Archiv für die Kategorie ‘Kommunikatives’

Das Fest

Webflaneur am Freitag den 5. Dezember 2008

Feste solle man feiern, wie sie fallen, insistiert der Volksmund. Der Webflaneur gibt klein bei. Er sieht ein: Dieses Jahr, in dem der Geburtstag auf einen Samstag fällt, ist wohl wirklich ein Fest fällig. Und eigentlich festet er auch gerne. Was ihm aber stinkt, ist die Organisiererei. Zu gut erinnert er sich noch daran, wie sich bei früheren Festen einige liebe Lieben erst nach mehrmaliger Nachfrage zu Zu- oder Absagen bewegen liessen, wenn überhaupt. Ein Griff zum Telefonhörer oder zum Füllfederhalter – das sei wohl schlicht zu viel verlangt, sinniert der Webflaneur. Vielleicht müsste man die Anmeldeprozedur vereinfachen. Wie wäre es mit einer Anmeldung per Internet? Die Geladenen brauchten lediglich zu klicken – und schon stünden sie auf der Gästeliste.

Ganz begeistert von der Idee macht sich der Webflaneur auf die Suche nach dem passenden Onlinepartyplaner. Soll er es mit dem Klassiker Evite versuchen? Dieser ist zwar kostenlos, dafür aber stark mit Werbung befrachtet. Er probiert das auf grosse Partys, Konzerte und Theater spezialisierte Angebot von Amiando aus. Auch Anyvite und Crush3r gefallen ihm gut. Trotzdem surft er weiter, schaut bei Enclude, Events.live, Invitastic und Mypunchbowl vorbei und wirft einen Blick auf Pingg, Purpletrail, Sendomatic, Socializr und Zoji. Doch schliesslich entscheidet er sich gegen all diese Websites. Weshalb sollte er sich auf einer weiteren Plattform einschreiben, wenn es bei Facebook, wo längst die meisten seiner Freunde herumhängen, einen Partyplaner gibt?

Der Webflaneur macht sich an die Arbeit: Er loggt sich ein, klickt auf «Veranstaltungen» und erstellt eine neue. Er tippt den Titel und die Beschreibung ein, kauft sich in einer Fotobörse für wenige Franken ein passendes Bild, klickt sich aus seinen Facebook-Freunden jene zusammen, die er auch tatsächlich näher kennt und schickt ihnen eine Einladung.

Die ersten beiden Zusagen kamen postwendend. Doch dann tat sich lange nichts. Als die Gästeliste selbst nach Tagen noch fast leer war, wurde der Webflaneur langsam nervös. Er tröstete sich damit, dass sich zumindest einzelne Noch-nicht-Facebook-Freunde gemeldet hatten, bei denen die Anmeldefunktion nicht richtig funktioniert hat. Erstaunt war er, wie sich einige Facebooker meldeten: per E-Mail und nicht auf der für alle sichtbaren Gästeliste. Und so war es schliesslich wie eh und je: Statt einer schönen Liste hatte der Webflaneur deren drei: diejenige von Facebook, eine mit den E-Mail-Zusagen und eine neben dem Telefon. Doch egal, der Geburtstagsabend kam, und mit ihm kamen die Gäste. Feste soll man feiern, wie sie fallen. Und dem Webflaneur hat das Fest gefallen.

Es ist nicht alles Chrome…

Webflaneur am Freitag den 12. September 2008

«Das haben sie glänzend gelöst!», ruft der Kollege – und hätte vor Begeisterung fast den Kaffee verschüttet. Der Webflaneur folgert: Mit «sie» meint er die Programmierer bei Google, und mit «das» die Entwicklung des Webbrowsers Chrome. «Chrome ist schlicht schlicht», rühmt der Kollege. «Einverstanden», sagt der Webflaneur. Der Browser komme mit bloss vier Knöpfen und zwei Menüs aufgeräumt daher. «Chrome ist praktisch», schwärmt der Kollege. Der Webflaneur ergänzt: Gelungen seien die Kombination von Adresszeile und Suchfeld sowie die grafische Übersicht von oft besuchten Websites. «Chrome ist schnell», fährt der Kollege fort und nimmt einen Schluck Kaffee. Der Webflaneur nickt. Bei Testläufen sei der Browser in vielen Disziplinen zügiger als die Konkurrenz gewesen, insbesondere wenns um Java-Skript gehe. «Und Chrome ist stabil», fügt der Kollege an. Lege eine Website eine Registerkarte lahm, breche nicht gleich das ganze System zusammen. «Firefox, Internet Explorer, Safari sind passé. 2008 wird als Google-Jahr in die ‹Chromik› eingehen!»

Der Webflaneur schüttelt den Kopf. «Lass dich nicht blenden», sagt er. Chrome sei erst eine Beta-Version, gehöre also noch nicht auf Computer, an denen gearbeitet werden sollte. Der Browser müsse zuerst auf Herz und Nieren getestet werden – auch in Sachen Datenschutz. «Ach, ‹chrom› mir nicht mit dieser alten Leier», sagt der Kollege. Doch das bringt den Webflaneur erst richtig in Fahrt. Um die Bedenken, die übrigens auch der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte teile, zu zerstreuen, genüge ein «Don’t be evil» als Firmenmotto nicht mehr. Google verfüge im Internet über eine Vormachtstellung. E-Mails, Suchabfragen und Wissensdatenbanken: «Die US-Firma ‹chromtrolliert› heute vieles.» Deshalb müsse man sich schon fragen, ob man auch noch einen Webbrowser installieren wolle, der offenbar gerne mal nach Hause telefoniere. «Mir ists egal, wenn Google ein Profil erstellt», sagt der Kollege. «Dann kriege ich zumindest genau die Werbung, die mich interessiert.»

Es gebe noch weitere Unschönheiten, warnt der Webflaneur: Google installiere den Browser nicht im Programmverzeichnis, wo er hingehöre. Stattdessen werde er im Datenverzeichnis abgelegt. «Na und?», fragt der Kollege. Zum einen müsse Chrome so für jeden Nutzer einzeln installiert werden, erklärt der Webflaneur, und zum anderen sei dies ein unnötiges Sicherheitsrisiko.

Einig werden sich die beiden in dieser Kaffeepause nicht. «Es ist nicht alles Gold, was glänzt», warnt der Webflaneur beim Abschied nochmals. Derweil mampft der Kollege auch noch das letzte «Chrömli».

Ein Geburtstag ohne viel Lärm

Webflaneur am Mittwoch den 7. Mai 2008

Plötzlich dröhnt ohrenbetäubende Musik durchs Lokal. Das Licht geht aus. «Happy Birthday», kreischt eine überdrehte Micky-Maus-Stimme ab Konserve. Und Kellnerinnen und Kellner tragen mit hell sprühenden Wunderkerzen bestückte Desserts auf.

«Peinlich», kommentiert der Kollege, als die Musik endlich etwas abgeebbt ist. Er würde an seinem Geburtstag unter keinen Umständen auch nur einen Fuss in dieses Lokal setzen. «Aber zurück zu unserer Internetdiskussion, die wir wegen Micky Maus’ Geplärre unterbrechen mussten», sagt er. «Apropos Geburtstag und Internet», wirft der Webflaneur ein. «Hast du gewusst, dass das World Wide Web eben 15 Jahre alt geworden ist. «Erst?», fragt der Kollege. «Erst», sagt der Webflaneur und nickt. «Quatsch», sagt der Kollege kopfschüttelnd. «Das Internet gibt es schon länger.» Das Internet und die Vorgängernetze schon, kontert der Webflaneur. Bloss habe  sie bis vor 15 Jahren ausserhalb der Unis kaum jemand genutzt. «Der Zugang war umständlich und teuer. Und surfen konnte man noch nicht.» Der Kollege ist sichtlich irritiert: «Wenn nicht surfen, was dann?», fragt er. Zu Beginn habe man bloss Textbotschaften verschicken, Beiträge auf «schwarzen Brettern» veröffentlichen und – sehr umständlich – Dateien kopieren können. In den frühen 1990er-Jahren habe dann Tim Berners-Lee, Informatiker am Kernforschungszentrum Cern in Genf, nach einer Lösung gesucht, um die vielen Berichte von Forschern übersichtlicher darzustellen, erzählt der Webflaneur. Dazu habe er ein Hypertextsystem entwickelt, mit dem Seiten einfach gestaltet und vernetzt werden können: das heutige World Wide Web.

«Was aber ist damals gewesen, damals im» – der Kollege stockt, fixiert die Wand vis-à-vis und rechnet –, «damals im 1993?»  Eigentlich hätte das Cern das neue System patentieren lassen können, erklärt der Webflaneur. Doch man habe sich anders entschieden: Am 30. April  habe Tim Berners-Lee erklärt, dass jedermann die Erfindung kostenlos nutzen dürfe. «Und deshalb ist das World Wide Web so schnell zum wichtigsten Internetdienst geworden», sagt der Webflaneur. «Nun trinken wir noch ein Glas aufs Jubiläum», sagt der Kollege und winkt dem Kellner. Der Webflaneur zwinkert ihm verschwörerisch zu und warnt: «Aber sage ihm bloss nichts vom Geburtstag.»

Lass uns gleichzeitig in die Tasten greifen

Webflaneur am Mittwoch den 12. Juli 2006

Screenshot Ajaxwrite.com

Am Anfang sind beide Feuer und Flamme: Das Thema stimmt, die Aufteilung, die Chemie. Zum ersten Mal freue er sich aufs Schreiben einer Seminararbeit, sagt der Kommilitone. Der Berner Zeitungsblogger pflichtet ihm bei.

Er werde sofort einen Dispositionsentwurf zusammen schustern, sagt der Zeitungsblogger. Er schicke ihm am Abend das Word-Dokument. Kommilitone Informatiker schaut ihn schief an. «Ein Word-Dokument?», fragt er, und ob er die Debatte um Dateiformate denn nicht verfolge. Heute bevorzuge man Standards, die selbst dann noch lesbar sind, wenn ein Programme im Datennirwana verschwunden ist. Selbst Microsoft scheine einzulenken und arbeite nebst am eigenen, offeneren an einem Konvertierungstool ins wirklich freie Format. Verstanden, unterbricht der Zeitungsblogger den Dozierenden, er texte mit Openoffice.org und speichere in dessen ISO-zertifiziertem Format. Er könne auch Abiword nehmen, ergänzt der Kommilitone, das sei ranker und schlanker, oder – eleganter – den Text im Editor tippen und ihn mit Latex oder Docbook-Kommandi formatieren.

Mit dem Unternehmen müsse es zügig voran gehen, fordert Kommilitone Informatiker. «Am besten arbeiten wir schichtweise», schlägt der Zeitungsblogger vor: Er schreibe einen Tag an der Arbeit, überlasse sie ihm für den nächsten. Das sei effizienter als gleichzeitiges Texten, denn beim Zusammführen entstehe meist Buchstabensalat. Der Kommilitone schaut ihn schief an. «Nein, wir arbeiten gleichzeitig», sagt er. «Vor einem PC?», fragt der Zeitungsblogger. «Nein, jeder von zu Hause aus übers Netz», erklärt der Kommilitone – entweder mit Webdiensten wie Writely und Ajaxwrite oder in einem kollaborativen Texteditor wie Gobby, ACE oder Yarrr. «Wie du meinst», sagt nun der Zeitungsblogger. «Du bist der ‹Chief Technical Officer› unseres Unternehmens.»

Eigentlich hätten die beiden ihr Unternehmen in Angriff und die Seminararbeit zügig schreiben können. Doch sie sollten scheitern – nicht an der Computer-, sondern an der Arbeitstechnik.

«Mein Internet»

Webflaneur am Mittwoch den 19. April 2006

Screenshot Writely.com

Sie brauche Hilfe, sagt sie ihm: «Mein Internet ist kaputt». Sie könne keine Mails mehr verschicken. Sie könne nicht mehr surfen. Und überhaupt: Diese blöde Kiste mache nicht, was sie wolle, sagt sie, und sie wäre sehr dankbar, wenn er sich darum kümmern könnte. Der Berner Zeitungsblogger kümmert sich zuerst um sie. «Du hast gar kein Internet», sagt er. «Klar habe ich eines», ruft sie aus. «Nein», doziert er altklug, «du hast einen Internetzugang; das Netz der Netze jedoch gehört dir nicht.» Das sei Wortklauberei, pariert sie genervt. «Déformation Professionelle», entschuldigt sich der Zeitungsblogger, während er sich durch die Netzwerk-Einstellungen klickt.

Das Problem ist rasch behoben. Sie glaubt sich noch etwas mit ihm unterhalten zu müssen, ringt nach Themen und erkundigt sich schliesslich nach «Trends aus dem Internet». «Ajax», sagt der Zeitungsblogger. «Das Waschmittel?», fragt sie. Die eingängige Abkürzung stehe für Asynchronous Javascript and XML, sagt er. «Zu kompliziert», wimmelt sie ab. «Stimmt», sagt er. Aber er werde ihr zeigen, zu was das tauge. Der Zeitungsblogger surft zu Ajaxlaunch.com. Ein Klick auf Ajax Write – und sein Webbrowser verwandelt sich in ein Textverarbeitungsprogramm. Er schreibt, formatiert und speichert. «Damit brauche ich kein Schreibprogramm mehr», sagt sie. «Doch, derzeit schon noch», sagt der Zeitungsblogger – obwohl Michael Robertson, der Gründer von MP3.com und ehemals Geschäftsführer von Linspire, bereits «Bye Bye Microsoft Word, Hello Ajax Write» in die Welt hinaus posaunt hat. Mit Ajax XLS habe Robertson auch eine einfache Tabellenkalkulation, mit Ajax Sketch ein Zeichnungsprogramm, mit Eye Spot einen simplen Videomixer und mit Ajax Tunes einen Musikplayer online gestellt. Andere arbeiteten an Ähnlichem: Auch bei Writely.com, kürzlich von Google aufgekauft, könne online getextet werden – sogar von mehreren Autoren gemeinsam. Eben gerade habe Google auch eine Agenda aufgeschaltet, die wohl Microsofts Outlook Konkurrenz machen soll.

«Ich muss keine neuen Programme mehr auf meiner Kiste installieren?», fragt sie. Zumindest einige könnten in Zukunft auf einem Zentralrechner laufen, sagt der Zeitungsblogger. Sie grinst und sagt: «Bloss – was soll ich dann machen, wenn ‹mein Internet› kaputt ist?»

Das gekappte Kabel

Webflaneur am Mittwoch den 8. Juni 2005

Der Computer klingelt. Der Berner Zeitungsblogger nimmt ab. «Hallo David», sagt er. Und nachdem er kurz zugehört hat: Doch, er verstehe ihn gut – mindestens so gut, wie wenn er per Handy telefonierte. «Eine Infoveranstaltung zum Telefonieren übers Internet?», fragt der Zeitungsblogger nun. Doch, er weise gerne auf das Treffen der Nutzergruppe ST-Anwender hin. Wann es denn stattfinde, will er wissen. Sonntagmorgen im Medienzentrum Schulwarte in Bern? «Langsam», sagt er nun und kritzelt die Webadresse, die David ihm diktiert, auf den Briefumschlag einer Swisscom-Rechnung – seiner wohl letzten.

Der Computer wählt. «Einen guten Morgen», wünscht der Zeitungsblogger der Swisscom-Mitarbeiterin – und kündigt seinen Telefonanschluss. Er kappe das Kabel und kable nun über das Inter- statt das Fixnet, erklärt er ihr. So könne er einige Franken sparen. Der Zeitungsblogger hat sich zuvor schlau gemacht. Er hat gestaunt über die viele Firmen, die Internet-Telefonie zu unterschiedlichsten Preisen und Konditionen feilbieten. «Zum Glück gibts den Comparis-Ralf», hat er vor sich hingemurmelt und aus dessen Tabelle eine Firma ausgewählt. Er hat sich dann bei der Swisscom ab- und bei Sipcall.ch angemeldet. Dort bezahlt er keine Grundgebühr und bloss wenige Rappen pro Minute. Geht er auf eine Reise, hängt er einfach sein Notebook an ein Netz – schon ist er unter der gewohnten Nummer erreichbar. Egal, wo auf der Welt er ist, er telefoniert zu den normalen Preisen. Dafür nimmt er in Kauf, dass er nun mit Kopfhörer am Rechner sprechen oder sich einen Adapter fürs Telefon kaufen muss. Und dafür nimmt er in Kauf, dass die Sprachqualität variert: Manchmal ist sie besser als im Festnetz, manchmal gibts Verzögerungen.

Der Computer klingelt. «So spät noch online?», grüsst der Zeitungsblogger seinen Kollegen. Erst neulich hat dieser das Telefontool Skype installiert – und ist begeistert davon. «Ein Lesertelefon für ‹Weblog›-Leser?», wiederholt der Zeitungsblogger den Vorschlag seines Kollegen und klopft einen dummen Spruch von wegen «was der Chefredaktor kann, kann ich schon lang’». Das hätte er nicht sagen sollen. Jetzt insistiert der Kollege darauf. Der Berner Zeitungsblogger ziert sich. Schliesslich muss er aber nachgeben. Und so tippt er nun: «Lasset Skype klingeln – der ‹zeitungsblogger› ist online.»