Die Rächer des verstümmelten Wortes
Verglichen mit der französischen oder englischen ist die spanische Orthografie einfach, denn man schreibt mehr oder weniger so, wie man redet. Manchmal begehen allerdings selbst relativ gebildete Muttersprachler Fehler bei Lauten und Wörtern, die man gleich ausspricht, aber unterschiedlich schreibt. Die Triade hay (es gibt), ay (ah, autsch) und ahí (dort) zum Beispiel ist tückisch, genauso wie haber (haben) und a ver (mal sehen) oder por qué (warum) und porque (weil). Vor kurzem hielten Abgeordnete im mexikanischen Parlament ein Transparent hoch, auf dem sie por qué und porque verwechselt hatten.
In Ecuadors Hauptstadt Quito hat nun eine Gruppe namens Acción ortográfica (Aktion für Orthografie) damit begonnen, fehlerhafte Sprühereien rot zu korrigieren. Die Öffentlichkeit rätselt, ob hinter den Eingriffen frustrierte Lehrer oder volkspädagogisch motivierte Linguisten stecken. Offensichtlich ist, dass sich die Gruppe von der Acción poética hat inspirieren lassen, die schon seit längerem Gedichte, Aphorismen und ähnliches an Hauswände sprayt. Der Versuch des englischen Senders BBC, die Unbekannten zu kontaktieren, scheiterte. In sozialen Netzwerken werden sie als «Helden des Rotstifts» und «Rächer des verstümmelten Wortes» gefeiert, und dies ist wohl der Grund, weshalb Acción ortográfica auch auf andere lateinamerikanische Städte und neuerdings selbst auf Madrid übergegriffen hat. Die spanischen Rechtschreibaktivisten haben sich dazu herabgelassen, der BBC zu antworten. «Wir sind nur wenige, aber jeder mit einem ausgeprägten Sinn für Orthografie darf bei uns mitmachen.»

Zur Frage gehört ein Fragezeichen: Die Aktion gegen Sprachverluderung hat zugesprayt.
Dass nicht nur Sprayer, sondern auch Sprachprofis gegen orthografische Patzer nicht gefeit sind, beweist eine berühmt gewordene Episode im Zusammenhang mit der 2007 publizierten Jubiläumsausgabe von «Hundert Jahre Einsamkeit». An der Edition des lateinamerikanischen Jahrhundertromans hatte sich die internationale «Vereinigung der Akademien der spanischen Sprache» beteiligt, während Gabriel García Márquez höchstpersönlich die Fahnen korrigierte. Und ausgerechnet der angesehene Verlag Alfaguara verwechselte in einem ganzseitig geschalteten Werbeinserat die Wörter haya und halla. Mit ironischem Understatement machten die Literaturprofis anderntags auf Schadensbegrenzung. Sie schalteten eine zweite Anzeige, in der es hiess: «Wie Sie sehen, passiert das sogar uns. Sprechen und schreiben Sie richtiges Spanisch!» Dazu leistet nun die Acción ortográfica im alltäglichen Strassenbild ihren Beitrag.
12 Kommentare zu «Die Rächer des verstümmelten Wortes»
Würde das bei uns gemacht, würde die Partei der manipulierten Bildungsfernen laut ‚Sachbeschädigung‘ zetern.
Ich würde es noch schöner finden wenn man sich in der DCH zuerst einmal auf die Muttersprache besinnen und nicht blind diese schreckliche Mode mitmachen würde um über alle möglichen Texte die englische Sauce zu schütten. Kulturelle Umweltverschmutzung nenne ich das!
PS: Eventuelle Korrekturen sind ausdrücklich erwünscht, ist doch Deutsch nicht meine Muttersprache. Danke.
Sehr gut, Rose, bis auf die Kommasetzung:
– „…schöner finden, wenn man …“
– „… würde, um über alle möglichen …“ wobei stilistisch der Satz nicht über alle Zweifel erhaben ist. Ich würde eher schreiben:
„Ich würde es noch schöner finden, wenn man sich in der DCH zuerst einmal auf die Muttersprache besinnen und nicht blind diese schreckliche Mode, über alle möglichen Texte die englische Sauce zu schütten, mitmachen würde.“
Super! Ich reg mich nämlich immer über die jungen Anhänger des Freisinns auf, die überall „FTP“ hinsprayen! Das ist nicht die „Freisinnig-Temokratische“, sondern die „Freisinnig-Demokratische Partei“! 😀
Also da vermischst Du wohl zweierlei, lieber L. M. UND: Bei den Anhängern der FTP handelt es sich nicht um die Liberalen, sondern um Followers einer freiheitlich-technokratisch gesinnten Bewegung, lol 😛
Wunderbar! Bitte auch in der Schweiz, bitte auch in den Foren!
Kein Satz ohne Verb. 😉
@adam gretener: Warum nicht? Es handelt sich hier ja nicht mal um ganze „Sätze“, sondern um Ausrufe. Wenn dem R.W. darum zu tun ist, auszurufen, brauchen Sie auch nicht als Möchtegern-Korrektor aufzutreten.
Solches könnte auch hierzulande nichts schaden…
Herrlich!
Mit Freude nehme ich zur Kenntnis, dass Menschen mit Liebe zur Sprache beginnen ihr Territorium zurückzugewinnen. Wohlgemerkt auf einem Schlachtfeld, dass eigentlich nicht das ihre ist. Es scheint, dass die Feder wirklich stärker als das Schwert ist.
Möchten Sie, dass ich Ihre Fehler korrigiere? Heute kostenlos! 🙂
Genau! Das müsste man auch in der Schweiz machen. Ich bin zwar grundsätzlich gegen Sprühereien im öffentlichen Raum, aber da sich diese sowieso nicht verhindern lassen, könnte man wenigsten einen edukativen Nutzen daraus ziehen.