Jetzt, so vermutet der Webflaneur, jetzt dürfte sich Mutter wohl die Augen reiben. Weshalb? Nun, vor wenigen Stunden war er noch bei ihr. Im Filmchen aber, das er ihr jetzt gerade geschickt hat, steht er bereits vor dem hell beleuchteten Eiffelturm. «Bonsoir Maman», ruft er in dieser Aufzeichnung. «Magnifique», sei es hier à Paris. Die Stadt sei immer eine Reise wert. Auch eine ganz spontane. «Insbesondere, seit sie so nahe liegt», fügt der Webflaneur im Filmchen noch an. Und lächelt dabei schelmisch.
Damit spielt der Webflaneur nicht auf eine neue TGV-Verbindung an. Sondern darauf, dass er getrickst hat: Er ist gar nicht in Paris. Gedreht hat er das Video stattdessen im Flur der eigenen Wohnung. Dort positionierte er das Stativ. Er montierte die Kamera darauf. Er hängte ein knallgrünes Tuch an die Wand. Er leuchtete dieses mit einer stattlichen Anzahl Lampen sauber aus. Und dann zeichnete er vor dem knallgrünen Hintergrund den Gruss an Maman auf.
Schliesslich setzte er sich an den Computer, um den Eiffelturm in die eigene Wohnung zu holen. Zuerst suchte er eine passende Standaufnahme des Monuments. Dann öffnete er das frei verfügbare Videoprogramm Openshot; vermutlich hätte er auch ein anderes Videoschnittprogramm nehmen können. Er legte den Gruss an Maman auf die eine Spur. Auf einer zweiten platzierte er den Clip mit dem Eiffelturm. Er zog den Effekt «farbbasierte Freistellung» aufs eigene Video und wählte mit der virtuellen Pipette das Knallgrün des Tuchs an. Zufrieden lehnte er sich dann zurück und liess den Computer rechnen.
Einige Tage später: Die Mutter schmunzelt. «Nach einem ersten Erstaunen bin ich dir rasch auf die Schliche gekommen», sagt sie. Die Ränder um den Kopf seien nicht ganz sauber gewesen. Etwas brennt ihr aber noch auf der Zunge. «Der Bundeshauskorrespondent in der ‹Tagesschau›», beginnt sie. Der Webflaneur winkt grinsend ab. «Nein, der steht in Wahrheit auch nicht auf dem Dach des Café Fédéral.»