«Sitzfleisch hoch, Rindfleisch raus!»

(PD)

Hohe Kriminalitätsquote: Eine der 4965 Wal-Mart-Filialen der USA. (PD)

Am Dienstag, den 18. November, erhielt der Polizist Adam Bailey in Spartanburg im Staat South Carolina um 16 Uhr 44 die Aufforderung, sich unverzüglich zum Wal-Mart-Kaufhaus an der Hauptstrasse zu begeben. Nach seiner Ankunft «ungefähr um 17 Uhr 00», so Cop Bailey im Polizeireport, habe er mit der Wal-Mart-Angestellten Jackie Jenkins gesprochen. Frau Jackie ist eine Spezialistin für «Schadensverhütung» oder «Loss Prevention», eine durch und durch euphemistische Bezeichnung für Ladendiebstahl, Mundraub und überhaupt illegale Aktivitäten, die sich negativ in den Bilanzen der 4965 amerikanischen Wal-Mart-Läden niederschlagen.

Frau Jackie machte also an jenem Dienstag ihre Runden und erblickte in der Fleischabteilung «einen weissen Mann mit schwarz-weissen Hosen, einem weissen Hemd und braunen Schuhen», wie Cop Baileys Report festhielt. Ausserdem beobachtete sie, wie der Herr in den schwarz-weissen Hosen fünf Packungen Steaks aus der Hochrippe des Rinds, also Ribeye-Steaks, aus dem Regal entnahm, sie jedoch nicht in einem Einkaufswagen verstaute. Statt eines Einkaufswagens benützte der Herr in den schwarz-weissen Hosen einen elektrischen Scooter, wie er beleibten Amerikanern in den Supermärkten stets zur Verfügung steht.

(Screenshot Youtube)

Einkaufshilfe oder Fluchtfahrzeug? In Wal-Mart-Filialen werden Kunden elektrische Scooter zur Verfügung gestellt. (Screenshot Youtube)

Cop Bailey hielt später im Polizeibericht fest, der Verdächtige habe die Steaks auf den Sitz des Scooters platziert und dann selber darauf Platz genommen. Sitzfleisch und Rindfleisch waren damit eins geworden, umso mehr, als der Verdächtige laut Cop Bailey 320 Pfund wog und offenbar deshalb die beschwerlichen Strecken des Wal-Mart-Kaufhauses nicht zu Fuss durchqueren wollte. Nachdem der Verdächtige die Steaks plattgewalzt hatte, setzte er das Fluchtfahrzeug in Gang und «verliess das Kaufhaus, wobei er an allen Kassen vorbeifuhr, ohne zu bezahlen».

Frau Jackie aber schloss behänd zum Fluchtfahrzeug auf, identifizierte sich als Spezialistin für «Loss Prevention» und forderte den Tatverdächtigen auf, sie in das «Büro für Schadensverhütung» zu begleiten. Dort stellte sich der Ribeye-Aficionado als Rodney Fowler vor.

Herrn Rodney war offenbar entgangen, dass Wal-Mart kürzlich ein vertrauliches Memo der allerhöchsten Alarmstufe («heikel») hatte zirkulieren lassen, worin die Zustände in den Lebensmittelabteilungen beklagt wurden. Das Memo hielt die Kaufhausmanager an, «komplette Aufzeichnungen der täglichen Wegwerfmenge» von Fleisch und Geflügel anzufertigen. Insgesamt also kein gutes Zeichen.

Andererseits hätte Herrn Rodney der Zustand der Steaks von der Hochrippe gleichgültig sein können, da Wal-Mart nach der Einführung einer «Frischegarantie» im Juni 2013 Vergammeltes und Verschimmeltes einfach so zurücknimmt. Selbst Fleischkonserven können problemlos abgegeben werden, wenn sich der Dosendeckel aufgrund von Clostridium Botulinum stark wölbte und entweichende Gase nach dem Öffnen unangenehme olfaktorische Effekte auslösten.

Jedenfalls nahm Cop Bailey Herrn Rodney wegen Ladendiebstahls fest, hatte dabei jedoch Probleme: «Wegen seines Umfangs mussten dem Verdächtigen zwei Paar Handschellen angelegt werden.» Danach wurde Herr Rodney zum Kreisgefängnis abtransportiert und erkennungsdienstlich behandelt. Was mit den Steaks von der Hochrippe geschah, wird im Polizeireport nicht festgehalten. Wurden sie, weil sicherlich stark zusammengepresst von Herrn Rodneys Sitzfleisch, liebevoll aufgefrischt und wieder ins Regal gelegt? Fanden sie Eingang in die tägliche Wegwerfstatistik des Managers? Oder durfte Frau Jackie das Fleisch als Belohnung nach Hause nehmen und im Garten grillen? Empfand sie dabei Ekel? Oder tiefe Genugtuung? Wir wissen es nicht.

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17 Kommentare zu ««Sitzfleisch hoch, Rindfleisch raus!»»

  • Peter Meier sagt:

    Man sagt doch immer dass in USA ein sehr schlechtes Sozialsystem besteht, gerade was Krankenkasse Deckung anbelangt. Wie sieht das bei solchen menschen aus, die kaum mehr arbeiten können, gibt es da wirklich Unterstützung vom Staat ?

  • Alexej Buergin sagt:

    1) Behinderte Leute, zB Kriegsveteranen, die ein Bein verloren haben, bekommen einen Scooter zur Verfügung. In der Migros nicht.
    2) Bei Reklamationen wird alles anstandslos zurückgenommen.
    3) Obwohl Walmart kein Beef-Spezialist ist, ist das Fleisch dort besser als das von der Migros.
    4) Die Preise bei Walmart sind garantiert die tiefsten.
    Für die Kunden ist Walmart eine gute Sache.

  • Pascal sagt:

    Mir tut der Mann leid. Ich glaube, es ist nicht leicht, wenn man seinen Essensdrang nicht mehr recht kontrollieren kann. Das Sozialleben reduziert sich bei einer solchen Übergewichtigkeit wahrscheinlich auch massiv. Arbeiten ist wahrscheinlich auch fast unmöglich. Einsam, wenig Geld, kaum Bewegung. Das wäre für mich die Hölle.

  • radiesli sagt:

    Die Ironie Herrn Kilians verdient einen liebevollen, augenzwinkernden, goldenen Gartenzwerg.
    Vielen Dank für diesen witzigen Artikel aus der Rubrik „Unfälle und Verbrechen, Abt. Eigentore u.ä.“

  • Martin Steiner sagt:

    Es ist mir nicht ganz klar, worauf dieser Artikel hinauswill. Im Wesentlichen beschreibt er einen Ladendiebstahl, mehr nicht. Diesen Vorfall nimmt der Autor zum Anlass, das Klischee der Amerikaner in Europa zu zementieren. Nach mehrern Jahren in den USA ist mir allerdings augefallen, dass der Unterschied, was fettleibige Menschen betrifft, zwischen der Schweiz und der USA nicht mehr so gross ist.
    Die Elektroscooter werden übrigens sehr oft auch von Menschen gebraucht welche andere Beschwerden haben, verletzt sind oder generell von älteren Leuten. Am Anfang etwas bizarr anmutend, ist die Idee gar nicht mal so schlecht.

    • Kurt Nocebo sagt:

      WHO-Zahlen:

      CH: 29.1 % leicht übergewichtig, 8.2 % stark übergewichtig.
      USA: 32.2 % leicht übergewichtig, 33.9 % stark übergewichtig.

      Ein Klischee, kein grosser Unterschied… ja genau.

  • Röbi Spiess sagt:

    Das muss ich mir merken. Filet oder Entrecote sind in CH sehr teuer geworden. Und mit meinen knapp über 70 kg Lebendgewicht hätten schon noch ein paar Stücke unter meinem Scooter-Sitz Platz. Damit entfiele zu Hause sogar das Weichklopfen mit dem Holzhammer.

  • Ursula Haass sagt:

    Es ist doch bekannt, dass man längst nicht alles, was von den USA kommt, nachmachen soll. Aber leider – die (vielen) schlechten Dinge von dort werden immer zuerst nachgeäfft! Die wie die Pilze aus dem Boden schiessenden Fastfood-Ketten hier in Europa – und leider auch in CH – lassen die Bürger/innen immer dicker und kränker werden. Und die Krankenkassen-Beiträge werden für alle – auch für die schlankeren – immer höher.

    • Albert sagt:

      Sie wissen aber schon, dass es die langlebigen schlanken Nichtraucher sind, die die KK am meisten belasten? Bereits jetzt werden rund zwei Drittel der KK-Kosten von den über 70-Jährigen verursacht. Googeln Sie bitte nach „Bilthoven-Studie Gesundheitskosten“.

    • Dario sagt:

      Liebe Frau Hess: Es stimmt, dass das Amerikanische Essen nicht das Gesundeste ist (ich habe selbst in den USA gelebt), doch ehrlich gesagt lässt sich das vom typischen Durchschnittsschweizer-Essen auch nicht behaupten. Das fällt mir nun noch viel mehr auf, seit ich eine Partnerin aus Ostasien habe. All diese Pasta, das ganze Weissbrot, die Fleischschollen, der Käse, der Rahm, die Butter, die Würste, nicht zu schweigen von all dem Salz im westlichen Essen und dem Fakt, dass insbesondere das währschafte Schweizer Essen immer sehr schwer aufliegt. Nehmen Sie da im Vergleich z.B. das Koreanische Gericht Bibimbab. Ein leichter und leckerer Mix aus Reis, ganz kleinen Fleischstückchen und vor allem vielen, verschiedenen gedämpften Gemüsen, Wurzeln und Sprossen. Hinzu kommt, dass man sich als Europäer, der sich gesund ernähren will mit langweiligem Zeugs wie Salat abgeben muss. Nicht nur erhält Salat keinerlei wertvollen Stoffe (Vitamine, Eisen etc.), sondern man kommt sich dabei auch noch vor wie eine Kuh auf der Weide. Beim Asiatischen Essen ist das anders. Da geht gesund und lecker super zusammen. Vielleicht auch deshalb habe ich in einem Jahr Korea 11 Kilo abgenommen. Verstehen Sie mich nicht falsch. Auch ich mag ab und zu eine gute Bratwurst mit Rösti. Aber ich reklamiere ja nicht über ungesundes Essen.

  • magerius sagt:

    Nur noch Krank.

  • Eduard J. Belser sagt:

    Einmal mehr bestätigt sich der Ruf der Verunreinigten Staaten von Amer(d)ika, als «Land des unbegrenzten. Wahnsinns». Uns Europäern sollte das einmal mehr eine Wahrnung sein, alles was dort drüben ausgeheckt wird, kritisch zu hinterfragen, bevor wir meinen, wir müssten es nachäffen oder kaufen. Wir sollten uns auch mit allen Kräften für unsre besseren Vorschriften zur Lebensmittelsicherheit wehren, damit diesse nicht einem Globalisierungswahn geopfert werden. Wenn ich in einer Metzgerei mit Hormonen und Antibiotika hochgepushtes US-Beef sehe, kann ich mir jeweils die Frage nicht verkneifen, welche BH-Körbchengrösse ich brauchen würde, wenn ich diesen Dreck essen würde.

    • Alexej Buergin sagt:

      Ich würde Ihre Frage gerne beantworten, wenn Sie mir sagen, welche Körbchengrösse Sie jetzt bereits tragen.

      • Wolfgang Imhof sagt:

        Genau, lieber bei „Carna Grischuna“ einkaufen! Wer selber im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen um sich werfen …

  • Hans Früh sagt:

    Mich nimmt schon lange Wunder, wovon diese zentnerschweren Leute im Mutterland der freien Marktwirtschaft und Konkurrenz leben.

    • Alexej Buergin sagt:

      Wenn es bloss ein Schweizer Zentner ist (in Deutschland ein Doppelzentner), kann man durchaus noch arbeiten. Wenn es aber mehrere Zentner sind, dann muss man von den Sozialleistungen leben.
      Ist es nicht ironisch, dass Boeing Flugzeuge mit schmaleren Sitzen baut als Airbus?

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