Archiv für die Kategorie ‘Musikalisches’

Alles im Griff

Mathias Born am Montag den 11. Mai 2015

Dieses Mal hat er kein Musikgehör. «Keine Zeit», brummt Kollege Musikus. «Notier deine Gitarrengriffe und Schlagzeugstimmen selber!» Der Webflaneur versucht ihn umzustimmen: Er spendiert ihm ein Holdrio und lobt ihn in den höchsten Tönen. Doch der Kollege will nicht mitspielen.

Eines späten Abends macht sich der Webflaneur dann selber ans Werk. Er versucht den Song zu Papier beziehungsweise in den Computer zu bringen. Dazu besorgt er sich das freie Notationsprogramm Musescore.

Mit Freude stellt er fest: Die neu erschienene Version 2 bietet genau das, was er braucht. Nun können etwa Griffangaben für Gitarren sowie Schlagzeugnoten hinzugefügt werden. Im Vergleich zur Vorversion wurden zudem der Im- und der Export verbessert. Auch lassen sich einfacher einzelne Stimmen aus der Partitur herausholen. Und dank einer neuen Notenschrift muss man nicht mehr oft nachträglich selber Hand anlegen.

Eben gerade will der Webflaneur damit beginnen, Note für Note auf oder zwischen die Linien zu ziehen. Da bemerkt er rechts die Musikaustauschplattform, die harmonisch mit dem Programm zusammenspielt. Darin findet er jenes Lied, das er arrangieren will. Ein Klick und wenige Retouchen – schon ist das Werk fertig. Das ist Musik!

Aufgespielt

Mathias Born am Sonntag den 22. Juni 2014

Dieses Mal bereitet sich der Webflaneur sehr gut vor. Lange bevor das erste Konzert über die Bühne geht, spielt er die Apps auf sein Smartphone auf, die ihm vor und während der Open Airs von Nutzen sein könnten. Dazu gehören zuallererst die Programme mit den Festivalprogrammen.

Für den Fall, dass er am Festival einmal ein Stück nicht benamsen kann, installiert der Webflaneur Shazam (Android, iOS), TrackID (Android) oder SoundHound (Android, iOS). Eine Aufnahme von wenigen Sekunden genügt – schon zeigen diese Apps den Titel und den Interpreten des Songs an. Zumindest, wenn der Musiker das Stück nicht allzu frei interpretiert und das Festivalvolk nicht allzu laut grölt.

Apropos laut: Mit Decibel 10th (iOS), Noise Meter (Android) und Sound Meter (Android) kriegt der Webflaneur, wenn auch keine exakten Werte, zumindest eine leise Ahnung davon, wie laut das Konzert ist. So kann er rechtzeitig die Stöpsel setzen, bevor es in seinen Ohren zu pfeifen beginnt. Und apropos Grölen: Mit dem Promille Rechner (Android) oder mit Intelli Drink (iOS) gedenkt der Webflaneur anhand seiner Körpergrösse, des Gewichts, des Alters sowie der konsumierten Getränke sicherzustellen, dass er selber nicht allzu laut und lustig wird.

Schliesslich installiert er noch den Tentfinder (iOS) auf seinem Smartphone, dank dem er das eigene Zelt wiederfinden soll – trotz Dunkel- und allfälliger Trunkenheit. Auf dem Weg zum Zelt dürfte – sofern das Gerät dann noch Saft hat – zudem die integrierte Taschenlampenfunktion hilfreich sein.

Zufrieden lehnt sich der Webflaneur nun zurück. Jetzt fehlt ihm nur noch eines: ein Ticket fürs Open-Air-Festival.

Grosse Töne

Webflaneur am Dienstag den 9. Oktober 2012

Bei der Musik mache er keine Kompromisse, sagt der Musikfreund. «In der virtuellen Jukebox muss Ordnung herrschen.» Er macht eine bedeutungsschwere Pause, ergreift das Rotweinglas, nippt daran. Der Webflaneur, der ihm gegenübersitzt, runzelt die Stirn. Darin herrsche automatisch Ordnung, argumentiert er – dank der Metadaten, die in jedem gekauften Musikstück enthalten sind und die in fast jedes selbst eingelesene Stück automatisch hineingeschrieben werden.

Der Musikfreund winkt mit einer ausladenden Handbewegung ab. «Diese sind unbrauchbar», behauptet er. Der Webflaneur kontert: Immerhin stünden der Interpret und der Titel darin. «Damit hats sich auch schon», sagt der Musikfreund. Und er ereifert sich: «Guck dir die undifferenzierten Genrebezeichnungen an! Oder schau mal nach, ob nebst dem Interpreten der Komponist vermerkt ist. Ohne diese wertvollen Infos stellt man keine gute Playlist zusammen.»

«Du spuckst grosse Töne», sagt der Webflaneur. Die Sammlung zu verschlagworten, sei eine epische Übung. «Diese erspare ich mir lieber – und höre derweil in Ruhe Musik.» – «Papperlapapp», sagt sein Gegenüber. Wenn man die richtige Software habe, sei dies im Nu erledigt – mit MP3tag etwa, Easytag oder Puddletag. Der Musikfreund lässt den Rotwein im Glas kreisen. Derweil zückt der Webflaneur sein Notebook und installiert eines der Programme. Dieses liest seine Musikdateien ein und stellt die Metadaten übersichtlich in einer Tabelle dar. Nun könnte der Webflaneur fehlende Beschriftungen einfügen oder bestehende abändern – auf Wunsch bei mehreren Einträgen gleichzeitig. Um den Musikfreund nicht warten zu lassen, probiert er es bloss bei einem aus.

Der Musikfreund wirft beiläufig einen Blick auf den Bildschirm – und verschüttet vor Schreck fast den Wein. Er zeigt auf die Spalte, in der die Bitraten seiner Musikdateien angegeben werden. «Das muss grauenhaft klingen», ruft er aus. «Die Rate muss mindestens doppelt so hoch sein.» – «Dazu reicht der Festplatten-Platz leider nicht», sagt der Webflaneur. «Aber ich weiss: Bei der Musik machst du keine Kompromisse.»

Love me Tender

Webflaneur am Dienstag den 20. Dezember 2011

So etwas tut einem ein echter Freund nicht an: Legt dieser der Einladung zur Party doch eine lange Liste mit Musiktiteln bei. Und er schreibt von einem «Silvester-Songcontest, der letzten grossen Chance, in diesem Jahr noch berühmt zu werden». Seine Vorgabe ist klar: Wer eingelassen werden will, hat auf die Bühne zu klettern. Der Webflaneur verflucht den Karaoke-Boom, den ein grosser Game-Hersteller vor Jahren losgetreten hat und dem nun offenbar auch sein Freund erlegen ist. Er erwägt zuerst, seinen Auftritt am betreffenden Abend mit einem Arsenal an Ausreden immer weiter zu verschieben, bis dieser schliesslich im Trubel des Jahreswechsels vergessen ginge. Doch dann sieht er ein: Dieses Mal kommt er am Karaoke-Singen wohl nicht vorbei. Deshalb ackert er die lange Liste mit den Songvorschlägen durch. Viele Stücke kennt er kaum. Und auch all diese Fistelstimmesänger und ihre Songs streicht er; sie sind für ihn mit seinem sonoren Bass schlicht unerreichbar.

Schliesslich bleiben nur wenige Titel übrig. Darunter entdeckt der Webflaneur «Love Me Tender» von Elvis Presley. Nun ist für ihn klar: Er wird diese Ballade zum Besten geben – jenen Song also, mit dem er beim notenrelevanten Vorsingen in der siebten Klasse aus purer Not die Lehrerin zu bezirzen versuchte, was ihm immerhin eine Fünfeinhalb einbrachte. Doch eben: Das ist Jahrzehnte her. Damit der aktuelle Auftritt sitzt, muss er üben. Die Kassette von damals hat er längst nicht mehr.

Deshalb sucht er Karaoke-Websites. Er stolpert über einige weniger seriöse und mehrere, denen offenbar der Schnauf ausgegangen ist. Schliesslich schreibt er sich auf Singsnap und Thekaraokechannel ein. Auf einer findet er den Elvis-Song. Der Webflaneur übt und übt – und hofft, dass an Silvester der Alkohol der Gäste Urteilsfähigkeit trübt.