Japans Geschäft mit dem Tod
Die Umsätze in Japan steigen, die Preise auch. Besonders die Immobilienpreise. Dabei greift «Abenomics» nicht, obwohl Premier Shinzo Abe die Wirtschaft ständig gesundzureden sucht. Nur eine Branche boomt – und boomte schon, bevor die Notenbank mit ihrer lockeren Geldpolitik den Yen de facto abwertete. Und Abe Strukturreformen versprach, die einzulösen er nie die Absicht hatte. Die japanische Beerdigungsindustrie ist eine Wachstumsbranche. Sie macht etwa 13 Milliarden Franken Umsatz pro Jahr; und jährlich mehr. Und erwirtschaftet satte Gewinne, obwohl sie von Abenomics nicht profitiert.
Wie alles in Japan ist auch der Tod streng choreografiert. Und finanziell sehr aufwendig. Eine durchschnittliche Beerdigung kostet etwa 25’000 Franken: ohne Grabplatz. In diesem Land mit zwei parallelen Religionen, die im Alltag allerdings nur marginale Rollen spielen, ist der Buddhismus für Tragisches wie Beerdigungen zuständig. Die Shinto-Religion scheut den Tod, sie kümmert sich lieber um das Feiern einer Geburt, das Grösserwerden der Kinder und um Hochzeiten.
Fast alle Japaner lassen sich kremieren. Das geschieht während der Trauerfeier. Am Ende müssen die Angehörigen die Knochen des Toten mit Stäbchen aus der Asche klauben und in seine Urne legen, zuerst die Fussknochen, zuletzt die Reste des Schädels. Die Urne nehmen die meisten Leute mit nach Hause, ein Grab können sie sich nicht leisten.
Die Preise für Grabplätze steigen stetig, in Tokio kostet ein normales Grab etwa 3 Millionen Yen, 34’000 Franken. Die teuersten bis 150’000 Franken. Dazu kommt der Grabstein für 10’000 Franken. Und Gebühren für die Grabpflege. Manche Tote werden deshalb in Vororten beerdigt, je weiter weg von der Stadt, desto günstiger. Aber dort würden die Kinder sie nie besuchen, grämen sich viele Alte, wenn sie ihre Abdankung vor dem Tod selber vorbereiten. Deshalb entscheiden sich viele Japaner, die Urne ihrer Eltern mit nach Hause zu nehmen, dort kommt sie auf dem Hausaltar zu stehen.
Vorbereitet werden will des Weiteren der Abschied aus der virtuellen Welt, die auch für alte Leute immer mehr zur primären Welt wird. Seit kurzem bietet Yahoo Japan seinen Kunden ein Set letzter Dienste an, mit dem sinnigen Namen «Yahoo Ending». Wenn man stirbt, verschickt der Internetanbieter automatisch Todesanzeigen und Videobotschaften an die Hinterbliebenen. In Zusammenarbeit mit einem Beerdigungsunternehmer hat Yahoo sogar reale Abdankungen im Angebot. Wachstumsmärkte zeichnen sich auch dadurch aus, dass branchenfremde Unternehmen einsteigen.
Derweil expandiert die Beerdigungsbranche in neue Märkte. Neuerdings bietet sie Tierabdankungen an. Ein jüngst beschlossenes Gesetz unterstützt sie dabei: Es verlangt von den Tierhaltern eine «korrekte und hygienische» Behandlung der Tierleichen. Fast 1000 spezialisierte Beerdigungsunternehmen haben «individuelle Kremationen» für den geliebten Vierbeiner im Sortiment.
Ein Kommentar zu «Japans Geschäft mit dem Tod»
Alle seine Artikel äusserst interessant und lehrreich. Hoffentilich kommt Christoph nach seiner Pension wieder nach Basel. Das dürfte ja auch nicht mehr allzu lange dauern. Herzliche Grüsse Peter