Der Notfall-Rucksack

Webflaneur am Mittwoch, den 29. November 2006

Screenshot Gparted

Die Lage sei ernst, klagt die Pädagogin, es sei zum Haareraufen. Ihr brandneues Notebook starte nicht mehr. Beziehungsweise: Es starte und starte und starte und höre nicht mehr auf damit. Er starte gleich, antwortet der Webflaneur.

Bevor er sich aber auf den Drahtesel schwingt, füllt er das Notfall-Rucksäckchen mit Rettungstools: Er legt eine Ubuntu-CD hinein. Diese braucht er, falls bei Windows tatsächlich alle Fenster geschlossen bleiben. In diesem Fall wird er versuchen, Ubuntu-Linux ab CD zu starten. So sieht er – ohne an den installierten Programmen etwas zu ändern –, ob der Rechner wegen defekter Komponenten nicht auf Touren kommt oder ob der Wurm im Betriebssystem ist. Er könnte auch eine andere Linux-Zusammenstellung nehmen, die sich ab CD oder USB-Stick starten lässt, etwa Knoppix, Damn Small Linux oder Insert; in Letztere hat eine Sicherheitsfirma vom Datenrettungstool bis zum Virenscanner alles Nötige gepackt. Doch fürs Herunterladen fehlt die Zeit. Und Ubuntu kennt er bereits.

Auf einem Stapel findet der Webflaneur die Gparted-CD. Er packt sie ein. Damit kann er den Speicher auf der Festplatte in Bereiche unterteilen – etwa in einen für das Betriebssystem und in einen für Daten –, und er kann bestehende Partitionen verkleinern, vergrössern, löschen. Er kramt auch noch die Opensource-DVD hervor. Ab ihr wird er, auch ohne schnellen Internet-Zugang, nachinstallieren, wenn Wichtiges fehlt – von der Textverarbeitung bis zum Virenscanner ist alles darauf.

So ausgerüstet, fährt der Webflaneur bei der Pädagogin ein. Die kostenlosen Helferchen hat er schliesslich nicht gebraucht, denn die Lage in der Windows-Welt war nicht so ernst: Per Zufall hat er herausgefunden, woran sich das Betriebssystem so heftig verschluckt hatte – wie das passieren konnte, darüber rätselt er bis heute –: am Hintergrundbild eines idyllischen Sees.

Nicht elitär!

Webflaneur am Mittwoch, den 15. November 2006

Webflaneur ist nicht elitär!

Der Webflaneur setzt sich ein Krönchen auf, eines mit einem fetten Kreuz davor. Er zelebriert damit seine Unabhängigkeit. Er zeigt, dass er nicht käuflich ist. Und er manifestiert, dass er diesem Verein nicht angehört.

Doch der Reihe nach: Ende Oktober gründen die Autoren von 13 Weblogs den Verein Swissblogpress, mit dabei sind auch die Berner Blogger Leumund (Claim: «Seit 1538 Tagen die ganze Wahrheit»), Starfrosch («Download Music») und die Autoren der Berner Gazette («unabhängig und trivial»). Ziel des Vereins sei es, die Mitglieder bei der «Professionalisierung ihrer publizistischen Tätigkeit» zu unterstützen. Im Klartext: Sie sollen Wissen austauschen und Antworten auf Rechtsfragen anfordern können. Sie sollen ihre Leserzahlen beglaubigen lassen, um dereinst gemeinsam auf dem Inseratemarkt auftreten zu können. So weit, so gut.

Doch dann geben die Vereinsmeier der Pendlerzeitung Heute zu Protokoll, bei den 13 Mitgliedern handle es sich um die Elite der Blogger. Einigen anderen platzen die Kragen. Pax demontiert das Interview und bastelt das Krönchen. Bugsierer zeichnet den Weg des Vereins von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen nach. Chm bezeichnet das Konzept, das er bereits im Vorfeld ungesichert auf einem Zentralrechner entdeckt hat, als unsympathisch. Und Matthias Gutfeldt fordert die «Elite» auf, sich am monatlichen Berner Treffen mit «dem einfachen Volk» an einen Tisch zu setzen und «echte Informationen» statt «Blahfasel» zu liefern. Mitinitiant Christian reist tatsächlich ans Treffen, um die Wogen zu glätten.

Trotzdem setzen sich weitere Blogger ein «nicht elitär»-Krönchen auf. Das tut auch der Webflaneur, aber nur zum Gaudi während eines Tages. Er will es mit den Qualitätsbloggern nicht verderben. Denn vielleicht engagieren diese ihn mal für eine Fortbildung. Seine aktuellen Kursangebote: effiziente Öffentlichkeitsarbeit und, speziell für einzelne Mitglieder, elementare Kommaregeln.

Pimp up the Firefox

Webflaneur am Mittwoch, den 1. November 2006

Der Doktorand hebt das Glas. «Lass uns auf Ubuntu und Firefox 2 anstossen», sagt er. Der Webflaneur prostet ihm zu. Die beiden treffen sich halbjährlich, immer wenn ihr Ubuntu-Linux neu erscheint. Dieses Mal hat Mozilla fast gleichzeitig die Version 2 des Browsers Firefox freigelassen. «Apropos Firefox», sagt der Doktorand, «kennst du die Erweiterung ScrapBook?» Er schwärmt, dass er damit Webseiten auf seinem Notebook speichern und sie im Zug lesen könne.

Zuhause wühlt der Webflaneur in Tausenden von Firefox-Erweiterungen. «FoxyTunes» macht den Browser zum Musikplayer. «Jajah» spart Telefongebühren. «Foxmarks» gleicht die Lesezeichen von Büro- und privatem Rechner ab. «Forecastfox» blendet Wetterprognosen ein. Doch welche Erweiterungen sind besonders gut? Der Webflaneur fragt die «Buddies» im Chat.

19.36 Uhr, der Wirtschaftsstudent taucht auf: «Warum Firefox?» «Darum. 🙂 Weil ich tonnenweise Erweiterungen habe, die im Internet-Alltag behilflich sind. Schicke dir eine Liste. Wichtig sind BugMeNot, AdBlock, TabClicking Options, DownThemAll.»

19.48 Uhr, der Blogger ist im Publikationsstress: «Erweiterungen?» «Ja. Ups, heissen nun Addons.» «Firefox 2?» «Ju. CoComment, StumbleUpon, WebDeveloper, FireBug.» «Merci.» «Im Menü nennen sie Addons wieder Erweiterungen.» «Ein Gebastel, diese freie Software… :-)» «Ju, wie kann man nur.»

19.34 Uhr, die Studentin schreibt sich ein: «Benutzen Sie Firefox, Frau Studentin?» «Ja, Herr Webflaneur, immer öfters. Darf ich mir erlauben zu fragen, was Sie sich von der Umfrage versprechen?» «Hier frage ich! Signifikante Resultate natürlich. Erweiterungen?» «Möglich.» «Diese Option steht nicht im Codebuch.» «Was sind Erweiterungen? AllPeers?» «Genau, sonst keine? Sind sie Ihnen zu teuer?» «Die sind gratis, Herr ‹Opensource› Webflaneur.»

20.48 Uhr, der Jurist: «Firefox?» «Ja, 1.5, falls du es genau wissen willst.» «Extensions?» «Nein, meiner ist lang genug…» «Hmm.» «Kein müdes Lächeln? Klar, viele, darunter Linkification, Greasemonkey, TabMix.» «Du bürdest Füchschen viel auf.» «Ja, aber der schafft das!»

21.03 Uhr, die Lehrerin: «Firefox?» «Was isch das?» «Mir isch schleierhaft, wie dini Adrässe id Wettbewärbsurne söll cho. :-)» «Ha nid bestande… Das mit dr Umfrag isch aber dini Idee gsi!» «Mit was sörfsch?» «Bruuche Safari.» «I ga o mau. Witer zu Zile 57: Merci für d’Antworte. D’Adrässe chunnt i d’Wettbewärbsurne. Die vergrabi de irgendwenn irgendwo.» «Hallo! So fägts nid! Frag wyter! Fühle mi usgschlosse!»

Der Webflaneur fragt weiter. Dreierlei kapiert er an diesem Abend: Auch sein Firefox braucht Erweiterungen. Fast all seine Chatpartner surfen mit diesem Browser. Und: Beim Chatten kann man das Schreiben glatt vergessen.

Zu Gast bei Fremden

Webflaneur am Mittwoch, den 18. Oktober 2006

Screenshot Hospitalityclub.org

Die Lettin wirbelt durch die Wohnung und wirbt für ihre Tortillas. Der Webflaneur lehnt dankend ab, denn er kaut an Zopf und Käse. Die Gastgeberin drängelt vorbei. In der Tür stehen Neuankömmlinge – Unbekannte, wie alle anderen auch. Trotzdem haben die Gäste viel Gemeinsames: Sie reisen gerne. Sie steigen eher bei Fremden ab als in anonymen Hotels oder in Herbergen voller Touristen. Und einige zeigen Fremden gerne ihr Zuhause. Deshalb sind sie dem Hospitalityclub beigetreten oder haben sich fürs Couchsurfing eingeschrieben. Sie sind ans Fest nach Bern gekommen, um Erlebnisse auszutauschen, die Zürcherin im Zug, der Lausanner mit dem Auto, der Basler per Autostopp – «trotz der Mutter, die mir Reka-Checks für die Bahn zustecken wollte».

Er habe stets zuvorkommende Gäste gehabt, erzählt der Südamerikaner, der in der Region arbeitet und wohnt. Die ältere Bernerin hingegen hat noch niemanden beherbergt; sie ist das jüngste Mitglied im Club. Die ersten Gäste kämen diese Woche, sagt die Oberländerin. «Meine Eltern sind schon ganz aus dem Häuschen.» Er steige nie in Herbergen ab, sagt der Basler. Und die Lettin erörtert Strategien, wenn sich erwähnte Gästezimmer spät abends plötzlich in Luft auflösen: «Schlafsack schliessen, zur Seite drehen, gute Nacht wünschen, schlafend stellen».

Pauschal zu reisen liege ihr fern, sagt die Stadtbernerin. Sie steige selten in Züge und Busse. Einfach Daumen raus und los: So habe sie spannende Menschen getroffen. Als sie durch die Staaten getrampt sei, habe sie ab und zu Fahrzeuge für Autodriveaway herumgekarrt – und sich damit. Und als sie Meilen für ihren Hochseeschein bolzen musste, habe sie online auf Tradewindhitchers angeheuert.

So erzählen die eben noch Unbekannten. Erst spät am Morgen früh macht sich der Webflaneur auf den Heimweg. Und unterwegs schmiedet er bereits neue Reisepläne.

Für auf den Weg: “Zu Gast bei Fremden” als Podcast.

Das Zwiegespräch *

Webflaneur am Dienstag, den 17. Oktober 2006

Der Berner Zeitungsblogger ist ganz aus dem Häuschen. «Ich kriege einen kleinen Eugen», frohlockt er und hüpft durchs Büro. «Pssst, sei still», zischt ihm Redaktor Mathias zu. Als sie später alleine im Büro sind, hält dieser ihm eine Standpauke: «Wie oft habe ich dir eingeschärft, dass du dich nicht zeigen darfst?», massregelt Mathias den Zeitungsblogger. Für seine Kollegen sei er eine fiktive Figur. «Im Übrigen kriegst nicht du diesen Eugen, sondern ich für das, was ich geschrieben habe – über dich.»

Der Zeitungsblogger ist ganz geknickt. Er habe die «Weblog»-Kolumne immer für ein gemeinsames Werk gehalten, sagt er. Und dann fügt er trotzig hinzu: «Aber offenbar brauchst du mich jetzt nicht mehr.» So habe er es nicht gemeint, versucht Mathias die Wogen zu glätten. Er erinnere sich gerne an all die Abenteuer, die sie in den Kolumnen der letzten beiden Jahre gemeinsam erlebt hätten. Und er werde ihm ewig dankbar sein, dass er plötzlich aufgetaucht ist – damals, als der Chef ihm aufgetragen habe, den Lesern Surftipps zu geben. Zuerst habe er die Links einfach auflisten wollen. «Stell dir vor, wie langweilig das geworden wäre…» Es sei nur dank der «schier unglaublichen Abenteuer des B.Z.», dass einige Leser seine Kolumne gerne läsen.

Der Berner Zeitungsblogger errötet. Um abzulenken, fragt er, wie er denn eigentlich zur Kolumne gekommen sei. Er habe drei Jahre lang die Technikseite «e-world» gemacht, antwortet Mathias. «Und vorher?» Mathias kramt aus der Erinnerung Schülerzeitungsprojekte aus Sek- und Seminartagen in der Region Bern zu Tage, erzählt von einer Stellvertretung als Lehrer, einem Auslandjahr, dem Anfang des Studiums in Medienwissenschaften.

Doch gerade, als er vom Praktikum und der Teilzeitanstellung bei der Berner Zeitung erzählen will, schreitet Kollege Schreiber ins Büro. Mathias zuckt zusammen. «Führst du wieder Selbstgespräche?», fragt Schreiber kopfschüttelnd. Und er fügt an, als hätte er mitgelauscht: Es gebe ihn gar nicht, diesen Zeitungsblogger. «Mit über 30 Lenzen sollte man solchen Hirngespinsten entwachsen sein.» Genau, es gebe ihn gar nicht, wiederholt Mathias. Er wendet sich wieder seinem Rechner zu. Und ganz leise sagt er: «Den Zeitungsblogger gibt es nicht mehr. Fortan heisst du Webflaneur.»

* Herzlichen Dank der Bedag für die “Mention spéciale” an der Verleihung des diesjährigen Medienpreises. Der Eugen kriegt ein Ehrenplätzchen. Oben stehender Text ist mein etwas anderer Lebenslauf für die Festschrift. Und zur Feier des Tages gibts einige Kolumnen als Podcast. Hier schon mal “Das Zwiegespräch” – wie versprochen gesprochen.

Das freigelassene Buch

Webflaneur am Mittwoch, den 4. Oktober 2006

Screenshot Bookcrossing.com

Auf der Bank liegen Bücher. Der Webflaneur setzt sich hin und nimmt eines. Das Buch sei nicht etwa vergessen gegangen, liest er auf der Etikette. Es sei nicht billig «entsorgt» worden, und man solle es auch jetzt, da es da liege, nicht wegwerfen. Das Buch sei bewusst freigelassen worden. Wer es finde, dürfe es mitnehmen. Und wer mehr wissen wolle, schaue bei Bookcrossing.com vorbei.

Der Webflaneur kramt einen kleinen Band mit Erläuterungen zu «La grande peur dans la montagne» aus dem Stapel hervor und packt ihn ein – in memoriam Ramuz’ Werk, das mit fast seiner gesamten Bibliothek vor einem Jahr ertrunken ist. Wieder zuhause startet er den Rechner, surft auf die besagte Website und erfährt: Es war Dipladenia, die – oder der? – die Bücher bei der Tramhaltestelle auf der Bank deponiert hat. Bei Bookcrossers.ch liest er, wie der Tausch funktioniert: Wer ein Buch aus der Enge des Regals in die Freiheit entlassen will, registriert es online. Dabei erhält es eine «Bookcrossing-Identifikationsnummer». Diese wird auf dem Umschlag notiert. Dann wird das Buch ausgesetzt: im Wartezimmer des Arztes etwa, in einem Café oder eben an einer Tramhaltestelle. Wer das Buch findet, darf es mitnehmen. Registriert die Finderin oder der Finder den Fund auf der Website, können ehemalige Besitzer den Weg «ihres» Buches verfolgen. Und der Finder kann mit seinen «Vorlesern» darüber diskutieren. Über 500000 Leserinnen und Leser machten beim unkonventionellen Büchertausch mit, liest der Webflaneur.

Einige Wochen darauf: «Zibele» lädt per E-Mail zum Büchertausch in eine Bar. Der Webflaneur kennt weder sie noch die anderen, die sich eingeschrieben haben. Und er hat seit Jahren keinen Roman mehr gelesen; seit er es mit den «Elementarteilchen» versucht hat, lebt er im literarischen Zölibat. Er geht trotzdem hin. Denn jetzt, da wieder nach Frankfurt pilgert, wer in Sachen Literatur etwas auf sich hält, glaubt auch er mitreden können zu müssen. Auf dem Tischchen in der Bar stapeln sich die Bücher. Die Bookcrosser plaudern, diskutieren und tauschen, einen ganzen Abend lang. Was sie ihm, dem Abstinenten, empfehle, fragt der Webflaneur. Henning Mankell, antwortet «Zibele» ohne zu zögern und zieht zwei Wallander-Bände aus dem Stapel hervor. Diese stehen nun im Bücherregal des Webflaneurs – dem realen wie dem virtuellen. Das virtuelle gedenkt er in Zukunft weiter zu füllen. Nicht aber das reale: Auch der Webflaneur verschenkt nun seine gelesenen Bücher, das erste heute um 11 Uhr im Entrée der Jugendherberge in Bern. Dieses Buch hat den Webflaneur vor Jahren auf eine Amerika-Reise begleitet, trägt eine Widmung, ist von Jack Kerouac und heisst «Unterwegs».

Anhang: Das freigelassene Audiobuch.

In die Röhre gucken

Webflaneur am Mittwoch, den 20. September 2006

Screenshot Youtube.com

Der Sportsfreund fällt aus allen Wolken. «Du hast keinen Fernseher?», ruft er entgeistert aus. Er könne sich ein Leben ohne gar nicht vorstellen. «Es geht gut ohne», kontert der Webflaneur, die Flimmerkiste fehle ihm kaum. Im Übrigen wisse er nicht, wo er die Zeit fürs Glotzen hernehmen sollte. Es reiche, dass er allzu oft im Internet verhänge. Zumindest die Tagesschau müsse er sich doch ansehen, insistiert der Sportsfreund. Mit dem «Echo» und einer Zeitung sei er besser bedient, hält der Webflaneur entgegen, und ab und zu der Tages- oder Rundschau, dem Kassensturz oder dem MTW im Netz. «Ruckeliges Briefmarkenkino am Bürotisch», schnödet der Sportsfreund. Der Webflaneur gibt klein bei.

Einige Tage später bei einem Abendessen: Kollege Blogger schwärmt von einer TV-Serie. Die Tischrunde plaudert über Serien, Soaps und Stars. Der Webflaneur hält sich wohlweislich zurück – bis plötzlich einer fragt, auf welche Soap er denn stehe. Er könne da nicht so mithalten, nuschelt dieser, denn er habe eben leider kein Fernsehgerät zuhause. «Ach, ich habe auch keines», sagt Kollege Blogger. Er gucke am Computer. «Per Adsl.tv, Netstream.com oder Zattoo.com?», fragt der Webflaneur. Nein, antwortet Kollege Blogger, er benutze den Democracy-Player. Wieder zuhause, probiert der Webflaneur den Player aus. Er abonniert sich die ARD- und ZDF-Nachrichten sowie jene der CNN. Und er schmökert in den Soaps im Kanal-Guide.

«Noch immer keinen Fernseher?», ruft der Sportsfreund aus, als er das nächste Mal in die Stube stolpert. Doch die Tirade gegen «die Kurzsichtigkeit der Fernsehverweigerer» bleibt ihm im Hals stecken: Der Webflaneur schaut fern, vor dem PC zwar, aber er schaut fern. Es sei faszinierend, was bei Youtube und ähnlichen Sites abgehe, sagt er, während er kurz aufschaut – bei Google und Yahoo! Video, Revver und neu Soapbox. Das hätten nun auch die Sendeanstalten gemerkt. Medienmogul Murdoch mache mit My Network TV einen Sender nach dem My-Space-Prinzip, mit Online-Castings für Schauspieler und so. Und NBC lanciere TV 360 mit interaktiven Gameshows. «Hey, kennst du Lonelygirl15», fragt er. Kollegen hätten von ihr gesprochen, sagt der Sportsfreund, und will wissen, in welcher Sendung das einsame Mädchen auftrete. «In keiner», sagt der Webflaneur, «beziehungsweise in der eigenen auf Youtube». Aber egal: Das Videotagebuch sei nun eh als fingiert enttarnt worden. Die Produzenten dahinter hätten aber den Trend erkannt: Heute glotze man nicht nur. Heute stelle man eigene Videos online. «Ich übrigens auch», sagt der Webflaneur und deutet auf die Kamera in der Ecke. «Lächle, nun guckst du in die Röhre.» Den Schalk in den Augen des Webflaneurs kann man von fern sehen.

Hilf mir aus der Ferne

Webflaneur am Mittwoch, den 6. September 2006

Screenshot LogMeIn.de

Sein Rechner will nicht, wie er will. Der Berner Zeitungsblogger lamentiert, experimentiert, korrigiert. Schliesslich alarmiert er seinen Freund Computercrack. Doch der sagt ab: Er sei im Ausland und am Rotieren. Der Zeitungsblogger hätschelt ihm, bis er einwilligt: Wenn er noch etwas warten könne, warte er den Rechner übers Netz, verspricht dieser dann. «Das kannst du?», fragt der Zeitungsblogger. Nun endlich wird Freund Computercrack gesprächiger. Man könne Rechner übers Internet fernsteuern, erklärt er, mit Programmen wie PC Anywhere, Laplink oder Dameware. «Die sind etwas gar teuer für eine einzelne Intervention», moniert der Zeitungsblogger. Klar, es gehe auch günstiger, doziert Freund Computercrack. Man könne mit dem Fernwartungstool von Windows herumspielen. Aber eben, dieses schlage nur die Brücke zwischen Computern mit Windows XP; auf dem Ferngesteuerten brauche es sogar die «Professional»-Version. Das kostenlose «Virtual Network Computing», VNC, sei flexibler – oder eine der Weiterentwicklungen: etwa RealVNC, TightVNC, UltraVNC, x11vnc. Mit Rdesktop steuere er vom Linux-PC die Windose der Eltern. Den Mac einer Kollegin betreue er mit OSXvnc. Und mit NX No Machine könnte er fast jede Maschine mit fast jeder fernbedienen, etwa den PC mit der Playstation. «Zugegeben, das ist nicht immer ganz simpel», sagt er nun. Der Zeitungsblogger solle sich mal einlesen. Sobald er nicht mehr am Rotieren sei, schaue er sich den Rechner an.

Der Zeitungsblogger liest – und findet eine noch einfachere Lösung. Diese probiert er bei seinen Eltern aus: Zwischen Sonntagsbraten und Dessert installiert er auf deren Windows-PC das kleine Programm, das er von Log Me In heruntergeladen hat. Sollte der Eltern Rechner mal nicht so wollen wie diese, starten sie dieses Programm. Der Zeitungsblogger loggt sich dann via Log Me In ein, klickt zweimal und steuert den Computer fern.

Auch Freund Compuercrack findet «Log me In» «einen ziemlich scharfen Dienst, der einfach funzt». Trotzdem vereinbaren er und der Zeitungsblogger Stillschweigen. Denn sie können es kaum erwarten, den Rechner der einen oder anderen Kollegin wieder mal persönlich zu warten.

Das gute Stück

Webflaneur am Mittwoch, den 23. August 2006

Screenshot iMusician.ch

Der Kellner bringt Kaffee. Noch während der Berner Zeitungsblogger das Schäumchen löffelt, kommt er zur Sache. «Wie werde ich mit meiner Musik berühmt?», fragt er. Auch er wolle seine 15 Minuten Ruhm. Und da er auch schon mal ein bisschen Musik gemacht habe, werde er sich diesen wohl erspielen können, sagt er und zwinkert Musikus zu. Dieser, ein bekannter Musikblogger, rührt langsam in seiner Tasse. Das sei kein leichtes Spiel, antwortet er. Komm schon, kontert der Zeitungsblogger, am PC produziere man günstig guten Sound – etwa mit Band in a Box, Garage Band oder Rosegarden, mit Cubase, Ableton Live oder Logic. Und dank dem Internet brauche man nicht mehr nach der Pfeife der Musikkonzerne zu tanzen, sondern vertreibe das Opus selbst. «Mach mal eine Pause», unterbricht Musikus des Zeitungsbloggers Hohelied. Mit «Garage Band» oder dessen grossen Brüdern komme man zwar erstaunlich weit. Für ein brauchbares Heimstudio werfe man aber immer noch 20’000 Franken auf. Und abmischen müsse eh ein Profi.

Angenommen, er hätte ein gutes Stück im Kasten, doppelt der Zeitungsblogger nach: Wie kriege er dieses in die Auslage von iTunes & Co.? Er könne bei Tunecore anbandeln, erklärt Musikus, bei CD Baby, Finetunes, Netlabel oder iMusician. Kriege er keinen Korb, speisten diese den Song bei Online-Musikgeschäften ein. Dass er aber mehr als einige Franken einspiele, sei unwahrscheinlich. «Deshalb verschenkst du dein gutes Stück besser», rät Musikus. Am besten tue er dies in einer eigenen Website mit «Underground»-Mief, denn darauf stünden die Leute heute. Deshalb liessen selbst Musikkonzerne für ihre Bands Seiten bauen, die selbst gebastelt aussehen, abenteuerliche Biographien aushecken und Müsterchen im Netz verstreuen. Und nein, auch Freunde sammeln bei My Space lohne sich kaum; wenn schon, dann eher ein Profil bei Pure Volume, das wenigstens gut aussehe. Am meisten Sinn mache aber ein eigener Blog. Und vielleicht kriege man irgendwann – via andere Musikblogger und ein Netzlabel – einen anständigen Vertrag bei einem Musikkonzern, der auch wirklich Geld ins Projekt investiere.

«Sorry, aber so tickt die Musikindustrie», sagt Musikus. Er leert die Tasse. Nun müsse er los, sagt er. Zwei Stunden Songs hören stehe auf dem Programm. «Ich habe einfach viel zu viel Musik.» Der Berner Zeitungsblogger bleibt sitzen. Er ordert nochmals eine Tasse Kaffee. Und schliesslich beschliesst er, beim Schreiben zu bleiben.

Pickel überpinseln, Touristen vertreiben

Webflaneur am Mittwoch, den 9. August 2006

Screenshot Snapmania.com

Heute Abend nehme er es gemütlich, sagt der Turnschuhfotograf: keine Party-People fotografieren, keine Bands in Szene setzen, keine Models ins rechte Licht rücken. Die Kamera habe er trotzdem dabei, frotzelt der Berner Zeitungsblogger. Klar, denn man wisse nie, wer einem vor die Linse stolpere, kontert der Partyfotograf. Er stellt die Tasche auf den Bistrottisch, packt die Kamera aus. «Eine schöne Maschine», sagt er und rattert in Serienschussgeschwindigkeit Technisches herunter. «Eine schöne Maschine», pflichtet ihm der Zeitungsblogger bei. Apropos, sagt er dann: «Wie kriegt man es hin, dass die bunten Birnen im Partyschuppen zeichnen, ohne dass diejenigen im Vordergrund käsig werden?» Der Fotograf erklärt es. Und er verrät auch, warum Abgelichtete selbst nach nächtelangem Feiern weder glänzende Haut noch gerötete Augen haben, geschweige denn Pickel. Bis am frühen Morgen haben die beiden schliesslich gefachsimpelt. Und der Zeitungsblogger hat sich dabei mit dem Fotografierfieber infiziert.

Zur nächsten Geburtstagsfeier nimmt der Zeitungsblogger seinen Apparat mit – eine Rollfilmkamera zwar, denn eine ähnlich gute digitale ist ihm noch zu teuer. Während nach der Feier in einem Labor jemand die Bilder auf CD brennt, installiert er schon mal Googles Picasa. Darin ordnet, beschriftet und korrigiert er die Fotos. Einige bearbeitet und schneidet er im kostenlosen Fotoshop-Pendant Gimp oder mit Neximage, der Bildverarbeitung für den Webbrowser. Schliesslich kümmert er sich noch um diese leidige Sache mit den Touristen, die ihm immer wieder zwischen Linse und Monument getrampelt sind. Mit dem Tourist Remover vertreibt er sie definitiv: Dazu speist er all die Fotos ein, die er vom Monument gemacht hat. Schon errechnet der Computer eine touristenfreie Version.

Die Bilder sind bereit. Was aber stellt er nun damit an? Er könnte sie – wie ein richtiger Party-Fotograf – ins Netz stellen, etwa auf eine Fotoplattform wie Flickr, Heypix, Ourpictures, Hello und Slide. Er könnte versuchen, die Fotos zu verkaufen. Er könnte die schönsten vergrössern lassen. Oder er könnte die besten in einem Fotobuch vereinen – pickelbereigt und entglänzt wie jene des Turnschuhfotografen.