Das Geisterspital

(Atlas)

Totes 21-Millionen-Spital: Die Gemeinde Lepe hat es versäumt, die Infrastruktur bereitzustellen. (Screenshot/Atlas)

Wenn die Spanier das Wort «barbaridad» gebrauchen (wörtlich: Barbarei), können damit alle möglichen Ungeheuerlichkeiten gemeint sein – auch schöne, auf schier unheimliche Art erfreuliche. Ein grandioses Tor im Fussball zum Beispiel kann eine «barbaridad» sein, zumal wenn es dem Lieblingsverein gelungen ist. Oder ein Restaurantbesuch, der die Sinne besonders üppig zu beleben vermochte. Der Superlativ dient aber auch der Beschreibung von Unschönem oder hochgradig Unsinnigem. Nicht selten bietet die spanische Politik Stoff für solche «barbaridades».

Wenn nun Juan Manuel González, der Bürgermeister der andalusischen Kleinstadt Lepe in der Provinz Huelva, unweit der Grenze zu Portugal, von einer «barbaridad» spricht, dann meint er die Posse, die sich rund um das neue Krankenhaus in seiner Gemeinde entwickelt hat. Und González selbst, Mitglied des konservativen Partido Popular, spielt wohl den surrealsten Part in der Geschichte.

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Per Feldweg zum Notfall: Patienten müssten über diesen Schotterweg anfahren.  (Screenshot/Atlas)

Das Centro Hospitalario von Lepe, geplant für die Behandlung von 83’000 Patienten jährlich, ist am 14. Dezember fertig geworden und steht nun wie eine Kathedrale in der Wüste. Es führt keine Zugangsstrasse zur Klinik, nur ein Feldweg. Strom und Wasser hat das Haus auch nicht, es wurden keine Leitungen gelegt. Die Apparate stehen in den Operationssälen, die Betten in den Zimmern – für nichts. Eine parteipolitische Groteske. Nun schiebt man sich gegenseitig die Schuld zu.

Finanziert hatte das Krankenhaus die andalusische Regionalregierung, die seit Menschengedenken von den Sozialisten gestellt wird, den Gegnern des Partido Popular. 21 Millionen Euro hatte es gekostet. Das schien angemessen zu sein, mussten die Menschen von Lepe und Umgebung doch bisher in Notfällen stets bis in die Provinzhauptstadt Huelva fahren, die rund 50 Kilometer entfernt liegt. Nach Herzinfarkten kann die Strecke schnell einmal fatal sein. Mit dem Bau begann man schon 2007, musste die Arbeiten während der Krise aber für einige Jahre unterbrechen. Kaum war wieder Geld da, wurde der Bau nun vollendet.

Man kann also sagen, dass die Stadtverwaltung von Lepe die Vollendung kommen sah, über Jahre, sie liess sie aber ungenutzt verstreichen. Sie wäre nämlich für den Bau der Infrastrukturen zuständig gewesen, für die Zugangsstrasse, Strom und Wasser. So war das vorgesehen, so stand es in der Abmachung. Kostenpunkt: zwei Millionen Euro. González klagt, die Gemeinde habe kein Geld, alle Fonds seien während der Krise gekürzt oder gestrichen worden, frühere Abmachungen würden deshalb nicht mehr gelten. Und so reiht sich das Krankenhaus von Lepe in die lange Reihe undurchdachter Bauprojekte, ein Geisterspital neben Geisterflughäfen und Geisterbahnhöfen aus der Boomzeit. «Barbaridades», allenthalben.

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17 Kommentare zu «Das Geisterspital»

  • Andres Ackermann sagt:

    Das lässt mich an die Neat denken. Da wurde mit Italien und Deutschland auch vereinbart, dass sie in ihren Länder die Zubringer bauen. Jetzt ist die Neat bald fertig und für die Zubringer wurde von Seiten der „Vertragsstaaten“ noch kein Finger gerührt.

  • Marc Reto Wirth sagt:

    Ein exemplarisches Beispiel wie die EU und ihr Verteilmechanismus der EU Gelder und deren Kontrolle funktioniert. Dazu gebe es noch hunderte wenn nicht tausende von negativen Beispielen in anderen, von EU-Unterstützungsgeldern profitierenden Ländern und deren fragwürdigen Politikerkaste.

    • Ronnie König sagt:

      Was hat die EU konkret damit zu tun? Was hier passierte ist in etwa wie: Der Kanton Bern baut im Oberland ein Spital und bezahlt dies, aber die Gemeinde Spiez ist für Strom, Wasser und Zufahrtsstrassen zuständig und kann nicht bauen, da zu wenig Geld in der Gemeindekasse. Wo wäre hier die EFTA für was zuständig? Eben nirgends, und so verhält es sich beim Unsinn in Spanien.

  • ClBr sagt:

    In Lepe gibt es noch ein weiteres Geisterspital. Ursprünglich von einer privaten Unternehmung für 14 Mio Euro projektiert, wurde der Bau in den frühen Nullerjahren begonnen. Damals war der Bürgermeister ein PSOE-Vertreter. Das Projekt kam aber nie zustande, d.h. die Gebäude gibt’s, aber es ist kein Spital drin, alles leergeräumt (wenn überhaupt jemals etwas drin war). Offenbar verweigerte die Regierung Andalusiens (PSOE) der Klinik die Zulassung, weil sie keine privaten Spitäler wollte. Bei den Wahlen kurz darauf verlor der PSOE in Lepe und der neugewählte Bürgermeister (PP), versuchte vergeblich, eine Zulassung zu erwirken. Das dürfte wohl die Vorgeschichte der Geschichte sein.

  • Tronco Flipao sagt:

    Es ist schon tragikomisch, weil man in Spanien schon seit langer Zeit über Lepe lacht. Man weiss nicht genau wieso, aber Lepe ist in Spanien so etwas wie die Schildbürger bei uns. Unzählige dumme Witzchen gibt es schon und nun kommen auch noch Tatsachen dazu!

    • Emil Roduner sagt:

      Ich kann mir ja nicht vorstellen, wie heute ohne Wasser, Strom und zufahrtsstrasse ein grosses Spital gebaut wird. Dass die ganze Geschichte ein unterhaltsamer Witz ist, sieht man schon daran, dass die auf dem Bild sichtbare über 10 m beite Zufahrtsstrasse „Feldweg“ genannt wird.

  • Bruno Froehlich sagt:

    Die Sozis gleisen etwas auf das notwendig wie zu lesen im Artikel, die Konservativen zeigen sich nicht faehig das Werk zu vollenden, und nun lesen wir hier erzdumme Kommentare, wenn das nicht zum heulen ist. Ob links oder rechts, voellig unerheblich, Tatsache, es hat zu viele Politiker die nur mit ihrem Ego glaenzen, dieses nur noch ueberstrahlend ihre Unfaehigkeit, immedr alles zum Nachteil der Buerger ,die mit ihrer Wahl diesen Leuten vertraute

  • Alejandro Galan sagt:

    Leider erwähnt der Journalist nicht, dass Spanien 50 Flughäfen hat (Deutschland hat nur 17 – 22 Flughäfen), von denen nur wenige benutzt werden. Wobei die luxuriösen Flughäfen in Villacarrilo (Jaén) und Huelva (Mitte in Naturschutzgebiet Doña Ana) gebaut wurde, die nur für Drohnen (nicht für Passagiere) gebaut wurden und nie benutzt wurden. Oder der Bau der Stadt der Gerechtigkeit in der Nähe von Madrid mit dem Institut für Rechtsmedizin, die nie vollständig fertiggestellt wurde. Oder das Museum für Moderne Kunst in Alarcon, fertiggestellt, aber wo nie ein Kunstwerk aufgestellt wurde und jetzt vollständig verharmlost ist. Wir müssen das Spital Los Gallos (Die Hähne) in Chiclana (Cadiz)…

  • Allegro sagt:

    Schaut man sich auf Google Earth Lepe von oben an entdeckt man das ein oder andere fertiggestellte Infrastrukturprojekt jedoch ohne Gebäude.

  • Ruf sagt:

    Oliver Meiler ist offensichtlich Schweizer und hat zwei Knaben bzw Buben (keine Jungs).

  • Peter Wermelinger sagt:

    Das wundert mich überhaupt nicht. Es steht ja „sozialistische Regierung“… Ob nun in Spanien oder wo auch immer auf der Welt, die bringen rein gar nichts auf die Reihe und werfen nur das Geld sinnlos aus dem Fenster. Ist bei uns in den Städten, die links regiert werden, auch kaum besser!

    • säm sagt:

      Wenn Sie noch weiter gelesen hätten, hätten Sie gelesen, dass der Fehler aber bei den Nazis liegt, welche die Kleinstadt regieren … Das Fazit ist deshalb ein anderes: die Welt wäre ein besserer Ort, gäbe es keine Menschen, die so blöd und rechts sind, zum Beispiel wie Sie.

      • Alex Kramer sagt:

        Schade, dass man diesen Kommentar nicht liken kann – ich tue es nun hiermit.

        • Ronnie König sagt:

          Die Sozis haben offenbar mehr geregelt bekommen, als ein grenzdebiler Leser verstehen kann, und die Konservativen haben vor lauter Sparen kein Geld, um das dringend benötigte Spital zu erschliessen! Die Stimmen hat man gerne vom Volk genommen, aber dann nicht geliefert. Kein Wunder hat es in solchen Länder immer mehr komisch-radikale Parteien. Die logische Antwort auf bürgerliches Gehampel. Aber leider keine logische Konsequenz, denn dann müsste irgend ein politischer Gegner an die nächsten Wahlen denken und das Projekt finanzieren. 2Mio., das Spital liefe und eine Werbung für die Partei/Politiker nebenbei.

  • bena Habena sagt:

    …….solche „Sachen“ kenne ich persönlich auch in Griechenland. Bei den Südländern geht es nicht so sehr darum, dass ein Spital für die Patienten entsteht – sondern vielmehr darum, dass die Bauwirtschaft Aufträge und die Arbeiter ihren Lohn haben. So einfach ist das!

    • Alex Kramer sagt:

      Bald steht uns die Gotthard-Abstimmung ins Haus. Da können wir dann unseren südländischen Touch beweisen…

    • margarita sagt:

      nicht zu vergessen….. die grosse Schar der politischen und sonstigen Korruptionsgeld-Empfänger…. an die Arbeiter wird weniger gedacht, bei 25% und mehr Arbeitslosigkeit in Spanien, Griechenland usw.

      solange die EU-Gelder einfach fliessen und keinerlei Kontrolle erfolgt, wohin diese Unsummen verschwinden, werden solche Geister-Bauprojekte ohne Rücksicht auf die Umwelt weiter die schönsten Landschaften verunstalten!!

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