Das Übel des autonomen Autos

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Der Prototyp des autonom fahrenden Google-Autos. (Google/Keystone)

Die Zukunft ist im Allgemeinen schöner als die Gegenwart. Vor allem in Amerika, wo die Ära selbst steuernder Autos anbricht. Und während im possierlichen Europa das autonome Fahren beim Parkieren hilft, werden die Amerikaner von New York bis nach Los Angeles reisen, ohne zu lenken und zu bremsen.

Jawohl, das goldene Zeitalter automobilistischer Autonomie naht und mit ihm ein neuer Hedonismus: Die Insassen des selbst steuernden Autos betrachten versunken vorbeiziehende Landschaften, essen und lesen und erleben geschlechtliche Freuden auf den Sitzbänken.

Leider gibt es dabei ein kleines Problem, droht doch beim autonomen Fahren die schwallartige Entleerung des Magen- und Speiseröhreninhalts. Nachzulesen ist diese Prognose in einer neuen Studie des «Transportation Research Institute» an der Universität Michigan. Darin kommen ein gewisser Brandon Schoettle und sein Mitautor Michael Sivak zum Schluss, dass zwischen 12 und 22 Prozent der Insassen selbst steuernder Autos auf dem Weg von New York nach Los Angeles oder sonst wo während der Fahrt sich erbrechen werden.

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Das Forschungsfahrzeug F015 Luxury in Motion von Mercedes-Benz. (Reuters/Steve Marcus)

Das Ausschlucken geschieht, weil die autonome Fahrerei einen «Konflikt zwischen visuellem und vestibularem Input» schafft. Für Laien: Die Augen und das Gleichgewichtsorgan im Ohr bekriegen sich, worauf die Insassen bewegungskrank werden und regurgitieren. Die Herren Schoettle und Sivak gehen sogar noch weiter und behaupten, «die tatsächliche Häufigkeit und Schwere der Bewegungskrankheit in selbst steuernden Autos ist wahrscheinlich grösser, als in diesem Report angegeben».

Das ist natürlich ein gehöriger Dämpfer: Eine Fahrt zu viert von New York nach Los Angeles wäre eine Orgie des Sich-Erbrechens, bei der sich Bauchmuskeln, Magen und Zwerchfell der Reisenden zusammenzögen und sich ihre Magenmünder abrupt öffneten, worauf die Mageninhalte unkontrolliert ins Innere des Kraftfahrzeuges schössen und Polster sowie Insassen besudelten. Lesen oder das Fummeln am Smartphone würde diesen fatalen Zusammenbruch der Koordination zwischen Augen und Ohren nur verstärken, weshalb Schoettle und Sivak zu Spezialsitzen und vor allem zum Schlafen raten.

Ja nun, wer will schon von New York bis Los Angeles schlafen, besonders wenn die autonome Fahrt durch die Schönheiten des amerikanischen Westens führt? Und obendrein allerlei Leuchtreklamen von Fast-Food-Ketten Tag und Nacht zum Essen einladen? Wie soll sich der autonom Reisende überhaupt verpflegen, wenn jeglicher Verzehr den Kampf zwischen Augen und Ohren antreibt und das Verzehrte den Mund entgegen der natürlichen Richtung wieder verlässt?

«Dieses Dilemma – Sicherheit gegen Krankwerden – kann nicht gänzlich gelöst werden», schreiben die Herren Schoettle und Sivak. Nicht so schnell: Helfen könnte hier Gilmore T. Schjehldal, ein Mann wie du und ich, der 1949 den innen mit Kunststoff beschichteten Spuckbeutel erfand, wie er bald danach auf Flügen der amerikanischen Luftfahrtgesellschaft Northwest Orient zum Einsatz kam.

Würden Spucktüten – im Österreichischen salopp als «Speibsackerl» bezeichnet – im selbst steuernden Auto strategisch platziert, stünde einer angenehmen Fahrt von New York nach Los Angeles nichts mehr im Wege. Die Zukunft wäre gerettet!

Ein Bericht der Magazinsendung «auto motor und sport TV» über «Budii», das selbst fahrende Auto von Rinspeed.

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21 Kommentare zu «Das Übel des autonomen Autos»

  • Roland sagt:

    Wer fährt schon regelmässig so grosse Strecken?? Viel wichtiger ist doch, dass diese Technologie schnell verfügbar und auf unseren Strassen zugelassen wird. Dies würde einige unserer Verkehrsprobleme reduzieren und unseren Alltag erleichtern.

  • Fritz Gerber sagt:

    Das Problem ist auch beim Pendolino bekannt, das Neigen in Kurven führt bei einigen Passagieren zu Übelkeit, siehe Wiki-Artikel zum Pendolino. Es wurden schon mehrere Studien zu diesem Thema publiziert. Das Anpassen der Neigung und Geschwindigkeit in Kurven führt zu einer Minderung der Anfälligkeit auf Übelkeit und Erbrechen. Soviel ist bereits erwiesen. Mit ähnlichen Techniken wird auch das Fahren in selbststeuernden Autos angenehmer werden.

  • M.Andreas sagt:

    Selbstfahrende Autos tönt ja aus Sicht der Sicherheit sehr gut. Da wird es also vielleicht weniger Unfälle geben. Für Menschen mit einer körperlichen Einschränkung, die selbst nicht Autofahren können, ist das zweifelslos eine Super Errungenschaft.

    Es gibt jedoch noch andere Gruppen die sich besonders über diese selbst fahrenden Autos freuen werden. Es ist die Gruppe der Verrückten, Kriminellen, Computerfirmen und Terroristen die sicher daran gefallen haben werden. Eine Bombe kann so ohne einen Selbstmordattentäter ans Ziel gesteuert werden, ein Mordopfer kann so aus der Ferne in den Abgrund gesteuert werden und Computerfirmen können diese Autos jederzeit mit einem guten Virenschutz versorgen der sich nicht gratis ist.

    Und auch ein selbst fahrendes Auto hat immer noch einen recht langen Bremsweg, denn die Physik bleibt nahezu dieselbe, denn nur der Reaktionsweg verkürzt sich etwas. Und welche Versicherung für diese Autos haftet, ist ein Thema dass noch viel zu reden geben wird.

    Für jeden Vorteil kommt also wohl zumindest ein neuer Nachteil dazu.

  • Bernhard Piller sagt:

    Nun, wie könnte man sich beim Autofahren am besten beschäftigen? Vielleicht mit Autofahren! Autofahren ist ein hervorragendes Hirn-Jogging, weil der Mensch auf viele Reize schnell reagieren muss. Da ist das dumpfe Mitfahren eines selbstfahrenden Autos ja echt doof dagegen. Gilt übrigens auch für das Töfffahren….

  • Andreas Breitsamer sagt:

    Geht manchen Leuten (z.B. mir) bereits beim Zugfahren so. Zumindest kann man die Autos, im Vergleich zu den Zügen, mit anständigen Klimaanlagen ausrüsten oder das Fenster öffnen, um an frische Luft zu kommen…

  • Markus Schneider sagt:

    Wie das von Kilian anschaulich beschriebene Ausschlucken sich anfühlt, das kann man beim Lesen seiner Artikel selbst erleben.

  • Rolf Amacher sagt:

    Diese selbsfahrenden Autos sind Spielzeuge der Ingenieure. Einem Bedürfnis entsprechen Sie wohl kaum. Es ist doch gerade der Spass des Fahrens, der viele motiviert. Passiv im Auto wie im Wohnzimmer sitzen, langweilt wohl. Hinzu kommt der psychologische Aspekt, dass das der Kontrollverlust nur schwer zu etragen sein wird.

  • Markus Eisenring sagt:

    Die Idee des selbststeuernden Autos ist technokratischer Hochmut. Niemals würde ich mich in eine Kiste setzen, die völlig von einer im Silicon Valley fabrizierten Software abhängig ist – und die erst noch jeder halbwegs begabte Jugendliche hacken kann. So wenig wie in ein Flugzeug ohne menschlichen Pilot vornedrin. Zudem: Was soll am Autofahren noch Spass machen, wenn man nicht mal mehr selber lenken darf? Das Wichtigste an diesem Auto wäre ein Umschaltknopf auf Handsteuerung. Wir brauchen nicht solche Autos sondern ökosoziale Strukturen, welche die Mobilität eindämmen.

    • m.mueller sagt:

      Dann sind sie sicher auch noch gar nie mit einem Jumbo geflogen. Der fliegt abgesehen von Start und Landung auch vollautomatisch.

  • daniel naterop sagt:

    Mein Vorschlag: Nimm eine Autorenn- Spielkonsole mit. Dann kannst du so tun wie wenn du selber fährst und ein Autorennen gegen dein Auto machen. Ein entsprechendes app wird es sicher bald geben.

  • Soll das ein Witz sein? Übergeben sich denn heute Beifahrer, Tram- und Bus-, sowie Zugfahrer regelmässig, weil Auge und Gehirn im Krieg sind? Was soll denn beim autonomen Auto anders sein? Erinnert mich irgendwie an den englischen Artzet, welcher mitter des 19. Jh. prognostizierte, dass man krank werden würde, wenn man mit dem Zug schneller reist, als ein Pferd gallopieren kann. Das sei so etwas wie die natürliche Grenze 😉

    • adam gretener sagt:

      Man müsste schon wisse, um was es geht, bevor man die Backen so dermassen aufbläst. Es gibt nun mal einen Teil der Bevölkerung, denen wird schlecht wenn sie im Auto lesen oder sonstwas machen. Darum soll man ja bei Seekrankheit auf einem Schiff auch den Horizont anschauen.

  • Claude sagt:

    Einfache Abhilfe: Jeder Passagier erhält ein Spielzeuglenkrad und kann das Gehirn mit Lenken wieder ins Lot bringen.

    • Madamme sagt:

      Die Schweizer Lösung sieht dann so aus: Jeder Insasse bekommt ein Spielzeug-Lenkrad. Das Fahrzeug fährt nur dann automatisch, wenn alle (sieben) Insassen in die gleiche Richtung lenken. Wer sich nicht an das Kollegial-Prinzip hält, wird solange schikaniert, bis er freiwillig einlenkt. Bei hartnäckiger Verweigerung kommt die Entscheidung vor das Volk. Auch Beifahrer und Hinterbänkler haben schließlich ein Mitspracherecht!

  • adam gretener sagt:

    Flüssig ausatmen kannte ich schon, aber ausschlucken ist schlicht genial. Danke für den kleinen Lacher.

  • Anh Toàn sagt:

    Seekrankheit ist so alt wie die Seefahrt, in Autos vermute ich, so alt, wie es Autos mit Platz für Passagiere gibt: Den „Konflikt zwischen visuellem und vestibularem Input“ ist dabei vermutlich nur ein Element, ein zweites ist Angst entstehend aus Kontrollverlust. (Darum hilft selber steuern). Und dann gibt’s wohl noch viele weitere Faktoren.
    Gut an selbstfahrenden Autos ist, dass man die Bahn nehmen kann und dann am Zielort bei einem gemütlichen Kaffee, auch mit Schnaps, darauf warten kann, dass das Auto aus dem Stau kommt.

  • Sven sagt:

    Ja, es ist eine Glosse, aber vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen: Es liegt nicht an den autonomen Autos, sondern daran, dass die Leute (laut Umfrage) mehr Aktivitäten unternehmen würden, die die Reisekrankheit fördern, wie Lesen oder Filme gucken.

    Lässt mich wundern, wie viel Sorgfalt Hr. Kilian in seine sonstigen Berichte legt.

  • Dario sagt:

    Irgendwie macht das aber keinen Sinn. Wenn dem tatsächlich so wäre, dass Augen und Gehirn in einen Konflikt geraten, weshalb geschieht dies denn nicht, wenn man auf dem Beifahrersitz, auf dem Rücksitz oder z.B. im Zug sitzt? Ich glaube fest an das Zeitalter des autonomen Autos. Es wird Menschen wie mir, die eine starke Sehbehinderung haben oder blind sind eine riesige Freiheit und Unabhängigkeit schenken. Denn ausserhalb der Schweiz, wo man mit dem ÖV überall hinkommt, ist man als Sehbehinderter ständig auf Hilfe angewiesen bei der Mobilität (oder man ist dazu verdammt, immer am gleichen Ort zu sein). Das Zeitalter des autonomen Autos bringt aber auch für alle anderen Menschen etwas: Es wird den Verkehr revolutionieren, indem es ihn wesentlich sicherer und flüssiger machen wird. Leider ist Europa in solchen Dingen wahnsinnig konservativ und braucht immer nochmals 20 Jahre extra, bis man hier kapiert, dass solche Innovationen tatsächlich super sind.

    • Lea sagt:

      Da mein Kommentar um 18:00 wohl zu direkt war, wurde er nicht freigeschaltet.
      In der „Studie“ steht, dass bei einer Befragung viele sagten, dass sie in einem selbstfahrenden Fahrzeug etwas machen möchten (z.B. lesen), was bei Unwohlsein oder Übelkeit verursachen könnte (wegen Irritierung des Gleichgewichtes). Es reicht also, wenn zukünftige sensible „Fahrer“, sich wie heutige Beifahrer/Busreisende verhalten und bei Unwohlsein aus dem Fenster schauen.

      • M. Reich sagt:

        Es wird doch wohl niemand bis zum Erbrechen auf den Laptop starren? Wem übel wird schaut wieder hoch. Es gibt heute schließlich auch jene Autos mit Bildschirmen für die Rückbank, und Eltern die solche Autos fahren sind auch nicht konstant von Brech-Wellen im Nacken geplagt.

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