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Freunde zweiten Grades

Webflaneur am Dienstag den 11. Januar 2011

Der Webflaneur ist im Clinch: Fast täglich kriegt er auf Facebook Freundschaftsanfragen – von Leuten, die er höchstens dem Kollegenkreis zurechnet. Er bestätigt die Anfragen jeweils. Denn wiese er sie zurück, könnte dies den betreffenden Personen in den falschen Hals geraten. Bei jedem solchen Klick redet er sich ein, dass Facebook halt etwas anderes unter einem Freund verstehe als er in seinem spiessbürgerlichen Leben.

Macht der Webflaneur Kollegen oder sogar ferne Bekannte zu Facebook-Freunden, rücken diese merklich näher: Sie sehen genau, was er täglich auf der Plattform treibt. Klar, der Webflaneur könnte auf Status-Updates verzichten. Und er könnte keine Fotos mehr veröffentlichen. Alles geheim halten und nur zugucken – das tun schliesslich auch viele seiner sogenannten Freunde. Doch dies sei nun wirklich nicht der Sinn eines sozialen Netzwerks, sagt sich der Webflaneur.

Er sucht nach einer Lösung, bei der er niemanden verletzt – und trotzdem nur jenen Leuten aus seinem Privatleben erzählt, die das auch hören sollen. Seine Lösung ist einfach: Er kreiert die Liste «Ferner sind befreundet». Dieser ordnet er jene Leute zu, mit denen er im Grunde genommen nicht viel teilt. Er degradiert diese also zu Freunden zweiten Grades – oder in gut schweizerischer Terminologie: zu Kollegen. Wer in dieser Liste aufgeführt ist, soll in Zukunft keine Status-Updates mehr zu sehen bekommen, und das Fotoalbum schon gar nicht. Deshalb wählt der Webflaneur nun in der Facebook-Kontoverwaltung den Menüpunkt Privatsphäreneinstellungen. Unter «Benutzerdefiniert» kappt er den Infostrom für die Leute auf der Liste «Ferner sind befreundet».

Der Webflaneur ist überzeugt: Viele «Freunde» bemerken solche Deklassierungen nicht einmal. Es sei denn, man schreibt darüber gleich eine Kolumne.

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