Ugandas verschwundene Kinder

(Reuters/Martin Cleaver)

In Mode gekommener Aberglaube: Kinder sollen als Opfergabe Macht und Reichtum bescheren. (Reuters/Martin Cleaver)

Uganda im Februar des 16. Jahres im dritten Millennium unserer Zeitrechnung. In dem ostafrikanischen Staat finden Wahlen statt, die wie seit drei Jahrzehnten in Folge der amtierende Präsident Yoweri Museveni gewinnt. Doch neben dem Staatschef werden auch Hunderte von Mitgliedern des Parlaments und Tausende von lokalen Administrationen gewählt – und dort sind die Ergebnisse schon weniger absehbar. Die lukrativen Ämter sind dermassen begehrt, dass sich mancher Kandidat sogar zu einem an Grausamkeit kaum noch zu überbietenden Schritt bereit erklärt: Er lässt ein Kind töten oder tötet selber eines, um dessen Organe zu einem Hexendoktor zu bringen. Dieser nutzt die noch blutige Opfergabe für ein Ritual, das nach weitverbreitetem Glauben dem Kindermörder Macht und Reichtum beschert.

Wie bei jedem Wahlkampf seien auch dieses Mal wieder zahlreiche Kinder verschwunden, sagt Shelin Kasozi zu Reuters: Die Sozialarbeiterin der Kyampisi Childcare Ministries (KCM) will allein von sechs getöteten und verstümmelten Kindern wissen. Und diese Fälle seien in den zurückliegenden Monaten allein in vier zentralugandischen Distrikten bekannt geworden: Im ganzen Land sei von einer wesentlich höheren Dunkelziffer auszugehen.

Kinderopfer sind in Uganda keine Relikte aus dem Mittelalter, sondern kamen nach Angaben von Experten erst in jüngerer Zeit in Mode. Der einstige Hexendoktor Polino Angela erzählte einem BBC-Reporter, er habe mindestens 70 Kinder getötet – darunter seinen eigenen 10-jährigen Sohn. Inzwischen ist Angela als Missionar unterwegs, um seine Kollegen zur Preisgabe ihrer grausamen Praxis zu bewegen: Er will bereits 2400 Medizinmänner von den Opferungen abgebracht haben. Darunter auch einen Hexendoktor, dem Kunden nach eigenen Aussagen bis zu dreimal wöchentlich Körperteile von Kindern gebracht haben.

Auch aus dem Rest des Kontinents wird immer häufiger von derartigen Opfern berichtet, mit denen die Bibel bereits seit Abrahams Zeiten Schluss machen wollte. In der Elfenbeinküste registriert die Kinderschutzorganisation Roxal Tag für Tag mindestens drei verschwundene Kinder: Die meisten von ihnen fielen kriminellen Organhändlern oder Hexenmeistern in die Hände, sagt Jean-Michel Boka. In Tansania leben Albino-Kinder besonders gefährlich: Wegen ihrer auffallenden Erscheinung gelten deren Körperteile unter schwarzen Magiern als einzigartig wirkungskräftig. Selbst in Südafrika wird regelmässig von getöteten Kindern berichtet, die mit fehlenden Gliedmassen oder Organen aufgefunden werden – nur weil sich jemand von ihrem Opfer mehr Macht oder mehr Reichtum verspricht.

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23 Kommentare zu «Ugandas verschwundene Kinder»

  • Markus Schneider sagt:

    Wahrhaft tolle Geschichte – und gerade mal einen Blogbeitrag wert. Da muss aber enorm viel wahres dran sein. Sowas liest man gerne. Ich stopple nächstens auch irgendwas zusammen über irgendeine Gegend in der hinteren Mongolei und schreib dann untendran, der Schneider war’s, aus Kampala.

  • M. Zingg sagt:

    Laut einem anderen BBC-Bericht hat dieser ehemalige witch-doctor nicht die Wahrheit gesagt; hat seinen eigenen Sohn nicht selber getötet und mit seinen gruseligen Darstellungen vor allem einen Geldfluss in seine neue missionarische Tätigkeit fördern wollen: http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/8536313.stm
    Der Autor Johannes Dietrich hat hier nicht alle relevanten Quellen in seinen Bericht einfliessen lassen. Schade.

  • Urs Hug sagt:

    Verstehen wir die dortige Politik eigentlich? Erst kürzlich kehrte ich aus Uganda zurück, dort in Entebbe sagte mir ein geweckter Student: „we are a 150 years behind you!“ Das gibt mir zu denken.

    • Margot sagt:

      Schlimm genug, dass solche Hexenmorde überhaupt noch geschehen, aber das Politiker das auch noch praktizieren!? Wie kann man von solchen Menschen auch noch was erwarten? Mit solchen „Führungskräfte“ ist Hopfen und Malz verloren.

      • Margot sagt:

        Eines der grössten Probleme in Uganda ist, wie überall in Afrika, die Bevölkerungsexplosion. 1980 lebten in Uganda 13 Millionen Menschen, 2000 waren es 24 Millionen und heute 38 Millionen. Bis 2050 wird ein Ansteigen der Bevölkerung auf etwa 128 Millionen Menschen prognostiziert. Ein Beispiel, warum der Zuwanderungsdruck in Zukunft noch stark ansteigen wird.

        • Danny sagt:

          Eine Freundin von mir aus Ghana, gilt in ihrer Heimat als kinderlos und wird als egoistisch und unweiblich angesehen und ständig dazu gedrängt doch endlich noch mehr Kinder zu machen, solange sie noch kann.
          Sie hat „nur“ zwei Kinder also eigentlich keine…
          Ich gehe davon aus, dass es auf dem restlichen Kontinent nicht anders klingt. Ich gebe Ihnen recht, da wird einiges auf uns zukommen, wenn nicht vor Ort irgend ein nachhaltiges Wunder geschieht.

          Na ja, mein Grossvater hatte auch 9 Geschwister 😉 aber das wahr am Anfang des 20. Jahrhunderts

  • jumbo sagt:

    wäre noch zu untersuchen, ob diese organe nicht als organspenden vermarktet werden.

    • Ronnie König sagt:

      Nein, denn es gibt keine kühlere und steril wurden sie auch nicht entnommen! Ausser Südafrika gibts keine Möglichkeiten dort.

  • Ronnie König sagt:

    Es sind immer die wehrlosen Kinder die für die Wünsche und die Gier von Erwachsenen bluten! Seit Urzeiten. Ob Macht, Regen oder Kriegsglück, es ist eine traurige Geschichte und wird immer noch geglaubt. In Tansania verfolgt man Albinos dafür. Die Zunahme in der heutigen Zeit zeigt auch die Verzweiflung der Massen. Die die so was tun, sind wahrscheinlich jene die nicht gen Norden flüchten. Behaupte ich mal. Es gibt aber bei Unglück auch die Situation, dass dann Alte getötet werden, weil sie Hexen/-er seien. Dies gibts aber auch in Asien. Aberglaube ist weiter verbreitet als man denkt. Selbst bei uns ist die Gesellschaft nicht frei davon, nicht einmal die Kirche.

  • Martin.. sagt:

    Viele von Euch denken es weare Aberglaube – Es gibt doch keine boesen Geister und darum gibt es auch keinen Gott. Diese Opfergaben in Form von Kindern liebt Satan. Satan liebt es auch das der WEsten sagt es gibt keinen Satan!

    • Emil Eugster sagt:

      Glauben ist der Ursprung auch dieser Gräueltaten. Das sie Glauben und diesen verteidigen sind sie mitschuldig an der Ermordung diese Kinder, da sie Glauben als Tugend propagieren und damit Glauben verbreiten.
      Sie müssen sich auch gar nicht von den Gläubigen in Uganda abheben wollen. Erst im Dezember 2015 wurde in Frankfurt eine Frau bei einem Teufelsaustreibungs-Ritual getötet.
      Ausserdem zu sagen Satan sei der, der die Menschen zu solchem bringt ist nur eine faule Ausrede um nicht selbst die Verantwortung für ihr eigenes Handeln übernehmen zu müssen.
      Werden sie erwachsen! Sie sind weder ein Schäfchen noch ein Kind von irgend einem Gott. Sie sind ein Mensch und verantwortlich für ihr tun.

      • Martin.. sagt:

        Ich bin erwachnsen und ich habe die Wahl entweder Satan oder Gott anzubeten.. Ich kenne Afrikaner wdlche genaus dasselbe sagenw as ich hier geschrieben habe! I Leute wie sie sind das Problem!

        • Ronnie König sagt:

          Satan ist ein gefallener Engel Gottes! Bei ihrer Logik würde sogar der Pfarrer unserer kenianischen Kirchgemeinde den Kopf schütteln. Und da wundere mich zuweilen ob seiner Logik. Aber Rom geht einig.

        • Ruth Falk sagt:

          Bin ebenfalls erwachsen und habe die freie Wahl, an all den Humbug, den Menschen erfunden haben, um ihre Macht über ihre Mitmenschen zu konsolidieren, NICHT zu glauben. Leider scheint das Gros der Menschheit zu manipulierbar zu sein, oder nicht senlbstsicher genug, und geht den Priestern aller Sorten auf den Leim.
          „der Mensch hat Gott erfunden, dies dann vergessen, und versucht nun verzweifelt, nach seinen Gesetzen zu leben“.Martin Buber

        • Emil Eugster sagt:

          Sehen sie Herr Martin.., sie wollen die Verantwortung nicht übernehmen.
          Jetzt erklären sie noch, weshalb Leute wie ich „das Problem“ sein sollen. Ohne eine nachvollziehbare Erklärung ist ihre Hypothese so wenig wert, wie die über irgend eine Göttin und einfach so glauben – den Gefallen kann ich ihnen nicht tun. Nicht alle Menschen sind um zu faul zu denken und geben sich deshalb mit Glauben nicht zufrieden.

          • Emil Eugster sagt:

            Sie sehen wozu Glauben führt.
            Nennen sie mir eine schreckliche Tat, die nur von einem Nichtgläubigen vollbracht werden kann.
            Nennen sie mir eine schreckliche Tat, die nur von einem Gläubigen vollbracht werden kann.

            Jeder, der diese zwei Sätze gelesen hat jetzt schon Beispiele für die eine Gruppe, von der Mädchenbeschneidung über Steinigung, Kopf abschneiden, bis zu Flugzeugen in Hochhäuser fliegen, und für die Andere Gruppe Herr Martin..

          • Emil Eugster sagt:

            “ … und dabei das Gefühl haben das Richtige zu tun“ gehört noch zu den zwei Sätzen.

    • Gerhard Engler sagt:

      @Martin: In Europa glauben wenige Leute an den Teufel, in Uganda viele. In Europa werden deutlich weniger Kinder ermordet als in Uganda. Ich ziehe es daher vor, in einem Land zu leben, wo wenige Leute an den Teufel glauben.

  • Peter Lüchinger sagt:

    Unfassbar diese grausame Gier nach Macht – Korruption wo auch ein Teil unserer Entwicklungshilfe landet.

    • Ronnie König sagt:

      Dafür brauchts keine Entwicklungshilfe und es fliesst dazu auch keine, es sei denn sie hätten selber etwas finanziert! Oft sind die Kinder geraubt, der Priester nicht einmal sehr teuer. Es sind aber in der REgel keine normalen Priester, eher selbst ernannte Okkultisten. Sie sind ein super Beispiel von nix wissen aber Gerüchte in Umlauf zu bringen. Warum weiss ich das? Weil das Problem ganz Afrika betrifft, auch Kenia. Und es ist schwer dem beizukommen, grassiert der Aberglaube in der Not noch mehr als sonst. Es hat auch mit Autokrat Museweni zu tun.

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