200-mal täglich von Überwachungskameras erfasst


Nirgends ist das Fotografieren an so vielen Orten verboten wie im Fotoland Japan. In Hallenbädern zum Beispiel: Wer einen Schnappschuss von seiner Kleinen machen möchte, wie sie ihre ersten Züge schwimmt, den umstellen sofort zwei, drei Bademeister. Begründet wird das Verbot mit der Privatsphäre der anderen Badenden.

Man könnte ja… Vor einigen Jahren spukten Geschichten durch Japans Boulevardpresse, ein Kameraunternehmen habe Objektive entwickelt, mit denen man durch Badeanzüge hindurch fotografieren könne. Die Sache wurde so ernst, dass der japanische Schwimmverband ankündigte, er habe seinen Athletinnen spezielle Schwimmanzüge herstellen lassen, die nicht von Kameras durchdrungen würden. Dennoch müssen Eltern seither auch für Kinder-Schwimmwettkämpfe eine Foto-Erlaubnis beantragen.

Andrerseits werden wohl nirgends so viele Selfies gemacht wie in Japan. Auf der Strasse, im Zug (wo es eigentlich nicht erlaubt ist) und abends in der Kneipe sowieso. Viele Japaner – wie auch Chinesen und Koreaner – fotografieren jede Mahlzeit, bevor sie zu essen beginnen. Eine neue Art Tischgebet. Das Bild laden sie auf Facebook hoch.

Japan pflegt einen sonderbaren Umgang mit der Privatsphäre. Einerseits wird sie überall mit Verboten geschützt. Andererseits muss man dem Staat und vielen Firmen für banale Amtsvorgänge alle Personalien angeben. In Japans Städten stehen Millionen Überwachungskameras, sogar in Liften und Taxis. Die durchschnittliche Hausfrau mit Teilzeitjob, so eine Studie, wird 150- bis 200-mal pro Tag von diesen Kameras registriert.

Als Edward Snowden voriges Jahr eine Welle der weltweiten Entrüstung auslöste, behauptete die Regierung, Japan sei nicht betroffen. Obwohl fast gleichzeitig bekannt wurde, dass die Bahnen nicht nur die persönlichen und Reise-Daten aller Passagiere sammeln, die mit ihren elektronischen Zahlkarten Zug fahren, sondern diese Daten auch weiterverkaufen.

Wird jemand verhaftet, dann veröffentlichen die Medien Name, Adresse, Alter und Bild des Verdächtigen, als gebe es keine Unschuldsvermutung. Selbst die Opfer von Verbrechern und ihre Angehörigen werden so durch die Medien gezerrt. Für sie gilt der Schutz der Privatsphäre nicht.

Das nationale Institut für Kommunikation wollte im Frühjahr im Bahnhof von Osaka ein Video-Tracking einführen: Mit 90 Kameras, die an einem Computer mit Gesichtserkennungs-Software hängen, sollten die Wege der Passanten studiert werden. Angeblich wollte man damit einen Evakuationsplan ausarbeiten. Proteste stoppten den Versuch – vorerst. Doch dann wurde bekannt, dass die Optik-Firma Omron im Auftrag der Bahn anderswo seit Jahren solche Überwachungen durchführt.

In Japan schützt der Staat die Bürger davor, ungefragt fotografiert zu werden, besonders im Hallenbad und von Kameras, die angeblich durch die Schwimmanzüge sehen. Zugleich arbeiten Staat und Wirtschaft daran, alle Bürger möglichst nackt zu erfassen.

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4 Kommentare zu «200-mal täglich von Überwachungskameras erfasst»

  • Marianne sagt:

    Wissen Sie was. Diejenigen die die Technik erfunden haben fürchte sich nun am meisten davor IRRE: Selbst Neid interpretieren sie vollkommen falsch. Auf Betrüger die Menschen abzocken ist man nicht neidisch.

  • Charles Neuer sagt:

    Aus dem Text geht nicht hervor, wie Neidhart auf diesen abstrusen Schlusssatz kommt: “ Zugleich arbeiten Staat und Wirtschaft daran, alle Bürger möglichst nackt zu erfassen.“

  • Sportpapi sagt:

    Als ob man in der Schweiz heute noch im Hallen- oder Freibad fotografieren dürfte. Das hat auch mein Vater gemerkt, als er den ersten Sprung seines Enkels vom Sprungbrett aufnehmen wollte (und weit und breit kein anderes Kind vor der Linse). Nichts ist mehr unmöglich, auch bei uns nicht.

    • Carlotta sagt:

      Ihr Vater könnte das Foto seines Enkels ins Netz stellen, so er das überhaupt kann, sodann könnten sich Pädophile den Penis unter dem Badehöschen vorstellen und sich daran ergötzen. Wehret den Anfängen! 😉

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