Die Berge sollen helfen
Japan hat einen neuen Feiertag: den Tag der Berge. Das Parlament beschloss ihn vor kurzem und legte ihn auf den 11. August. Der japanische Alpenclub habe ihn gefordert, hiess es, schliesslich gebe es auch einen Tag des Meeres. Und nach der Shinto-Religion seien nicht nur die See, sondern auch die Gipfel beseelt.
Der Tag der Berge gebe den Japanern «Gelegenheit, sich mit den Bergen vertraut zu machen und ihren Segen schätzen zu lernen», heisst es im Gesetzesbeschluss.
70 Prozent Nippons ist bergig, viele Japaner wandern gerne (allerdings manche mit dem Auto). Mit dem Rennrad erreicht man sogar von Tokio 1400 Meter hohe Pässe – von Meereshöhe aus. Die besten Skigebiete bieten Pulverschnee bis Ende März. Wer Lust auf Berge hat, kennt sie längst. Die restlichen Japaner vermögen die Berge auch mit einem eigenen Tag nicht vom Fernseher wegzulocken.
Die wahren Motive für den neuen Feiertag, den 16. im japanischen Kalender, verschweigt das Gesetz. In der Zeit des rasanten Wirtschaftswachstums hatten die Japaner kaum freie Tage. Sie sollten arbeiten. Sie hatten auch kaum Ferien – und nahmen die wenigen Urlaubstage, die ihnen zustanden, meist nicht einmal; jedenfalls nicht alle. Das ist bis heute so. Man geht auch abends nicht nach Hause, wenn die Arbeit getan ist, sondern wartet, bis der Chef geht. Hat der Chef zu Hause Ärger – das haben viele japanische Männer im Chef-Alter (weibliche Chefs gibt es kaum) – und bleibt deshalb länger, dann bleibt halt die ganze Abteilung länger. Nur: Wer im Büro sitzt, gibt kein Geld aus. In den Boom-Jahren war das ganz im Sinne der Regierung. Heute jedoch bekniet sie die Japaner, mehr zu konsumieren, um die Wirtschaft anzukurbeln. Doch den einen fehlt dazu das Geld, die andern bleiben immer noch zu lange an der Arbeit.
So erfindet die Regierung halt neue Feiertage, die den Leuten Gelegenheit geben sollen, ihr Geld auszugeben. Und weil die Verfassung dem Staat, da Japan seine Aggressionen im Zweiten Weltkrieg mit dem Shintoismus rechtfertigte, religiöse Feiertage verbietet, erfindet er eben Tage wie jenen der Berge. 1948 gab es nur acht Feiertage, nun sind es 16. Der Tag der Alten und der Tag des Sports kamen schon 1966 dazu, der Tag des Meeres in der Wirtschaftskrise 1995. Diese Krise ist bis heute nicht überwunden. Jetzt sollen die Berge helfen.
Gleichwohl ist der Alpenclub nicht zufrieden: Er wollte seinen Tag im Juni; im August sei es zum Bergsteigen zu heiss. Doch Mitte August ist in vielen Regionen Nippons Obon, der buddhistische Feiertag der Ahnen. Das gibt den Japanern Gelegenheit, freie Tage zu bündeln und wegzufahren. Also Geld auszugeben.
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