Die Ruhe vor dem Trump

Abraham Lincoln prophezeihte, dass Amerika von innen zerstört wird: Statue in der Grabkammer.

Der 16. US-Präsident Abraham Lincoln hatte prophezeit, dass Amerika von innen zerstört wird: Statue in der Grabkammer.

Nachmittägliche Gewitterwolken türmen sich über Springfield, der Hauptstadt des Staates Illinois. Dunkel hängen sie in der Hitze über dem monumentalen Grab des ermordeten Präsidenten Abraham Lincoln. Er betrachtete sich als Sohn dieser Stadt. Nach dem Attentat auf ihn im April 1865 wurde Lincolns Leichnam auf einen Sonderzug geladen, der nach 2500 Kilometer Fahrt und 180 Stationen am 3. Mai die Heimat des grossen Bürgerkriegspräsidenten erreichte. Am Tag darauf wurde Lincoln zu Grabe getragen. 100’000 Menschen säumten den Weg der Prozession.

Ein Besucher der Grabstätte aus Kalifornien bittet um ein Foto von sich vor dem Denkmal. Unvermittelt sagt er: «Es ist kaum vorstellbar, dass Lincoln ein republikanischer Präsidentschaftskandidat war, und Trump es auch ist.» Die Grabkammer bietet Schutz vor der Hitze, ein Grabstein markiert die Gruft, in der sich die sterblichen Überreste des Präsidenten drei Meter unter der Erde befinden.

Monumental: Lincolns Grab, auf der Treppe davor unser Autor.

Monumental: Lincolns Grab, auf der Treppe davor unser Autor.

Lincoln hatte einen wie Trump kommen sehen. Amerika, sagte der junge Anwalt 1836 in einer Rede in Springfield, werde nicht von aussen zerstört werden: «Wenn Zerstörung unser Schicksal ist, dann werden wir selbst die Urheber sein.» Auslöser wäre ein «nach Macht dürstender» Demagoge, glaubte der spätere Präsident. Dann warnte er seine Landsleute: Den Untergang der amerikanischen Republik abzuwenden, bräuchte es «ein vereintes Volk, das an den Staat und die Gesetze glaubt und intelligent genug» sei, die «Machenschaften» des Zerstörers zu durchschauen.

22 Jahre später hielt Lincoln in Springfield eine weitere wichtige Rede. «Ein Haus, das in sich selbst geteilt ist, kann nicht bestehen», prophezeite er und meinte die tiefe Kluft zwischen den sklavenhaltenen Südstaaten und den sklavenfreien Nordstaaten.

Vor einem Bürgerkrieg steht Amerika nicht, aber die Polarisierung der politischen Lager hat bedenkliche Ausmasse angenommen. Wie weit sie fortgeschritten ist, zeigte sich vergangene Woche bei den Reaktionen auf den Massenmord in Orlando. Anheizer war einmal mehr Trump.

In seinem narzisstischen Grössenwahn rückt er sich in die Nähe Lincolns. Im März behauptete er, «präsidentialer als alle ausser dem grossen Abe Lincoln» zu sein. Wenngleich er keinen Dunst hat, wer Lincoln war und was Lincoln getan hat.

Als ihn der berühmte Journalist Bob Woodward fragte, ob er jemals darüber nachgedacht habe, warum Lincoln Erfolg gehabt habe, antwortete Trump wie folgt: «Ich denke, Lincoln hat aus zahlreichen Gründen Erfolg gehabt; er war ein Mann, der sehr intelligent ist, was die meisten Präsidenten sind; er war ein Mann von grosser Intelligenz, aber er tat auch etwas, das zu seiner Zeit von grosser Wichtigkeit war; zehn oder zwanzig Jahre früher wäre das, was er getan hat, nicht möglich gewesen; also hat er etwas gemacht, was sehr wichtig war, besonders zu dieser Zeit; und Nixon hat meiner Meinung nach zu einem gewissen Mass wegen seines Charakters versagt; oder etwa nicht?; es war sein Charakter: sehr streng, sehr abweisend; die Leute kamen da nicht ran; und sie haben ihn nicht gemocht, ja, sie haben ihn nicht gemocht.»

Manchmal ist es gut, drei Meter unter der Erde zu liegen. So mancher Bullshit geht dann einfach über einen weg.

 Ein Grabstein markiert die Gruft mit den sterblichen Überresten des 16. US-Präsidenten.

Ein Grabstein markiert die Gruft mit den sterblichen Überresten des 16. US-Präsidenten.

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7 Kommentare zu «Die Ruhe vor dem Trump»

  • Linus Huber sagt:

    Hillary hat zweifelsfrei bewiesen, aus welchem Holz sie geschnitzt ist. Sie verfolgt die Agenda der Weltregierungsfanatiker und Kriegstreiber sowie den weiteren Ausbau der Vetternwirtschaft, von welcher die privilegierte Klasse sich ein tolles Leben einrichtet (u.a. Wallstreet und das politische Establishment). Trump ist in Bezug auf Ausübung politischer Macht ein unbeschriebenes Blatt, verspricht und lügt wie jeder Politiker zwar zu viel, aber hat die Fähigkeit Mitmenschen zu motivieren, ist ein Künstler der Verhandlung, bleibt bewusst unberechenbar, ist nicht daran interessiert, den Status Quo zugunsten des Establishments zu verteidigen, ist verhältnismässig unabhängig etc.

  • Urs Keller sagt:

    Nun, da hatte Lincoln recht, die Macht der düsteren Demagogen regiert in Washington und seinem Bubble. Nun ist Trump beim Establishment verhasst weil er sag was er denkt , und die Mehrheit der Amis denken wie er. Wer Geschichte kennt, der weiss, dass Lnicoln war wie Trump , er nannte das Uebel beim Namen . Er war beim Volk beliebt und beim Establishment verhasst genau wie Trump. Lincoln und Trump, beide haben dem Establishment die Lefitten verlesen, Lnicoln wurde ermordet Trump lebt noch, wie lange noch ?

  • Urs Huber sagt:

    Die selben sprachlichen Windungen finden sich auch bei schweizer Pilotikern, auch bei Bundesräten. Die meisten Wähler haben selber ja auch kein breites Allgemeinwissen und sind deshalb kaum in der Lage in grösseren Zusammenhängen zu Denken. Die Themen zu Lincolns Zeiten wären auch heute noch wichtig und eine breite Debatte zu unseren fundamentalen Wertvorstellungen und deren alltäglicher Umsetzung dringend von Nöten. Herr Trump hat wohl nicht das Format eines Lincolns oder Franklins ist aber so wie ich das zur Zeit sehe auch kein Blocher. Der Mann braucht Wählerstimmen und die holt er sich recht erfolgreich, trotz rasanter verbaler Kurvenfahrt.

  • Kaspar Tanner sagt:

    Bedauerlicherweise muss man eingestehen, dass weder Trump noch Clinton das Format haben, die USA zu einen.
    Die USA (oder die EU oder die Schweiz) werden von Leuten regiert, die das grosse Ganze zu Gunsten ihres eigenen Profits verraten, den Menschen die Luft mit immer mehr Regeln abschnüren, aber im Gegenzug grundlegende Gesetze missachten (die US-Berufsarmee ist m.E. verfassungswidrig – in der Verfassung steht etwas von „Miliz“, nichts von Berufssoldaten…).
    Clinton wird Wallstreet-gestützt interessengeleitete Politik betreiben, Trump wird von den beiden Kammern ausgehebelt und wirkungslos verpuffen. Die Sache wird mit Trump oder mit Clinton genauso schlimm enden.

    • Adrian Wehrli sagt:

      Angry white men, oder White Trash, das sind die Wähler von Trump. Food-stamps und staatliche Unterstützung bis der umündige Hintern platzt, das sind die Clinton Wähler. What the Hell happenden to America???

  • adrian wehrli sagt:

    Das kleine, hässliche, längeliche Ding, ensprungen einer schlecht verdauten Polit-, Vertrauens und Finanzkrise, will einfach nicht runter. Wir spühlen es Medial wieder und wieder, wir wiederlegen seine Logik, zeigen seine innere Hässlichkeit. Hilflos schauen wir zu: „the Trumpurd keeps floating, we need a real plumber“.

  • Matthias sagt:

    Herrlich wie Trump sich windet, um nicht zugeben zu müssen, dass er keine Ahnung hat, was Lincoln eigentlich getan hat oder auch nur, wann er ungefähr gelebt hat. Unterhaltungswert hat der Mann ja. Wenn er doch nur beim Reality-TV geblieben wäre statt in die Politik zu wechseln!

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