Tops und Flops der Politprominenz Englands


Seit 1843 der für die Royal Mail zuständige englische Staatsbeamte Sir Henry Cole die kommerzielle Weihnachtskarte in Umlauf brachte, ist diese Art des Jahresend-Grusses zu einer festen Einrichtung auf der Insel geworden. In nahezu jedem britischen Haus drängen sich dieser Tage auf den Kaminsimsen die bunten Karten mit ihren Krippenmotiven, Schneelandschaften, Rentieren, Weihnachtsmännern und himmlisch singenden Chören.

17 Weihnachtskarten verschickt, Statistiken zufolge, der Durchschnittsbrite alle Jahre wieder. Der Trend weist allerdings nach unten. Steil ansteigende Postgebühren haben den Kartenversand zu einem teuren Spass gemacht. Und jüngere Insulaner, mit elektronischer Kommunikation gross geworden, wissen oft nicht einmal mehr, wie man einen Briefumschlag beschriftet oder wohin die Marke kommt.

Nur eine Kategorie, die politische Weihnachtskarte, feiert immer neue Triumphe. Sie hat sich zu einem modernen Dezember-Ereignis entwickelt, bei dem Politiker sich auf je eigene Weise für ihre Wähler ins Bild zu setzen suchen – mit durchaus unterschiedlichen Ergebnissen.

Die diesjährige Karte des Premierministers zum Beispiel zeigt diesen mit Frau Samantha und elf Chelsea-Pensionären in roten Uniformen vor der Tür der Regierungszentrale. Hier steht David Cameron als der Freund der Kriegsveteranen, sucht das Bild zu suggerieren. Und (fünf Monate vor den Wahlen) als der Herr der Downing Street, ganz ohne Zweifel: Absolut nicht gewillt, den Amtssitz einem andern zu übergeben.

Oppositionsführer Ed Miliband wiederum bastelt daheim am Küchentisch im Familienkreis frohgemut Weihnachtskarten. Ein durch und durch «normaler» Familienvater am Feierabend, will es scheinen. Jedenfalls kein schräger Vogel oder sozialistischer Popanz, als der er so oft verspottet wird.

Nick Clegg, der Vorsitzende der Liberaldemokraten, versucht es mit Selbstironie – was keine schlechte Idee ist, da seine Partei einer Wahlkatastrophe entgegenschlittert. Cleggs Komiker-Streifen in vier Bildchen ist in einem besseren Passfotoautomaten entstanden: Wie ich mir eine Santa-Mütze überstülpe und meine Frau sich dabei köstlich amüsiert.

Nur Nigel Farage kommt ohne die Gattin – und überhaupt ohne Foto – aus auf seiner Weihnachtskarte. Der Ukip-Chef hat eine Karikatur aus dem Daily Telegraph gewählt, auf der er am Steuer eines weissen Lieferwagens die anderen drei Parteichefs glatt überrollt. (Ein Rätsel bleibt lediglich, warum der kompromisslose EU-Gegner im rechtssteuernden England links am Steuer sitzen sollte. Hat er den Wagen aus Europa importiert?)

Sehr unglücklich dagegen hat sich zu Weihnachten 2014 der frühere Regierungschef Tony Blair mit seiner Frau Cherie in Szene gesetzt. Blairs fatale Grimasse auf der Grusskarte des Paares hat Kommentatoren fragen lassen, ob der Ex-Premier als Nächstes den Fotografen verprügeln wolle. «Wirklich zum Fürchten», fanden Empfänger der Karte das Blair-Porträt, als sie es erhielten. Die «gefletschten Zähne» verfolgten sie bis in den Schlaf.

Fehlgriffe bei den weihnachtlichen PR-Aktionen hat es natürlich früher schon gegeben. Einer davon war Gordon Browns Einfall von 2009, auf seiner Weihnachtskarte von einem Stechpalmenzweig einen Miniatur-No-10-Downing-Street-Eingang baumeln zu lassen. Etwas, spottete damals eine Zeitung, hänge «in der Tat am seidenen Faden» – und zwar die Zukunft von Gordon Brown als Regierungschef. Kein halbes Jahr später stand Brown, nach verlorenen Wahlen, draussen vor der berühmten Tür.

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Ein Kommentar zu «Tops und Flops der Politprominenz Englands»

  • Arnold Huber sagt:

    Ein wunderschöner Brauch – wir (meine Ehefrau ist Engländerin) freuen uns jedes Jahr Weihnachtskarten zu erhalten und zu versenden (je ca. 50 Stück).
    Hoffen wir, dass diese Tradition nicht stirbt und nicht vollständig durch diese unpersönlichen (Massen-) e-mails ersetzt wird. Merry Christmas!

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