Westminster-Rock im Europa-Jahr

Rock ’n’ Vote, Baby: MP4, die wohl einzige parlamentarische Rockband der Welt. Foto: PD

Das neue Jahr wird das Jahr der europäischen Entscheidung für Grossbritannien. Nicht nur wegen des erwarteten Referendums über Verbleib in oder Austritt aus der EU. Vor allem muss sich zeigen, ob die Briten mal wieder zu etwas kommen beim Eurovisions-Schlagerfestival. Immerhin ist es fast zwanzig Jahre her, dass das «Royaume-Uni» zum Festivalsieger geworden ist.

Dafür ist es seither dreimal auf dem letzten Platz gelandet. Einmal sogar mit der bittersten Demütigung, mit nil points. Aber damit soll nun Schluss sein. Schon diesen Mai in Stockholm soll es anders werden. In ihrem Europa-Jahr will sich die Insel auf der grossen Showbühne des Kontinents in Erinnerung bringen. Ein just gefasster politischer Beschluss weist den Weg dorthin.

Oder, genauer gesagt, ein just gefasster Beschluss von Politikern. Vier Westminster-Profis nämlich planen, ihr Land in Stockholm zu vertreten – und ganz viele Punkte zu holen, noch bevor das Referendum kommt.

Das Quartett, das jetzt um die Ehre ringt, die Nation an der musikalischen Front zu vertreten, besteht aus drei Musikern, die im Hauptberuf Abgeordnete des britischen Parlaments sind, sowie einem, der es bis vor ein paar Jahren – bis er abgewählt wurde – war.

MP4 nennt sich die vor elf Jahren gegründete Gruppe (MP steht für «Member of Parliament».) Keyboard-Player Pete Wishart von der Schottischen Nationalpartei ist der Erfahrenste von allen. Er gehörte vorher schon der schottischen Rockgruppe Runrig an.

Runrig: «Hearts Of Olden Glory». Quelle: Youtube

Die Labour-Leute Ian Cawsey und Kevin Brennan sind die Gitarristen und Vokalisten, und Sir Greg Knight von den Konservativen kümmert sich ums Schlagzeug in der Band. Cawsey übrigens verlor sein Mandat bei den vorletzten Wahlen. Aber die Gruppe beschloss, ihn und den Namen MP4 beizubehalten.

Seither hat «die einzige parlamentarische Rockband der Welt», wie sich MP4 stolz nennt, zwei Alben veröffentlicht und zahlreiche Auftritte absolviert – immer zu karitativen Zwecken. Zwei Neujahrskonzerte fanden, ein absolutes Novum, auf der Terrasse des Unterhauses hoch über der Themse statt.

MP4: «Rock n Roll Heaven». Quelle: Youtube

In der 900 Jahre alten Westminster Hall, in der einmal König Charles I. der Prozess gemacht wurde, traten die vier vor einem tausendköpfigen Publikum auf. Über eine Million Pfund sollen sie binnen zehn Jahren für Krebshilfe und andere Wohlfahrtsverbände eingespielt haben. Und nun glauben sie sich also reif für den Trip nach Stockholm.

«Wir wollens jedenfalls mal versuchen», hat Wishart jetzt der Londoner «Times» versichert. «Bisher haben wir immer die anderen britischen Beiträge unterstützt – nun wären eigentlich wir mal dran.» Dass Europa schon vor den angegrauten Westminster-Rockern zittert, will auch Wishart nicht gerade behaupten. Einen Sprung auf die Bühne aber ist es ihm wert.

MP4: «Don’t Look Back in Anger». Quelle: Youtube

Und falls es mit Europa nichts wird, hofft der Schotte noch immer, Amerika herauszufordern. «Warum mischt Amerika eigentlich nicht mit? Das würde mich wirklich mal interessieren. Wir haben in der Vergangenheit schon mehrfach an den US-Kongress appelliert, sich mit uns zu messen. Aber die scheinen dort nicht zu glauben, dass sie es in einer transatlantischen Schlacht der Rockbands mit MP4 aufnehmen können.»

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