Mit dieser Musik vertreibt man Obdachlose

Töröö: Eine schottische Dudelsackspielerin geht mit gutem Beispiel voran. Foto: David Cheskin (Keystone)
In Bournemouth soll der Stadtrat angenehmere Töne anstimmen. Was nachts im Busbahnhof des südenglischen Seebads gespielt wird, ist Tausenden von Ortsansässigen schlicht ein Graus. Während anderswo im Land Fahrgäste in Wartesälen mit Sonaten berieselt werden, erwartet den Besucher Bournemouths schrilles Dudelsackgedröhn in voller Lautstärke. Und das die ganze Nacht hindurch – erbarmungslos.
Den Lärm, der vorgibt, Musik zu sein, hat dabei der Stadtrat höchstselbst angeordnet. Denn Bournemouths kommunale Verwaltung fasste im November einen schlauen Plan. Ein Dutzend Obdachlose, die sich nachts im Busbahnhof nahe den Toiletten einquartiert hatten, sollten von dort vertrieben werden. Ohne grosses Aufsehen, ohne Polizeieinsatz.
Passagieren und Händlern gingen die dort Untergeschlüpften nämlich auf die Nerven. «Asoziale» und «Trunkenbolde» seien das, hiess es vor Ort. Also liess man die Leute von Mitternacht bis 6.30 Uhr morgens mit Dudelsackgedröhn vom Band beschallen. «Das hält keiner aus», zitierte die örtliche Zeitung einen Bahnhofsarbeiter. «Bei so was kriegt ja kein Mensch ein Auge zu.»
Zufrieden stellten die Geschäftsinhaber am Bahnhof nach kurzem fest, dass der akustische Terror «seinen Zweck erreicht» hatte. Die Terrorisierten zogen zornig ab. Stadtrat und Polizei hielten ihr «Experiment» für äusserst gelungen. In der Bevölkerung aber formierte sich Widerstand.
Diese Methode der Vertreibung von Obdachlosen, fanden empörte Zeitgenossen, sei genauso «scheusslich» wie die als Waffe eingesetzte Musik. So etwas gehe «gegen die Moral» einer anständigen Gemeinde, erklärte Carla Johnson, die eine Unterschriftensammlung initiierte. «Zu einer Jahreszeit, in der es zunehmend kalt und nass wird, sollte der Stadtrat von Bournemouth den Obdachlosen in unserer Stadt lieber helfen, als sie nur vertreiben zu wollen.» Johnsons Petition haben inzwischen 4000 Personen unterschrieben.
Dass selbstverständlich auch Hilfe zur Hand sei, hat die Stadtverwaltung seither beteuert. Das mit der Musik sei ja nur «ein kleiner Aspekt» der städtischen Obdachlosenpolitik. Manchmal müsse man halt «Leute motivieren, ihr Verhalten zu ändern». Unterdessen ist das Gerücht aufgekommen, der Bürgermeister der Stadt, John Adams, habe die Idee gehabt mit den Dudelsäcken. Nur weil Adams selbst ein leidenschaftlicher Dudelsackspieler ist.
Dabei rät der Mayor wohlweislich, man dürfe es mit dem Gedudel nicht übertreiben. Spiele man einen Dudelsack zu lang, werde das «oft nicht geschätzt». Die Stadt hat unterdessen, für die Weihnachtszeit, die Dudelsäcke durch ein offenbar noch effizienteres Programm mit der Jaul-Band «Alvin und die Backenhörnchen» ersetzt. Nach Weihnachten sind dann die Dudelsäcke wieder dran.
Der Dudelsack als Waffe… (via Giphy)
2 Kommentare zu «Mit dieser Musik vertreibt man Obdachlose»
Beim Belpmoos Flughafen wollten sie die Schwäne mit Mozart vertreiben und es hat nicht geklappt. Am effizientesten sind Hunde oder, man glaubt es kaum, Gänse.
Sehr geehrter Herr Nonnenmacher
Das hätte doch fast schon Tradition: Einst wurde – wenn auch „nur“ im Film – ein gewisser Alex durch die „Ludovico-Technik“ im Rahmen eines Resozialisierungsprogramms mit Beethoven beschallt („A Clockwork Orange“). Sozusagen die andere Seite der Medaille, oder!?!
BEST
Klaus Leuschel