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Späte Revanche

Webflaneur am Dienstag den 17. Juli 2012

Die Schulkollegen nahmen ihn gerne auf die Schippe: «Gut Ding will Weile haben», spotteten sie, während der Webflaneur Buchstaben für Buchstaben zu Papier brachte. «Schreiben! Nicht zeichnen!», kommandierten sie. Sie forderten ihn auf, er möge sich bitte zurückmelden, sobald er den Buchstaben fertiggestellt habe. Oder sie folgten mit den Augen gemächlich einem Schriftzug, während sie flöteten: «Das nimmt langsam Formen an.»

Zugegeben: Der Webflaneur war ein langsamer Schreiber. Wenigstens kassierte er ab und zu ein Lob für seine schöne Schrift. Und es erfüllt ihn mit Genugtuung, wenn er mit einem halb so langen Aufsatz dieselbe Note holte wie sein Lieblingsgspändli, die Schnell- und Vielschreiberin.

«Doch das sind Tempi passati», schreibt der Webflaneur nun in einem langen Brief an die damalige Schnellschreiberin. Mittlerweile schreibe er schneller als sie, prahlt er. Er streicht die «bemerkenswert regelmässigen Lettern» hervor; sie habe diese sicherlich bereits gewürdigt. Genauso wie die gute Lesbarkeit der Handschrift. «Ich wüsste es schliesslich auch zu schätzen, wenn das Dechiffrieren deiner Worte einfacher wäre.»

Unter uns: Der Webflaneur mogelt. Er schreibt den Brief nicht von Hand sondern am Computer – mit der Schrift, die er bei Myscriptfont machen liess. Er musste dazu lediglich ein Formular herunterladen, ausfüllen, einscannen und hochladen. Kurz darauf erhielt er «seine» Schrift, die er dann in den richtigen Ordner des Betriebssystems kopierte. Dass er mogelt, verrät er der Schnellschreiberin natürlich nicht. Und er hofft, dass sie diese Zeilen hier nicht liest.

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