Auf den Spuren von Johnny Depp

Heute mal ganz woanders: in der Tradition amerikanischer Celebritys eine Reise nach Frankreich gemacht! Dort erlebten bereits Thomas Jefferson und Benjamin Franklin, Josephine Baker und Hemingway, Richard Wright, James Baldwin und Johnny Depp auf der Suche nach der verlorenen Zeit allerhand Wunderliches.

Nicht nur besticht Frankreich als weitgehend schusswaffenfreie Zone, wo nur selten Schüler oder wutentbrannte Nachbarn aufeinander anlegen. Als Amerikaner geht man wie einst Gene Kelly dorthin, um zu tanzen und Leslie Caron zu treffen. Oder um zu essen, an einem weiss gedeckten Tisch, der es einem übel nimmt, wenn versehentlich ein Kübel BBQ-Sauce darüber ausgegossen wird.

In Frankreich, sagte Johnny Depp, der sich dank seiner verflossenen Liebe zu Vanessa Paradis auskennt, «wissen die Leute, wie man lebt». In Amerika hätten sie das vergessen. Da ist was dran. Andererseits aber sagte George W. Bush, das «Problem mit den Franzosen» sei, dass sie «kein Wort für Entrepreneur» hätten. Er soll das seinem britischen Pudel anvertraut haben, verbürgt aber ist nichts. Jedenfalls gibt es kein Silicon Valley. Dafür aber das Loire Valley. Dort wächst Sancerre statt Google.

Wenngleich sie doch einen Bill Clinton haben. Er heisst François Hollande. Seine Eroberungen sind attraktiver als diejenigen von Clinton. Obwohl er teigig daherkommt und in Amerika nicht als Sexmagnet gelten könnte. Aber wahrscheinlich ist er höchst charmant. Wie fast alle Leute in Frankreich.

Weniger charmant ist allerdings, dass es untrügliche Zeichen einer amerikanischen Überfremdung gibt, weshalb den Ferien eine exotische Note fehlt. Wi-Fi heisst eigentlich: «Access sans fil à l’internet». Aber alle sagen «Wi-Fi». Sie sagen auch «Le Week-end». Überhaupt grüsst Amerika überall. An einem Laden steht: «Le Full-time». Wie bitte? Auch gibt es eine Kette, die sich «French Coffee Shop» nennt. Da kann man ja gleich zu Hause bleiben, nicht wahr! Zumal überall McDonald’s kocht. Nur in Amerika gibt es mehr McDonald’s als in Frankreich. Allerdings verweilen die Leute länger in den französischen Filialen. Sie sind sauberer als die amerikanischen und wirken deshalb nicht wie eine Deponie verwelkter Speisereste.

Die französischen McDonald’s servieren neben McBaguettes auch «Freiheits-Fritten». So werden Pommes frites von amerikanischen Konservativen genannt, seit sich die Franzosen weigerten, mit Bush nach Bagdad zu marschieren. Allerdings scheint das viele Essen bei McDonald’s zusammen mit reichlich verwendeter Butter sowie unerhörten Sahneportionen die kollektive Pumpe zu belasten: Man stösst sogar in Dörfern auf öffentliche Defibrillatoren. Einfach so neben dem Rathaus! Ein Infarkt – und schon naht der rettende Stromstoss.

Daheim wäre das unvorstellbar: Es würde von der Tea Party als Verschwendung von Steuergeldern gebrandmarkt und überhaupt als unverschämte Intervention des Staats gegen die Freiheit zu sterben. Trotz ihrer Cholesterinorgien und Patisserien sind die Franzosen aber nicht so fett wie die Amerikaner. Sie können sich daher kleinere Autos leisten und kleinere Häuser und brauchen weniger Stoff zum Einkleiden. Viele amerikanische Grössen wie etwa XXXXL gibt es nicht in Frankreich.

Erschreckend sind hingegen die Austernpreise: sechs für elfeinhalb Euro! In Apalachicola in Florida gibt es ein Dutzend für fünf Dollar. Vielleicht stimmt ja noch immer, was der französische Auswanderer Michel-Guillaume Jean de Crèvecoeur schon 1782 über Amerika schrieb: Dort gebe es «keine Herren, für die wir schuften, verhungern und verbluten». Aber wahrscheinlich hat sich das auch in Frankreich inzwischen erledigt.

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5 Kommentare zu «Auf den Spuren von Johnny Depp»

  • Rémy sagt:

    Bei den 12 oysters kommen noch mindestens 20% tip dazu, die 6 huitres sind „service compris“…okay 1-2- euro „pourboire“ kann man liegen lassen…

  • Patrick Oustin sagt:

    „Die Franzosen haben kein Wort für entrepreneur* ? Das Wort kommt aus dem Französischen. Entreprendre = unternehmen. Entrepreneur = Unternehmer. Nur sprechen es die Franzosen auch richtig aus.

    • adam gretener sagt:

      Manchen Leuten muss man einen Joke auf die Nase binden, ihn schälen und dann noch mit einer Fussnote erklären.

    • Joerg Hanspeter sagt:

      @Patrick Oustin: Danke, ohne Ihre Erklärung hätte ich jetzt den Witz nicht verstanden und die ganze Nach wachgelegen 😉

  • Goran sagt:

    Vive la difference !

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