Archiv für die Kategorie ‘Politisches’

Alles Wissen der Welt

Webflaneur am Mittwoch den 9. Oktober 2013

Teenager können manchmal bedrohlich wirken. Nicht weil sie viel Macht hätten. Sondern weil sie das Gefühl haben, dass ihnen die Welt gehört, und sich entsprechend aufführen. «Bei diesem Teenager liegt der Fall anders», sinniert der Webflaneur und deutet behelfsmässig aufs Smartphone: Google sei gerade 15 Jahre alt geworden, stecke also tief in der Pubertät. «Doch dieser Firma gehört wirklich die Welt.»

Nun male er schwarz, sagt der Kollege, der neben ihm an der Bar sitzt. Es sei zwar faszinierend, wie weit es Google in 15 Jahren gebracht habe – aus der Garage zur zweitwertvollsten Marke hinter Apple. «Mit einer Suchmaschine regiert man die Welt aber nicht.»

Doch, kontert der Webflaneur. Eine solch dominante Suchmaschine definiere, was relevant sei – und was unsichtbar bleibe. Zudem sei die Firma längst mehr als eine Suchmaschine:  unter anderem die Betreiberin eines E-Mail-Dienstes, eines Onlinespeichers, eines sozialen Netzwerkes, des wichtigsten Kartendienstes. Und sie stelle mit Android das am weitesten verbreiteten mobile Betriebssystem her. «So viele so persönliche Daten wie Google besass noch nie jemand – keine Firma, keine Bibliothek, kein Staat. Und noch nie konnte jemand diese so gezielt auswerten.»

«Ausser vielleicht der US-Geheimdienst», wirft der Kollege ein. Verglichen mit diesem gehe Google aber verantwortungsvoll und transparent mit Daten um, behauptet er. So liessen sich alle Inhalte, die man bei Google veröffentlicht habe, mitnehmen. Take-out heisse dieser Dienst. So etwas böten längst nicht alle Technologiefirmen an – und wenn schon, erst unter grossem Druck. «Don’t be evil – sei nicht böse» laute denn auch das inoffizielle Firmenmotto. «Bei Google wird es gelebt», sagt er. Dann deutet er aufs iPhone, das vor ihm auf dem Tresen liegt. Und er fügt an: «Wenn Googles Dominanz dich stört, musst du halt in den sauren Apfel beissen.»

Lange Liste

Webflaneur am Dienstag den 18. Oktober 2011

Vor lauter Blättern sehe er den «Wahld» nicht mehr, ruft der Webflaneur aus. Ratlos sitzt er an seinem Pult. Dieses ist übersät mit Flugblättern. Direkt vor ihm liegt der leere Wahlzettel. Der Webflaneur wühlt in den Blättern, liest den einen oder anderen Slogan. Vor allem aber guckt er die Bilder an: Soll er ihn mit der Stirnlocke wählen, sie mit den Lachfältchen oder ihn mit dem Schnauz?

Doch halt, sagt sich der Webflaneur. Die Nationalratswahl ist kein Schönheitswettbewerb. Wer gewählt wird, trifft weitreichende Entscheide. Und diese betreffen auch ihn. Deshalb gilt es Kandidierende zu finden, die mit ihm einer Meinung sind. Doch dabei helfen die Fotos und Slogans auf den Flugblättern wenig.

Der Webflaneur sucht Rat bei Smartvote. Er gedenkt, den Dienst mit einigen eigenen Einschätzungen zu politischen Fragen zu füttern, sodass dieser ihm Kandidierende auflisten kann, die ähnlich denken. Doch das Unterfangen misslingt: Smartvote ist an diesem letzten Sonntag vor den Wahlen überlastet. Kurzentschlossen wechselt der Webflaneur zur Konkurrenz: Bei Vimentis bezieht er 34-mal Stellung – schon erhält er eine Liste mit Kandidierenden präsentiert. Prominent vertreten sind darauf solche von kleineren Parteien. Soll er diesen – trotz marginaler Wahlchancen – wirklich seine Stimme schenken?

Es ist spät geworden. Doch der Webflaneur scheut keinen Aufwand. Er schaut nochmals bei Smartvote vorbei. Mittlerweile sind offenbar diverse Mitbürger zu Bett gegangen. Und so kommt er mit viel Geduld doch noch zu seiner Liste. Als er diese neben jene von Vimentis legt, staunt er nicht schlecht: Der Favorit von der ersten Liste schafft es in der zweiten bloss auf Rang 153. Und umgekehrt sieht es ähnlich aus.

Der Webflaneur ist konsterniert. Schliesslich schustert er eine eigene Liste zusammen – anhand der Vorschläge und der Fotos auf den Flugblättern.