Die beiden sind unzertrennbar. Das zumindest dachte der Webflaneur. Er hat seinen Kollegen im letzten Jahr nie mehr alleine gesehen. Dieser war total vernarrt. Immer und immer wieder schwärmte er dem Webflaneur vor, dass sein Leben nun viel spannender, einfacher und besser sei.
Doch bei diesem Treffen, zu dem der Kollege mit etwas Verspätung einläuft, ist plötzlich alles anders. Betont unachtsam knallt dieser sein iPhone auf den Tisch. Der Webflaneur wirft einen Blick darauf: Das noch vor kurzem verhätschelte, gestreichelte und stets liebevoll polierte Gerät weist Misshandlungsspuren auf. «Was ist los?», fragt er sec. «Ach, nichts», wiegelt der Kollege ab. «Das iPhone ist neulich hinuntergefallen.» Der Webflaneur hebt die Augenbraue. «Du hast es fallen lassen?», fragt er. «Ein Unfall», präzisiert der Kollege. «Könnte dieser ‹Unfall› etwas mit der Präsentation des neuen iPhones, die eben gerade über die Bühne gegangen ist, zu tun haben?», fragt der Webflaneur. Und er tadelt mit betont ernster Miene: Bloss weil das Gerät nicht mehr das neuste sei und in der intensiven Zeit, die es zusammen mit ihm durchlebt habe, auch den einen oder anderen Kratzer abbekommen habe, lasse man es doch nicht einfach fallen. Früher habe man Geräte noch fürs Leben gekauft – oder für länger: Das Radio seiner Grosseltern etwa plärre bereits in der dritten Generation. «Aber offenbar sind Langzeitpartnerschaften heute passé.»
«Mea culpa», sagt der Kollege nun. Und er setzt zur Erklärung an: Die Beziehung sei seit Wochen zerrüttet – nicht nur wegen der Kratzer, sondern auch weil das Gerät immer öfters an den Aufgaben scheitere, die er ihm stelle. So gesehen sei es irgendwie verständlich, dass er heute bei der Präsentation des neuen iPhones schwach geworden sei. «Es war Liebe auf den ersten Blick», sagt er entschuldigend.
Der Webflaneur und sein Kollege brechen in schallendes Gelächter aus. Und sie stossen aufs neue iPhone an.
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