Thatcher auf dem Abstellplatz


Vielleicht hätte man sie doch nach Arizona schaffen sollen. Lake Havasu City, das Rentnerparadies in der Mohave-Wüste, hätte sie ja gern gehabt. Dass sie nun ganz verloren mit ihrer Handtasche in einem zugigen Durchgang in Ostlondon stehen soll und man sich anmelden muss, um sie überhaupt zu Gesicht zu bekommen: Das hätte Margaret Thatcher, Englands vormaliger eiserner Lady, sicher nicht gefallen. So hatte sie sich das nicht vorgestellt.

Lady T. nämlich liebte die Statue, die ihr zu Ehren aus einem kolossalen Brocken Carrara-Marmor gehauen wurde. Sechsmal sass sie für das gute Stück 2001 Modell. Als es im Jahr darauf enthüllt wurde, entlockte es ihr einen Ausruf des Entzückens. Es sei «ganz wunderbar», erklärte sie dankbar. Und «ganz zu Recht» auch überlebensgross.

Bestellt hatte die Skulptur der Kunstausschuss des britischen Unterhauses. Thatchers Ebenbild sollte in der Parlamentslobby zu stehen kommen, zusammen mit Lloyd George, Churchill und Attlee. Um sie dort schon zu Lebzeiten aufzustellen, bedurfte es freilich einer kleinen Gesetzesänderung. Und einiger Jahre Wartezeit.

Also suchte man eine Zwischenlagerstätte für die 1,8 Tonnen Marmor. Das war der Zeitpunkt, zu dem die Thatcher-Geburtsstadt Grantham sich anbot, sie aufzunehmen. Und eben auch Lake Havasu City in Arizona. Stattdessen entschied man in London, das Werk in der Guildhall Gallery, in der City of London, zu platzieren. Und dort wurde die berühmte Statue erst richtig berühmt.

Kaum war sie installiert, war sie nämlich auch schon einen Kopf kürzer. Ein Thatcher-Hasser hatte sich aus Wut über die Thatcher-Ära mit einem zur Absperrung benutzten Stahlpfosten an dem 150’000 Pfund teuren Thatcher-Denkmal vergriffen. Der Mann wanderte für drei Monate ins Gefängnis. Die enthauptete Statue aber kam erst in die Werkstatt und dann auf Lager. Mehr als zwölf Jahre lang war von ihr anschliessend nichts mehr zu hören oder zu sehen.

Erst jetzt ist sie wieder aufgetaucht – und zwar weder in Lake Havasu City noch in Grantham. Auch nicht auf dem Trafalgar Square, wo Thatcher-Fans sie nach dem Tod der Lady vor zwei Jahren, um die Linke im Lande zu ärgern, gern aufgestellt hätten. Und auch nicht im Unterhaus, wie es einmal geplant war. Dort hat man sich mit einer Bronzestatue beholfen.

Nein, das Marmorstück steht nun wieder in der Guildhall Gallery, die kürzlich renoviert wurde. Allerdings diesmal nicht in den regulären Ausstellungsräumen. Sondern in einem Korridor, den kein Mensch fände, wenn man ihn nicht hinführen würde.

Denn nur auf Voranmeldung und unter Geleit kann man die marmorne Frau Thatcher mit ihrer Mega-Handtasche noch besichtigen gehen. Man habe, meldete die Kunstzeitschrift «The Art Newspaper» schockiert, die Statue der eisernen Lady in einen obskuren backsteinernen Durchgang am hintersten Ende des Guildhall-Komplexes geschleppt und sie dort abgestellt und dem Vergessen anheimgegeben.

«Wir hatten die Skulptur während der Renovierungsarbeiten irgendwo hinstellen müssen, um an die Stromleitungen in der Wand zu kommen», hat die Galerie sich seither verteidigt. «Darum hatten wir sie dorthin verfrachtet. Und da wurde uns klar, was für ein guter Platz das war.» Vor der Backsteinwand komme Lady T. doch perfekt zur Geltung: «In der Galerie hätten die vielen Bilder nur von der Statue abgelenkt

Die Wahrheit ist wohl, dass man sich in Margaret Thatchers Heimat noch immer nicht darüber einig wird, welcher Platz ihrem Erbe gebührt. Vielleicht hätte man das Stück Marmor am Ende doch nach Lake Havasu City schaffen sollen. Die Wüstenstadt, die schon die historische London Bridge gekauft hat (angeblich weil sie sie für die Tower Bridge hielt), hätte für die Ehre wahrscheinlich sogar etwas bezahlt.

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2 Kommentare zu «Thatcher auf dem Abstellplatz»

  • Giorgio Girardet sagt:

    Herrschinnen scheinen es – trotz Emanzipation – noch immer schwer zu haben. Wenn man 2002 die Statue der Premierministerin Thatcher noch „köpfen“ musste, so sind wir ja nicht viel weiter, als im Alten Ägypten, wo die erste – und wenn ich nicht irre einzige überlieferte – Pharaonin „Hatschepsut“ einer damnatio memoriae ihrer Nachfolger anheimfiel.

  • Sacha Meier sagt:

    Das sollte man unbedingt auch mit Herrn Dr. Blocher machen. Nein, natürlich nicht um einen Kopf kürzer zu machen – schliesslich leben wir ja nicht im Jahre 1793 – sondern als überlebensgrosse Marmorstatue mit dem höchsten (gespielten) Blutdruck während einer Polterrede verewigen. Und dann in der Wandelhalle des Bundeshauses aufstellen. So zu sagen als Würdigung seiner herausragenden Leistungen. Etwa, das Schweizervolch während 23 Jahren zielstrebig in die Irre geführt, die Hochpreisinsel zementiert – und den Lobbyismus institutionalisiert zu haben. Ich mindestens kenne nur ganz wenige Politiker, die es während Jahrzehnten geschafft haben, immer das Eine zu sagen und das Andere zu tun.

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