Bruder gefragt, ob er meine e-mail „Nummer“ hätte. Ich bin fast vom Stuhl gefallen vor lauter Lachen.
Hahaha, genauso habe ich’s auch oft erlebt! Wunderbar, mir meine Erinnerungen aufzufrischen. Danke!