In der Höhle der Ledernacken

Alle reden von Cloud Computing. Damit sind Rechnerwolken gemeint, auf denen üppige Speicher zur Aufbewahrung von Fotos, Musik, Software und überhaupt allem stehen, was zu Hause nicht mehr untergebracht werden kann. Weil es nämlich die Festplatten privater Haushalte glatt sprengen würde. In diesen Lagerhäusern befinden sich extrem hohe Metallregale: Links vom Eingang werden gemeinhin Nullen gelagert, rechts davon Einser. Sogenannte Algorithmen-Cowboys holen Nullen und Einser mit riesigen Gabelstaplern aus den Regalen.

Allerdings ist dieses Konzept schon wieder veraltet. Neuerdings setzt man vermehrt auf traditionelle Lagerhäuser aus Backstein oder sogar auf ausgedehnte Höhlen, in denen neben Software allerhand Plunder, Nippes und Tand verstaut werden kann. Zum Beispiel 450 Kampfpanzer und Militärfahrzeuge. Sowie 350 Container mit sonstiger Ausrüstung: Haubitzen, amphibische Landungsfahrzeuge, Tieflader, Notrationen und dergleichen – also ziemlich alles, was das Herz eines Generals hüpfen lässt.

Solches Zeug wird dieser Tage – das genaue Datum ist geheim! – mit dem amerikanischen Frachter Dewayne T. Williams in der Region Trøndelag in Norwegen angeliefert. Es gehört den Marines. Jawohl, den Ledernacken! «Die Ausrüstung wird entladen und in norwegischen Höhlen gelagert, während alte Ausrüstung aus den Höhlen entfernt, auf das Schiff gebracht und zurück nach Blount Island in Florida transportiert wird», beschreibt eine gewisse Lauren Schulz den Vorgang. Sie ist eine Sprecherin der Marines im Rang eines Majors.

Doch jetzt wird es interessant: Das alte Material vergammelte natürlich seit Jahrzehnten in dieser Höhle in Trøndelag, bis die Marines im vergangenen Februar mal nachschauten. Sie brauchten den Krempel dringend für ein Manöver namens «Kalte Antwort». Kann man sich problemlos vorstellen: Norwegen im Februar! Kalte Antwort, Baby! Jedenfalls reisten die Marines an und öffneten das Tor zur Höhle. Wahrscheinlich schlug ihnen ein Schwall grässlicher Luft entgegen, ja ein olfaktorisches Ereignis von solcher Wucht überfiel die Ledernacken, dass sie das Tor schleunigst wieder verriegelten. Oder auch nicht.

Sobald sie die Höhle gestürmt hatten, wie es sich für Marines gehört, zeigte sich wahrscheinlich, wie intensiv der Zahn der Zeit an der Ausrüstung genagt hatte: Aus den Reifen der Jeeps war die Luft entwichen, Schimmel bedeckte die Notrationen, Spinnweben wehten überall. Auch waren die Batterien der Panzer gewiss völlig leer, worauf diese angeschoben werden mussten. Sobald fünf Stundenkilometer erreicht waren, legten die Fahrer den ersten Gang ein und brachten den Motor zum Stottern. Schon mal einen Panzer angeschoben? Das ist nichts für schwache Naturen!

Danach reinigten die Marines Sitze und Scheiben, leerten die Aschenbecher, ölten die eingerosteten Kanonen und flickten mürbe Ponchos. Und gewiss kabelten sie nach Washington, dass der Schrott aus der Ära Frankie Vallis und Vico Torrianis und Bobby Darins obsolet sei. Worauf wahrscheinlich beschlossen wurde, den Abfall aus der Höhle in Trøndelag zu entsorgen und durch unverschimmeltes Material zu ersetzen.

Wozu das Zeug gebraucht wird, ist selbstverständlich geheim. Aber womöglich möchten die Marines nach einem aggressiven amphibischen Landemanöver in Norwegen einen amerikanischen Brückenkopf in Europa bilden, falls die Europäer mal wieder durchdrehen. Vielleicht wollen die Militärs auch aus purem Neid und nur mal so Panzer in Höhlen einlagern wie die Franzosen Champagner und Käse. Womöglich wird das Gerät sogar sorgsam mariniert. Nach ein paar Jahrzehnten ist jede Haubitze zart. Nein? Vielleicht doch!

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5 Kommentare zu «In der Höhle der Ledernacken»

  • bruno bänninger sagt:

    Wieder ein gefundenes Fressen für alle USA-Basher.
    Und wenn’s irgendwo auf der Welt brennt, rufen alle nach Hilfe.
    Die USA kamen immer und kommen immer und helfen, wen den sonst?

  • Anh Toan sagt:

    Irgendwie sind mir die gabelstapelnden Algorithmen Cowboys sympathischer als die panzeranschieben Lendernacken, aber letzlich ist ein paarhundert Panzer und Humvees in einer Höhle verotten zu lassen, etwas vom sinnvollsten, was man damit tun kann. Und das gilt wohl auch für Notrationen. In diesem Sinne sollten wir die Ledernacken bei Ihrer sinnvollen Tätigkeit nicht weiter stören, lasst sie das Zeugs vergraben, zusehen wie es verottet, und wieder neues vergraben und verotten lassen.

  • Rolf Bombach sagt:

    Der bestens organisierten Schweizerischen Militärarmee könnte es nie nicht nimmer passieren, dass unentdeckt irgendwelches Material in Stollen vor sich hin rottet.

  • Peter Vanderbilt sagt:

    [Wozu das Zeug gebraucht wird, ist selbstverständlich geheim] Gar kein Geheim, damit Rüstungsfirmen wie Lockheat and Co eine gesicherten Absatz haben. Dies ist ein Konstrukt der Plutokraten der Geldvermehrung , auf Kosten der Amerikanische Steuerzahler.

  • Martin Johansson sagt:

    Da werden die Ledernacken wohl weniger an durchdrehende Europäer als an die Expansionsgelüste einer anderen Grossmacht gedacht haben. Vielleicht liesse sich so schneller eine Nordwestfront aufstellen? Der Kalte Krieg war wohl nie ganz weg, und man bekommt immer wieder den Eindruck, dass gewisse Ordenträger das damalige militärische Imponiergehabe und Säbelrasseln vermissen…

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