Ob man den Umfragen trauen darf?

Welttheater

Es wird einsam um den Polterer: Donald Trump auf einer Wahlveranstaltung in Detroit. Foto: Evan Vucci (Keystone)

Nahezu drei lange Monate sind es noch bis zum amerikanischen Wahltag, die Lage aber ist düster. Für Donald Trump. Wer den Demoskopen glaubt, würde nicht einmal einen vietnamesischen Dong auf Trump wetten. Obschon ein Dong lediglich ein Zweihundertdreissigstel eines amerikanischen Cents wert ist. In der Luft liegt ein Absturz, ja eine Niederlage solchen Ausmasses, dass Trump danach nur noch inkognito durch Amerika reisen wird, verkleidet als Staubsaugerverkäufer, das Haar schwarz gefärbt, auf dem Leib einen billigen Polyesteranzug aus der Industriezone 13 in Guangdong.

Seine Anhänger zünden vorsichtshalber bereits Kerzen vor diversen Heiligenfiguren an und bitten allerhand Schutzpatrone um Hilfe. Auch verweigern sie sich den bedrohlichen Prognosen der Demoskopen. «Stellen Sie sich vor, dass Umfragen nicht existieren, zeigen Sie mir Beweise, dass Hillary gewinnt», twitterte beispielsweise der Radiotalker Bill Mitchell, ein Fan von Trump.

Andere Trump-Freunde wittern eine handfeste Verschwörung gegen ihren Helden und verweisen auf die sozialen Medien. Dort sei viel mehr von Trump zu sehen als von Clinton. Ausserdem kämen wesentlich mehr Leute zu seinen als zu ihren Veranstaltungen. Natürlich zieht eine Freak-Show ein grösseres Publikum an als eine müde Wahlveranstaltung. Trump unterhält, Clinton langweilt.

2012 war es übrigens ebenso: Bis zum Wahltag glaubten viele Anhänger von Mitt Romney, der Republikaner werde gegen Obama gewinnen. Romney glaubte es auch. In der Wahlnacht war er völlig geschockt. Fassungslos sass er vor dem TV, derweil Ann Romney weinte und Gilbert Bécaud im Hintergrund «Et maintenant» sang. Gewiss sang Romney mit: «Was wird aus mir, was soll nur werden?»

Trump braucht ein Wunder trumanschen Ausmasses

Trotzdem ist Vorsicht geboten. Denn gelegentlich ereignet sich ein Mirakel. Wie bei der Präsidentschaftswahl 1948. Alle Demoskopen hatten damals den Republikaner Thomas Dewey vorne. Auf den demokratischen Präsidenten Harry Truman wollte niemand einen Dong oder einen Pfifferling wetten. Als das Nachrichtenmagazin «Newsweek» 50 Experten um ihre Meinung bat, sagten alle 50, Dewey werde gewinnen. Um seinen Sieg nicht zu gefährden, erging sich Dewey in Platitüden. Er redete, ohne etwas zu sagen. «Sie wissen, dass Ihre Zukunft noch vor Ihnen liegt», sagte er zum Beispiel.

Der Demoskop Elmo Roper befand Wochen vor dem Wahltag, Dewey sei «so gut wie gewählt». Und die «Chicago Daily Tribune» kam in der Wahlnacht mit einer Frontseite heraus, auf der in grossen Buchstaben zu lesen war: «DEWEY SCHLÄGT TRUMAN».

Der Präsident war in jener Nacht in einem Hotel in der Kleinstadt Excelsior Springs im Staat Missouri abgestiegen. Um Mitternacht führte er bei der Auszählung der Stimmen und ging ins Bett. Morgens um vier wachte Truman auf – und führte noch immer. Danach ging er wieder ins Bett. Am nächsten Morgen um 11 Uhr gratulierte Dewey dem wiedergewählten Präsidenten.

Vielleicht ereignet sich jetzt wieder ein Wunder. Aber im Gegensatz zu Truman würde Trump völlig ausrasten. Zum Geläut der Glocken der St.-Patrick-Kathedrale trügen seine Anhänger Trump-Statuen und -Porträts durch die Strassen New Yorks. Wer einen Dong auf Donald Trump gewettet hätte, fühlte sich plötzlich reich und schlau.

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19 Kommentare zu «Ob man den Umfragen trauen darf?»

  • Rolf Hefti sagt:

    Alle paar Jahre kommt ein neuer US-Präsident, und alles bleibt wie immer. Vielleicht wäre die Lotterie besser zum Suchen eines alternativen US-Präsidenten geeignet. Wenn die Frau gewinnt, kann man dann wenigstens dieses Problemchen endlich abgehaken. Wow. Wie Extrem!

    • Daniel Wigger sagt:

      Ich widerspreche. Es gibt schreckliche Präsidenten, die eine Welt in Kriege und WIrtschaftskriesen stürzen, und es gibt hervorragende Präsidenten, die die Fehler ihrer Vorgänger auszubügeln versuchen. Clinton würde die konsequente Politik ihres Vorgängers weiterführen. Da würde es sich sicher lohnen, darauf zu hoffen…

      • Martin sagt:

        @Wigger: Sie meinen Clinton würde weiterhin die Banken zur Kasse bitten, den IS als Alibi-Übung mit ein paar Bomben bekämpfen und weitere Regime wie Assad in Aufruhr versetzen? Es gibt viele Demokratenfans hier, die sich gerne als die Lösung aller Probleme betrachten, in Wirklichkeit schaffen sie viel mehr Probleme, als sie lösen. Eine verblendete Gesellschaft! Trump wäre als Präsident in meinen Augen zehn mal besser geeignet, als Frau Clinton. Er versteht mehr vom Unternehmertum, als diese Frau, welche schon seit Jahrzehnten immer irgendwo in der US Regierung anzutreffen ist. Obama wollte Change – Trump wird den Change bringen und das volle Kanone. Davon bin ich überzeugt.

  • Jens Egger sagt:

    Nun, Trump als auch Hillary Clinton werden nach einer eventuellen Wahl ernüchternd das feststellen, was einer der höchsten (gewählten) Politiker Deutschlands kürzlich am TV ernüchternd feststellten, Zitat: „Jene die gewählt wurden haben nichts zu sagen und jene, die das Sagen haben wurden nicht gewählt.“

  • 1-800-CallGary sagt:

    Ob Trump ausrastet oder nicht, wissen die Götter.Eventuell.
    Hillary wird sicher nicht ausrasten. Nur: Wir kennen Hillary mittlerweilen. Wir kennen mittlerweilen auch Bill.
    Diesem Duo ethische Kompetenz zu unterstellen ist mehr als naiv.
    Und es gibt sicher 150 Mio Wähler, die Hillary acht Jahre ertragen mussten.
    Und sooo blöd ist ja Trump auch nicht. Er wird sich am Ende ( Auf gut Deutsch: Am Ende des Tages ) auf seine Spezialisten und Berater verlassen. Wie Andere vor ihm und wieder Andere nach ihm.
    It’s a not so bad it’s a nice a guy.

    • Beat Müller sagt:

      Habe gemeint er werde lange und ausgedehnte Ferien machen. So hat er das zumindest gesagt als er nach einer Wahlniederlage gefragt wurde und das ist vermutlich das wahrscheinlichste Szenario

    • Bernhard Strässle sagt:

      … und er wird immer wieder auf dem politischen und diplomatischen Parkett ausrutschen, wenn ihn seine Spezialisten und Berater nicht unter den Arm greifen und ihm keinen Teleprompter vor die Nase setzen können

  • Albert sagt:

    Hoert mal auf, die ewig leichen UNWAHRHEITEN widerzukaeuen! Wenn Ihr Kommentierenden schon keine Ahnung habt, was Ihr von Euch gebt, dann macht Euch wenigstens die MUEHE, Euch die FAKTEN anzusehen!! Die NETTO Einkommen von unteren und mittleren Einlommen steigen um bis zu 18%, das derjenigen mit ueber 180k/Jahr um maximal 5.3. Er reduziert die Steuern fuer ALLE und zwar UEBERPROPORTIENAL fuer jene, die es am NOETIGSTEN haben! Luegen werden nicht wahrer, bloss weil man sie dauernd wiederholt! Regt mi uf! Mann muss den Mann nicht moegen, aber man muss bei der Wahrheit bleiben.
    http://www.nytimes.com/2016/08/13/upshot/how-hillary-clinton-and-donald-trump-differ-on-taxes.html?_r=0

    • Martin sagt:

      @Albert: Sehr gut! Mi regt’s au uf! Nur weil Trump mit dem Finger auf die Stellen zeigt, die niemand sehen will. Genau das mag ich an ihm. Er malt kein schönes USA Bild, sondern zeigt, was zu verbessern wäre und wo Handlungsbedarf besteht. Clinton hingegen gaukelt den Leuten vor, alles wäre in Butter. Die Medien stellen ihn als Rassisten und als unfähig hin. Merke: „Beleidigungen sind etwas für Menschen, denen die Argumente ausgehen.“ (irgend ein Schriftsteller) Mit Trump könnte ein Ruck durch die USA gehen und ich denke, vieles könnte sich verbessern. Aber ich bin kein Ami, sondern Schweizer, von daher könnte es mir eigentlich egal sein.

    • Bernhard Strässle sagt:

      Was für Fakten meinen Sie, Albert? – Trump verspricht steigende Einkommen und sinkende Steuern. Clinton verspricht 10 Millonen neue Jobs. Wahlversprechen werden nicht wahrer, bloss weil man sie dauernd wiederholt. Und wie bald wird Trump seine Versprechen widerrrufen, wie er das nun in diesem Wahlkampf dauernd tut? – Auf welche Ausssagen stützen sie sich eigentlich bei ihrem unerschütterlichen Vertrauen in Trump? – Auf jene von heute oder auf jene vor 3 Wochen, 3 Monaten, 6 Monaten?

      • Kati Lyon-Villiger sagt:

        Bernhard, welche Wahlversprechungen hat Trump widerrufen? Wie jemand so schoen sagt, man muss den Mann nicht moegen aber man muss (nur als Schweizer) die Wahrheit sagen so gut wie moeglich.

        • Hans Hasler sagt:

          Schauen Sie doch mal, was Trump bezüglich Steuern für Superverdiener sagt: Er will sie senken (Anfang 2015), er will Sie erhöhen (Ende 2015 und Anfang 2016). Aktuell will er sie senken – in einem Monat siehts wohl wieder anders aus.

          Bei den Trump Fans scheint nur gerade die Aspekte anzukommen, die passen. Alles andere wird ignoriert

  • Raylan Givens sagt:

    Ein kleiener Unterschied zu Truman ist das heutige Vorhersagen auf einiges besseren Methoden und Algorithm beruhen als noch vor 20 jahren…..

    • Heinz Oertli sagt:

      Der Unterschied zu Trumans Zeiten liegt vor allem darin, dass Unfragen heutzutage noch viel dreister manipuliert und zu Propaganda-Zwecken verfälscht werden. Haben die Umfragen nicht schon von Beginn weg ein Debakel nach dem anderen für Trump vorweggenommen? Und trotzdem ist Trump der Kandidat der Reps geworden..

  • Hans Hegetschweiler sagt:

    Was der Sinn der Wahlprognosen und der intensiven Beschäftigung der Medien mit ihnen sein sol, ausser dass damit die Networks Stunden und Stunden ihrer Programme füllen, erschliesst sich mir nicht. Jeder, der ein bisschen Verstand hat, weiss, dass heute die Wahl noch offen ist. Einzig die Tatsache, dass die Amerikaner eigentlich sehr extreme Persönlichkeiten (wie seinerzeit Barry Goldwater) bisher nicht gewählt haben, gibt Hillary einen gewissen Vorteil. Etwas „normaler“ müsste sich Trump schon noch positionieren, um Chancen zu haben. Aber auch das ist nicht sicher.

    • Ralf Schrader sagt:

      Wahlprognosen nähren die Prognostiker und haben das Potential, Wahlen zu beeinflussen. Deshalb sollte es besser keine geben. Aber Demokratie und Verstand sind nicht miteinander vereinbar, also wird weiterhin spekuliert, Glaskugel gelesen und vorhergesagt.

  • Monique Schweizer sagt:

    Für Trump ist das doch alles nur ein Spiel: Entweder er gewinnt die Wahlen und holt sich dann mit all den vorgeschlagenen Steuersenkungen (Erbschaftssteuer abschaffen, Einkommenssteuer für Höchstverdiener runter, Unternehmenssteuern runter) für sich und seinen Clan Milliardensteuerersparnisse raus oder er verliert, aber dann ist er bekannt wie kaum ein anderer in den USA und wird den angeblichen Wert seines Namens als Marke in Zukunft mit 5 Mrd $ anstatt bisher mit 3 Mrd angeben.
    .
    Zu verlieren hat er eigentlich nicht viel – das macht ihn auch gefährlich. Aber am Ende wird vermutlich doch die bessere von zwei schlechten Kandidaten gewinnen.

    • sepp z. sagt:

      Hilary würde genau wie Trump die Steuern für Superreiche tief lassen, für die Aktionäre politisieren und die Arbeitstätigen über den Tisch ziehen. Also da ist der Trump wahrscheinlich noch bürgerfreundlicher als die Wallstreet-Hilary.

      • Monique Schweizer sagt:

        Trump will den Spitzensteuersatz für Hochverdiener von 39.6% auf 33% senken — von Clinton habe ich bisher nichts dergleichen gehört!
        .
        Diese ganze Trump Kandidatur ist doch unter dem Strich eine gigantische Verarschung — das Hauptziel dieses Typen ist der (Steuer)-Deal seines Lebens zu machen und sonst nichts und so versucht er es mit allen möglichen populistischen Vorschlägen. Nur ganz so dumm wird eine Mehrheit der Amis, von irgendwelchen Rednecks, Hillibillies und den Teebeuteln mal abgesehen, wohl nicht sein, dass sie auf die Trump Show reinfallen. Dieser geldgierige Typ hat doch weder charakterlich noch intellektuell die Fähigkeiten die USA als echter Leader zu führen.

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