Showdown im Wiener Automatenlokal

Die Fenster sind verhängt, die Türen haben blinde Scheiben. Davor locken grell leuchtende Reklameschilder potenzielle Opfer an, so wie Tiefsee-Anglerfische ihre Beute. Hinter den Türen sitzen in muffigen, düsteren Räumen junge und alte Männer (ganz selten auch Frauen) mit starrem Blick vor Spielautomaten und verzocken ihre letzten Euros. Manchmal verkauft eine gelangweilte Serviertochter an einer Bar aus Sperrholz billige alkoholische Getränke. Manchmal steht ein Wächter an der Tür. Meistens aber bleiben die Spieler an den Automaten allein. «Kein Zutritt für Jugendliche unter 18 Jahren» steht an den Türen. Aber das wird nur selten beachtet und noch seltener kontrolliert.

In der Schweiz sind solche Spielautomatenlokale verboten. In Österreich ist das sogenannte «kleine Glücksspiel» erlaubt. Den Begriff muss die Glücksspielindustrie erfunden haben, so nett und harmlos, wie er klingt. Dabei werden an den Automaten mit ihren lustig drehenden Kirschen und Bällen wohl mehr Existenzen zerstört als in noblen Casinos. Über 10’000 Spielautomaten stehen im gesamten Land, an die 3000 davon in der Hauptstadt. In manchen Strassen reiht sich Lokal an Lokal und ihre Leuchtreklamen verkünden stets auch den Niedergang eines Quartiers. Nicht nur die Verslumung ist ein Problem. Die Wiener Polizei behauptet, dass 98 Prozent aller Bankräuber spielsüchtig seien. Und 85 Prozent der Spielsüchtigen gaben an, ihr Geld an Automaten verloren zu haben.

Damit soll in Wien nun Schluss sein. Die Stadtregierung hat den Automatenbetreibern per 1. Januar 2015 die Konzessionen entzogen. Hunderte Lokale müssten mit dem heutigen Tag ihre Türen schliessen und die Geräte dahinter entfernen. Das trifft kleine Betreiber ebenso wie den Platzhirsch «Novomatic». Der österreichische Glücksspielkonzern hängt sich mit Sponsoring von Kulturveranstaltungen und Auftritten von Prominenten das Mäntelchen der Seriosität um. Tatsächlich verdient er viel Geld mit dem Elend der kleinen Spieler, die ihre letzten Zehner in den Schlitz der Spielautomaten schieben. Sein Besitzer, der ehemalige Metzger Johann Graf, ist heute Multimilliardär und einer der reichsten Österreicher.

Gegen das Verbot will Novomatic klagen. Dafür engagierte der Konzern sogar prominente Verfassungsjuristen, die bisher als unabhängig galten. Auf der anderen Seite hat die Finanzpolizei bereits strenge Kontrollen und Strafen gleich ab der ersten Januarwoche angekündigt: Würden Geräte an illegalen Standorten entdeckt, würden sie erst versiegelt, dann abtransportiert und verschrottet werden. Ohne Pardon. Es sieht nach Showdown in den schummrigen Automatenlokalen aus.

Ginge es nach der sozialdemokratischen Wiener Regierung hätten die Schandflecken der Stadt noch sehr lange bleiben dürfen. Steuern und Abgaben aus dem kleinen Glücksspiel spülten 45 Millionen Euro in die Stadtkasse. Die freche Parteijugend aber fand, es passe nicht zu sozialdemokratischen Werten, wenn skrupellosen Konzernen erlaubt werde, den kleinen Leuten das Geld aus den Taschen zu ziehen. Dass auf dem Parteitag der Antrag der Jugend auf Verbot der Automaten angenommen wurde, war eines der seltenen Beispiele innerparteilicher Demokratie. Es sollte nicht wieder vorkommen. Dennoch muss der griesgrämige Bürgermeister seither so tun, als wäre ihm der Kampf gegen die Spielautomaten schon immer ein Anliegen gewesen.

 

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Ein Kommentar zu «Showdown im Wiener Automatenlokal»

  • Andreas Kofler sagt:

    Endlich, ich hatte schon die Befürchtung, Bernhard sein in Ungnade gefallen und abserviert worden, wie das die meisten Tagesanzeigerleser schon des öfteren verlangt haben.
    Ein schöner Artikel, bei dem man bei jeder Zeile spürt, dass der Autor genau weiss, wovon er schreibt. Einfach wunderbar, nahezu poetisch die Zeile: “ .. die ihre letzten Zehner in den Schlitz der Spielautomaten schieben.“

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