Archiv für die Kategorie ‘Geschriebenes’

Automatischer Lektor

Webflaneur am Dienstag den 10. Mai 2011

Der Vater hält den Zeigefinger auf eine Textstelle in der renommiertesten Zeitung der Schweiz. Er moniert: Diese Präposition schreie geradezu nach dem Genitiv. Der Webflaneur wirft einen Blick darauf und pflichtet ihm bei. «Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod», sagt der Vater daraufhin. Der Webflaneur, der sich gut an die Bücher mit diesem Titel erinnert, fügt an: «Lesenswert.»

Als der Webflaneur tags darauf im Büro sitzt und an seiner Kolumne feilt, wird er plötzlich unsicher: Wie schreibt man dieses Wort? Und welcher Fall folgt auf diese Präposition? Im Zweifelsfall schlage er besser im Duden nach, sagt er sich. Schon will er der Kollegin das gelbe Standardwerk entwenden. Doch da erinnert er sich an eine Meldung, die irgendwo auf seinem Pult liegen muss. Er wühlt sich durch einen Stoss Papier und stösst auf die gesuchte Notiz: Das Bibliographische Institut habe das Duden-Portal überarbeitet, steht darin. Das Angebot, für das bislang teilweise bezahlt werden musste, könne nun kostenlos konsultiert werden. Damit wolle der Verlag die Marke Duden stärken. Geld verdienen wolle er mit Büchern und Software.

Der Webflaneur probiert das neue Angebot sofort aus. Er staunt über die ausführlichen Informationen zur Rechtschreibung, zur Bedeutung, zu Synonymen und zur Herkunft von rund 135000 deutschen Wörtern. Dank einer Kooperation mit der ARD kann er sich bei vielen Begriffen anhören, wie diese ausgesprochen werden. Zudem errechnet Duden für jedes Wort, wie oft es benutzt wird. Und in einer Wortwolke wird angezeigt, welche anderen Wörter im Zusammenhang mit dem Begriff oft benutzt werden.

Sogar Grammatikfehler soll der automatische Lektor entdecken. Tatsächlich erkennt der Duden im Test des Webflaneurs falsch geschriebene Wörter. Fallfehler hingegen entgehen dem automatischen Lektor noch. «Vater hätte keine Freude daran», schreibt der Webflaneur nun in seine Kolumne. Dann setzt er einen Punkt und schickt das Werk dem Lektor, dem richtigen.

Das kostlose Büro

Webflaneur am Freitag den 7. November 2008

«Das Geld kannst du dir sparen», sagt der Webflaneur. Sie guckt ihn überrascht an. «Warum?», fragt sie. Sie benötige doch ein «Word», um Texte zu schreiben, «Excel» für Abrechnungen und «Powerpoint», um ihre Präsentationen zusammenzuklicken. «Nicht zwingend», sagt der Webflaneur. Zweifellos fühle sie sich am wohlsten, wenn sie – obwohl sie auch Onlinedienste wie jene von Google benutzen könnte – auf ihrem neuen Computer Bürosoftware installiere. Sie brauche sich aber für ihre – «und das soll nicht abschätzig klingen» – eher simplen Arbeiten kein teures Programmpaket zu kaufen. Stattdessen probiere sie besser Openoffice.org aus, das eben gerade in einer neuen Version erschienen sei. Diese könne nicht nur PDFs abspeichern, sondern auch einlesen. Die Tabellenkalkulation rechne neu mit breiteren Tabellen. Für sie wichtig: Die Software laufe endlich auch auf Macs schnell und stabil. Zudem: Die Benutzeroberfläche des Klons gemahne stärker ans gute alte Office als jene von  Microsofts neuer Version. «Und was kostet das?», fragt sie. Openoffice.org dürfe man kostenlos herunterladen, installieren, benutzen und bei Bedarf sogar anpassen, sagt er.

«Was nichts kostet, ist nichts wert», behauptet sie. Er sehe das etwas anders, kontert der Webflaneur. Und er sei nicht alleine damit: Die frei verfügbare Bürosoftware, die übrigens bereits in etlichen Firmen und Verwaltungen sowie in vielen Schulen zum Einsatz komme, schneide in Tests von Zeitschriften ähnlich gut ab wie das kostenpflichtige Pendant. «Apropos nichts wert», fügt er an, «da steckt viel Arbeit und Herzblut von Freiwilligen drin.» – «Von Freiwilligen?», fragt sie. In Open-Source-Projekten, wie Openoffice.org eines sei, könne jedermann mitarbeiten, erklärt er. Beteiligt seien Programmierer – aber nicht nur: Es brauche auch Anwender, die anderen bei Problemen auf die Sprünge hülfen. Es brauche Muttersprachler, die das Programm übersetzten. Es brauche Grafiker, die Logos gestalteten. Es sei tatsächlich erstaunlich, dass eine solche Zusammenarbeit funktioniere, unterbricht sie ihn nun. Und sie fügt an, sie werde sich das Programm gerne mal anschauen.

Einige Wochen später: Die beiden müssen einen Text schreiben. Bevor sie den PC startet, druckst sie etwas herum. Sie habe sich dann doch Microsofts Office geleistet, sagt sie. «Es gab gerade eine Aktion.» Der Webflaneur, selbst eher knausrig, gibt sich verständnisvoll. Das Schöne sei, dass man endlich wieder die Wahl habe, sagt er. Dann fragt er doch noch, weshalb sie sich fürs proprietäre Produkt entschieden habe. «Du kennst mich ja», sagt sie augenzwinkernd, «ich trage lieber Markenkleider als Selbstgestricktes».

Subversive Texte

Webflaneur am Freitag den 10. Oktober 2008

Sie planen gemeinsam eine wissenschaftliche Arbeit zu schreiben. Eines Abends im Chat besprechen der Webflaneur und sein Unikollege das Vorgehen. «Ich gedenke die Arbeit in Latex zu schreiben», schreibt der Kommilitone. Der Webflaneur kugelt sich vor Lachen. «Rotfl», tippt er – kurz für «rolling on the floor laughing». Das glaube er erst, wenn er es gesehen habe, schreibt er, und hofft insgeheim, von solchen Bildern verschont zu bleiben. «Trottel», tippt der andere. Latex – ausgesprochen «Latech» – sei ein System zum Textsatz, «quasi das ‹Word› der Wissenschaftler».

Der Webflaneur macht sich kundig. Kaum hat er die drei, vier wichtigsten Befehle auswendig gelernt, meldet sich der Kollege bereits mit einer weiteren Idee: Damit sie gemeinsam am gleichen Text arbeiten könnten, machten sie es wie die Programmierer: «Wir schreiben die Arbeit mit Subversion». Er votiere gegen politische Untergrundaktionen, will der Webflaneur antworten, macht sich aber erst kundig. Subversion sei ein System zur Verwaltung von Dateiversionen, liest er. Es werde oft von Programmierern genutzt, die gemeinsam an einer Software arbeiteten. «Das klingt kompliziert», tippt der Webflaneur. Im Übrigen könne man mit Online-Textverarbeitungen auch zusammen schreiben. «Es ist ganz einfach», insistiert der Kommilitone. «Ich zeige es dir morgen.»

Am nächsten Tag in der Cafeteria: Er habe alles vorbereitet, so der Unikollege: Er habe bei Springloops, einem von vielen Anbietern, ein Konto eröffnet und die Vorlage für die Arbeit dort angefügt. Der Webflaneur müsse lediglich eine Software installieren, um auf die Arbeit zugreifen zu können. Er persönlich bevorzuge das originale Subversion, kurz SVN. Dieses Programm bediene man von der Kommandozeile aus. Die meisten Windows-Nutzer seien deshalb etwa mit TortoiseSVN und Mac-ianern mit dem ScpPlugin wohler. Mit solchen Programmen erstelle man auf dem eigenen PC eine Arbeitskopie der Datei, mit der man wie gewohnt arbeiten könne. Und so gehe es: Habe der Webflaneur den Text redigiert, schicke er die Änderungen per «Commit»-Befehl auf den Zentralcomputer. Und er selbst könne auf dem aktuellen Stand der Daten weiterarbeiten. Bevor der Webflaneur das nächste Mal schreibe, wähle er «Update», damit er seine Änderungen sehe. «Was aber geschieht, wenn wir gleichzeitig schreiben?», fragt der Webflaneur. Das System führe Änderungen automatisch zusammen, sagt der Kollege – ausser, wenn sie an der selben Zeile gearbeitet hätten. Dann müsse man den Konflikt von Hand lösen.

Am nächsten Tag beginnen der Webflaneur und sein Kollege mit der Arbeit an der Arbeit. Ihr System funktioniert. Als zwei Kolleginnen über die Versionsschlachten bei ihrer Seminararbeit klönen, zwinkern sie sich bloss zu – ganz subversiv.

Die Onleihe

Webflaneur am Mittwoch den 21. Mai 2008

Das Bücherwürmchen – so pflegt der Webflaneur sie zu rufen, wenn sie es mit dem Lesen mal etwas übertreibt – kommt ihm mit leuchtenden Augen entgegen. «Hast du von dieser Online-Bibliothek gehört?», fragt sie. Sie sei wie gemacht für sie, fährt sie fort. «Immer wenn der Lesestoff ausgeht, feiert die Bibliothek gerade Ferien. Und wenn ich mal in die Ferien darf, ist der Lesefuttervorrat im Nu erschöpft.» Fortan könne sie sich online Nachschub besorgen. «Das ist keine Hexerei, oder?»

Der Webflaneur setzt sich. Die Ausleihe bei Onleihe sei einfach, sagt er dann: Man suche ein Buch aus, lege es in den Warenkorb, lade die Datei herunter. Zur Auswahl stünden pro Bibliothek 3000 Medien – Bücher, Hörbücher, Zeitschriften, Filme. «Und was kostet die ‹Onleihe›?», will sie wissen. Die Dienstleistung sei in der Jahresgebühr der richtigen Bibliothek inbegriffen, sagt der Webflaneur. In der Region Bern mache derzeit erst die Stadtbibliothek Burgdorf mit. Dort koste der Jahresbeitrag zwischen 15 und 70 Franken.

«Es gibt keinen Haken?», fragt sie. Es gebe zwei Häkchen, antwortet er. Unpraktisch sei, dass man ausgeliehene Medien nicht «zurückbringen» kann. Stattdessen müsse man warten, bis die Leihfrist abläuft und die Datei unlesbar wird. Das betreffe, wer auf ausgeliehene Medien warten müsse – und wer sich bloss die auf zwei Medien limitierte Mitgliedschaft gegönnt hat. Und dann sei da noch der Kopierschutz: Damit man die Online-Ausleihe voll nutzen könne, brauche man einen Windows-PC. Ton- und Filmmedien könnten einzig mit dem neuen Mediaplayer und kompatiblen Abspielgeräten wiedergegeben werden. «Da guckst du mit dem Mac und dem iPod in die Röhre.» Der Blick des Bücherwürmchens verfinstert sich schlagartig. Anders sehe es bei Büchern aus, fährt der Webflaneur fort: Diese seien zwar auch kopiergeschützt und könnten nur mit dem Adobe Reader angezeigt werden. Dieser sei aber für viele Systeme erhältlich – auch für jenes ihres Macs, sagt er. Und des Bücherwürmchens Augen leuchten wieder.

Fortsetzungen für Fans

Webflaneur am Mittwoch den 16. Januar 2008

Sie sei voll auf dem Aff gewesen, sagt sie. Und dann setzt sie zur Tirade auf die «Dilettanten von Hollywood» an: Sie wettert über die «knausrigen Studios» und die «geldgierigen Drehbuchautoren». Selbst den Schauspielern liest sie gehörig die Leviten: peinlich, dass diese «aus Pseudosolidarität mit den streikenden Schreiberlingen» die Golden-Globes-Preisverleihung zur halbstündigen Medienkonferenz verkümmern liessen. «Ein Trauerspiel war es», ruft sie, «ein Trauerspiel!»

Sie scheine tatsächlich etwas auf dem Aff zu sein, sagt der Webflaneur zaghaft. «Ich war es», präzisiert sie. Zu Beginn habe ihr die Fortsetzung ihrer Lieblingsfernsehserie gefehlt. «Es war ein kalter Entzug.» Die ersten Wochen des US-Autorenstreiks habe sie mit Wiederholungen zu überbrücken versucht. Als dann aber Wiederholungen der Wiederholungen anstanden, habe sie gehandelt: Sie habe dem Fernseher den Stecker gezogen – und mit Lesen begonnen. Sie lese nun Fanfiction.

«Fanfiction?», fragt der Webflaneur. Dabei handle es sich um von Fans geschriebene Fortsetzungen, erklärt sie. «Du vertrödelst deine Zeit mit Ergüssen von Amateurliteraten?», fragt der Webflaneur erstaunt. «Nicht jeder Fan ist ein grosser Schriftsteller», räumt sie ein. Viele Storys seien schlecht erzählt, einige peinlich, primitiv, pornografisch. «Aber ab und zu findet man echte Perlen.»

Wo er denn solche Geschichten finde, will der Webflaneur wissen. Es gebe viele Fanfiction-Archive, sagt sie. Fanfiction.net sei das wohl grösste. Darin finde man neue Soap-Episoden ebenso wie Fortsetzungen zu Romanen, zu Comics, Animationsfilmen und Games. Wenn er lieber auf Deutsch lese, solle er es bei Fanfiktion.de oder Fanficparadies.de probieren. Einige Websites seien einem bestimmten Werk gewidmet: So finde er auf Portkey.org und  Fictionalley.org etwa alles zu Harry Potter. Und zur Qualität: Bei Archiven wie Checkmated.com würden Geschichten von «Beta-Lesern» testgelesen. Weitere Links, so sagt sie, finde er im Fanfictiondirectory.net. Übrigens: Damit er nicht jede Website einzeln abklappern müsse, benutze er am besten ein Programm: etwa den Fanfiction Downloader oder Download-Story.

Noch am selben Abend klickt sich der Webflaneur durch die Archive. Doch trotz ihrer Begeisterung und seiner Bemühungen: Fanliteratur bleibt für ihn ein Buch mit sieben Siegeln.

Einfacher lesen

Webflaneur am Mittwoch den 5. Dezember 2007

Der Webflaneur sitzt zu Hause und liest. Wie fast jeden Tag durchkämmt er auch heute eine lange Liste mit Websites. Er informiert sich in Onlinezeitungen und Nachrichtentickern, schmökert in Blogs, verfolgt Diskussionen in Foren. Müsste er jede Website einzeln ansurfen, bräuchte er einen halben Tag dafür. Rssowl – oder einer der vielen anderen so genannten Feed-Reader – hilft ihm Zeit zu sparen: Das Programm sammelt auf abonnierten Portalen, Blogs und Foren alles Neue zusammen und stellt es übersichtlich dar – ähnlich wie ein E-Mail-Programm die digitale Post. So sieht der Webflaneur auf einen Klick, was er lesen muss.

Der Webflaneur wühlt sich durch die Nachrichten des Tages. Die Firma Google habe dem Reader eine neue Funktion spendiert, liest er in einer Meldung. Der Dienst empfehle den Nutzern nun auf Wunsch andere Nachrichtenkanäle mit ähnlichen Themen. Dazu vergleiche Google das Abonnierte mit der Selektion anderer Nutzer. Wird etwa Heises Technikticker abonniert, schlägt der Dienst zusätzlich jenen der «Netzwelt» und des «PC-Tipp» vor. Zudem könne der Reader, so liest der Webflaneur weiter, auch anhand der Liste der besuchten Seiten herausfinden, was den Nutzer interessieren dürfte.

Eine spannende Funktion, urteilt der Webflaneur; dies kann sein Feed-Reader-Programm bislang nicht. Soll er deshalb zu einem Onlineaggregator wechseln?, fragt er sich – sei es zum besagten von Google oder allenfalls zu einer Alternative: zum Klassiker Bloglines etwa (Update: nicht mehr aktiv. Eine Liste mit Alternativen ist hier zu finden), zu Live von Microsoft, zu jenem von Yahoo, zu Netvibes oder zu Pageflakes. Er könnte, so sinniert der Webflaneur weiter, auch einen eigenen Aggregator auf seinem gemieteten Zentralrechner installieren. Mit Gregarius, Lilina und Tiny Tiny RSS hat er auch schon die passende Software dazu gefunden. Doch die Installation ist ihm zu aufwändig.

Nein, zu Google wechsle er nicht, beschliesst der Webflaneur schliesslich. Die Firma horte bereits einige seiner E-Mails, Dokumente und Termine und speichere zudem die Lesezeichen seines Webbrowsers. Das reiche. Google brauche nicht auch noch zu wissen, was er gerne lese – und auch keiner der anderen Aggregatoren. Deshalb bleibt der Webflaneur seinem guten alten Feed-Reader-Programm treu. Und er klickt sich zur nächsten Meldung.

Happy Birthday :-)

Webflaneur am Mittwoch den 26. September 2007
Am Anfang stand ein Witz. Einige Informatiker der Carnegie Mellon University in Pittsburgh machten sich vor 25 Jahren auf einem Schwarzen Brett im Computernetzwerk über die Kollegen Physiker und deren abstruse Experimente lustig – etwas zu verklausuliert, als dass der Webflaneur alles nacherzählen könnte. Und offenbar selbst zu verklausuliert für einige Kollegen: Diese nahmen die Satire ernst. Das Missverständnis führte zu einer profunden Debatte über die Kennzeichnung ironisch gemeinter Bemerkungen in elektronischen Texten.
Die ersten Ideen waren pragmatisch: Einige Diskussionsteilnehmer wollten satirische Aussagen in der Betreffzeile markieren – gute Witze mit einem *, schlechte mit dem %-Zeichen. Ist ein Witz so schlecht, dass er wieder gut ist, könne er mit *% gekennzeichnet werden, schlug einer – augenzwinkernd? – vor. Ein anderer bevorzugte das Zeichen &, das aussehe wie ein dicker Mann, der sich vor Lachen krümmt. Einer votierte für #: Eine «detaillierte (also kürzer als eine Minute dauernde) Studie über die piktographischen Wirkungen der Schriftzeichen» habe ergeben, dass die Raute an Zähne zwischen lachenden Lippen gemahne. So wogte die Debatte hin und her, bis ihr Scott Fahlman mit einem lakonischen Beitrag ein Ende setzte: «Ich schlage die folgende Zeichensequenz als Witz-Symbol vor: :-). Lest sie seitwärts.» Als Seitenhieb auf die lange Debatte fügte er an: «Es wäre angesichts des aktuellen Trends ökonomischer, ernst gemeinte Beiträge zu kennzeichnen.»
Das war die Geburtsstunde der Smileys oder Emoticons, wie die Zeichengesichter auch genannt werden. Sie verbreiteten sich im Uninetzwerk, hangelten sich via Arpanet von Netz zu Netz weiter. Wo sie vorbeikamen, entstanden neue: (:-) ist laut einem Professor, der die Meldung vom «Kommunikationsdurchbruch» damals weiter verschickte, eine Witzkennzeichnung für Nachrichten, die sich mit Fahrradhelmen beschäftigen. (-: ist ein Smiley für Linkshänder, :-0 ist ein erstauntes, 😀 ein laut lachendes, :-*) ein errötendes, :’-( ein weinendes Emoticon. d:-) trägt eine Schirmmütze, {:-) ein Toupet, 0:-) ziert sich mit einem Heiligenschein. Geraucht wird mit :-Q, geküsst per :-*.
Scott Fahlman aber ist Purist geblieben: Er benutzt nur seine ursprünglichen Emoticons. Der Webflaneur hingegen lacht gerne mal anders. Wandelt aber ein Programm oder ein Handy Textgesichter in grausig gelbe Grinsegrafiken um, hört bei ihm der Spass auf. Dabei bleibt er, auch wenn seine Chat-Partnerinnen animierte Gesichtchen «sooooo knudelig» finden. 😉

Eine Lerneinheit

Webflaneur am Mittwoch den 25. Juli 2007

Screenshot Jmemorize.org

Der Französischlehrer sprach Klartext: Er investiere besser mehr Zeit ins Wörter lernen, hat er dem Webflaneur beschieden, und weniger ins Programmieren seines Vokabeltrainers. Daran erinnert sich der Webflaneur, als er durch die Softwareabteilung eines Ladens schlendert. Er ist auf der Suche nach einem Sprachtrainer, um sein Vocabulaire aufzupeppen, bevor er Richtung Atlantik pedalt. Doch er kauft keinen. Denn er will bloss Wörter wiederholen. Und dazu braucht er keinen kompletten Lehrgang.

Er übe online, beschliesst der Webflaneur, surft und findet. Pons bietet vollständige Lerneinheiten an – derzeit aber nur für Englisch. Der Webflaneur probiert Dict.leo.org aus, Memomo.net und Vokabeltrainer-online.net. Er übt etwas mit Check.2ni.ch, My.dict.cc, Vocabulix.com und Vokabel.org. Schliesslich landet er bei Vokker.net, einem praktischen und schön gestalteten Online-Vokabeltrainer. Leider mangelt es diesem aber noch an Wörtern. Und selber eingeben mag er die Vokabelliste für seine kurze Repetition nicht.

Deshalb probiert der Webflaneur es mit Programmen – mit den Trainern von Teachmaster und Archivista für Windows etwa oder mit dem Linux-Trainer Kvoctrain. Er spielt mit Java-Trainern von Dingsbums.vanosten.net und Jmemorize.org sowie mit jenem von Pauker.sourceforge.net, der auch in Versionen für Handys und Westentaschencomputer heruntergeladen werden kann.

Heute müsse man sich kein eigenes Trainingsprogramm mehr schreiben, sinniert der Webflaneur nach seinen Tests. Und ja, lieber Französischlehrer: Statt zu programmieren könnte der Webflaneur heute konzentriert üben – oder tagelang Lernsoftware ausprobieren.

Das Zwiegespräch *

Webflaneur am Dienstag den 17. Oktober 2006

Der Berner Zeitungsblogger ist ganz aus dem Häuschen. «Ich kriege einen kleinen Eugen», frohlockt er und hüpft durchs Büro. «Pssst, sei still», zischt ihm Redaktor Mathias zu. Als sie später alleine im Büro sind, hält dieser ihm eine Standpauke: «Wie oft habe ich dir eingeschärft, dass du dich nicht zeigen darfst?», massregelt Mathias den Zeitungsblogger. Für seine Kollegen sei er eine fiktive Figur. «Im Übrigen kriegst nicht du diesen Eugen, sondern ich für das, was ich geschrieben habe – über dich.»

Der Zeitungsblogger ist ganz geknickt. Er habe die «Weblog»-Kolumne immer für ein gemeinsames Werk gehalten, sagt er. Und dann fügt er trotzig hinzu: «Aber offenbar brauchst du mich jetzt nicht mehr.» So habe er es nicht gemeint, versucht Mathias die Wogen zu glätten. Er erinnere sich gerne an all die Abenteuer, die sie in den Kolumnen der letzten beiden Jahre gemeinsam erlebt hätten. Und er werde ihm ewig dankbar sein, dass er plötzlich aufgetaucht ist – damals, als der Chef ihm aufgetragen habe, den Lesern Surftipps zu geben. Zuerst habe er die Links einfach auflisten wollen. «Stell dir vor, wie langweilig das geworden wäre…» Es sei nur dank der «schier unglaublichen Abenteuer des B.Z.», dass einige Leser seine Kolumne gerne läsen.

Der Berner Zeitungsblogger errötet. Um abzulenken, fragt er, wie er denn eigentlich zur Kolumne gekommen sei. Er habe drei Jahre lang die Technikseite «e-world» gemacht, antwortet Mathias. «Und vorher?» Mathias kramt aus der Erinnerung Schülerzeitungsprojekte aus Sek- und Seminartagen in der Region Bern zu Tage, erzählt von einer Stellvertretung als Lehrer, einem Auslandjahr, dem Anfang des Studiums in Medienwissenschaften.

Doch gerade, als er vom Praktikum und der Teilzeitanstellung bei der Berner Zeitung erzählen will, schreitet Kollege Schreiber ins Büro. Mathias zuckt zusammen. «Führst du wieder Selbstgespräche?», fragt Schreiber kopfschüttelnd. Und er fügt an, als hätte er mitgelauscht: Es gebe ihn gar nicht, diesen Zeitungsblogger. «Mit über 30 Lenzen sollte man solchen Hirngespinsten entwachsen sein.» Genau, es gebe ihn gar nicht, wiederholt Mathias. Er wendet sich wieder seinem Rechner zu. Und ganz leise sagt er: «Den Zeitungsblogger gibt es nicht mehr. Fortan heisst du Webflaneur.»

* Herzlichen Dank der Bedag für die “Mention spéciale” an der Verleihung des diesjährigen Medienpreises. Der Eugen kriegt ein Ehrenplätzchen. Oben stehender Text ist mein etwas anderer Lebenslauf für die Festschrift. Und zur Feier des Tages gibts einige Kolumnen als Podcast. Hier schon mal “Das Zwiegespräch” – wie versprochen gesprochen.

Das freigelassene Buch

Webflaneur am Mittwoch den 4. Oktober 2006

Screenshot Bookcrossing.com

Auf der Bank liegen Bücher. Der Webflaneur setzt sich hin und nimmt eines. Das Buch sei nicht etwa vergessen gegangen, liest er auf der Etikette. Es sei nicht billig «entsorgt» worden, und man solle es auch jetzt, da es da liege, nicht wegwerfen. Das Buch sei bewusst freigelassen worden. Wer es finde, dürfe es mitnehmen. Und wer mehr wissen wolle, schaue bei Bookcrossing.com vorbei.

Der Webflaneur kramt einen kleinen Band mit Erläuterungen zu «La grande peur dans la montagne» aus dem Stapel hervor und packt ihn ein – in memoriam Ramuz’ Werk, das mit fast seiner gesamten Bibliothek vor einem Jahr ertrunken ist. Wieder zuhause startet er den Rechner, surft auf die besagte Website und erfährt: Es war Dipladenia, die – oder der? – die Bücher bei der Tramhaltestelle auf der Bank deponiert hat. Bei Bookcrossers.ch liest er, wie der Tausch funktioniert: Wer ein Buch aus der Enge des Regals in die Freiheit entlassen will, registriert es online. Dabei erhält es eine «Bookcrossing-Identifikationsnummer». Diese wird auf dem Umschlag notiert. Dann wird das Buch ausgesetzt: im Wartezimmer des Arztes etwa, in einem Café oder eben an einer Tramhaltestelle. Wer das Buch findet, darf es mitnehmen. Registriert die Finderin oder der Finder den Fund auf der Website, können ehemalige Besitzer den Weg «ihres» Buches verfolgen. Und der Finder kann mit seinen «Vorlesern» darüber diskutieren. Über 500000 Leserinnen und Leser machten beim unkonventionellen Büchertausch mit, liest der Webflaneur.

Einige Wochen darauf: «Zibele» lädt per E-Mail zum Büchertausch in eine Bar. Der Webflaneur kennt weder sie noch die anderen, die sich eingeschrieben haben. Und er hat seit Jahren keinen Roman mehr gelesen; seit er es mit den «Elementarteilchen» versucht hat, lebt er im literarischen Zölibat. Er geht trotzdem hin. Denn jetzt, da wieder nach Frankfurt pilgert, wer in Sachen Literatur etwas auf sich hält, glaubt auch er mitreden können zu müssen. Auf dem Tischchen in der Bar stapeln sich die Bücher. Die Bookcrosser plaudern, diskutieren und tauschen, einen ganzen Abend lang. Was sie ihm, dem Abstinenten, empfehle, fragt der Webflaneur. Henning Mankell, antwortet «Zibele» ohne zu zögern und zieht zwei Wallander-Bände aus dem Stapel hervor. Diese stehen nun im Bücherregal des Webflaneurs – dem realen wie dem virtuellen. Das virtuelle gedenkt er in Zukunft weiter zu füllen. Nicht aber das reale: Auch der Webflaneur verschenkt nun seine gelesenen Bücher, das erste heute um 11 Uhr im Entrée der Jugendherberge in Bern. Dieses Buch hat den Webflaneur vor Jahren auf eine Amerika-Reise begleitet, trägt eine Widmung, ist von Jack Kerouac und heisst «Unterwegs».

Anhang: Das freigelassene Audiobuch.