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Subversive Texte

Webflaneur am Freitag den 10. Oktober 2008

Sie planen gemeinsam eine wissenschaftliche Arbeit zu schreiben. Eines Abends im Chat besprechen der Webflaneur und sein Unikollege das Vorgehen. «Ich gedenke die Arbeit in Latex zu schreiben», schreibt der Kommilitone. Der Webflaneur kugelt sich vor Lachen. «Rotfl», tippt er – kurz für «rolling on the floor laughing». Das glaube er erst, wenn er es gesehen habe, schreibt er, und hofft insgeheim, von solchen Bildern verschont zu bleiben. «Trottel», tippt der andere. Latex – ausgesprochen «Latech» – sei ein System zum Textsatz, «quasi das ‹Word› der Wissenschaftler».

Der Webflaneur macht sich kundig. Kaum hat er die drei, vier wichtigsten Befehle auswendig gelernt, meldet sich der Kollege bereits mit einer weiteren Idee: Damit sie gemeinsam am gleichen Text arbeiten könnten, machten sie es wie die Programmierer: «Wir schreiben die Arbeit mit Subversion». Er votiere gegen politische Untergrundaktionen, will der Webflaneur antworten, macht sich aber erst kundig. Subversion sei ein System zur Verwaltung von Dateiversionen, liest er. Es werde oft von Programmierern genutzt, die gemeinsam an einer Software arbeiteten. «Das klingt kompliziert», tippt der Webflaneur. Im Übrigen könne man mit Online-Textverarbeitungen auch zusammen schreiben. «Es ist ganz einfach», insistiert der Kommilitone. «Ich zeige es dir morgen.»

Am nächsten Tag in der Cafeteria: Er habe alles vorbereitet, so der Unikollege: Er habe bei Springloops, einem von vielen Anbietern, ein Konto eröffnet und die Vorlage für die Arbeit dort angefügt. Der Webflaneur müsse lediglich eine Software installieren, um auf die Arbeit zugreifen zu können. Er persönlich bevorzuge das originale Subversion, kurz SVN. Dieses Programm bediene man von der Kommandozeile aus. Die meisten Windows-Nutzer seien deshalb etwa mit TortoiseSVN und Mac-ianern mit dem ScpPlugin wohler. Mit solchen Programmen erstelle man auf dem eigenen PC eine Arbeitskopie der Datei, mit der man wie gewohnt arbeiten könne. Und so gehe es: Habe der Webflaneur den Text redigiert, schicke er die Änderungen per «Commit»-Befehl auf den Zentralcomputer. Und er selbst könne auf dem aktuellen Stand der Daten weiterarbeiten. Bevor der Webflaneur das nächste Mal schreibe, wähle er «Update», damit er seine Änderungen sehe. «Was aber geschieht, wenn wir gleichzeitig schreiben?», fragt der Webflaneur. Das System führe Änderungen automatisch zusammen, sagt der Kollege – ausser, wenn sie an der selben Zeile gearbeitet hätten. Dann müsse man den Konflikt von Hand lösen.

Am nächsten Tag beginnen der Webflaneur und sein Kollege mit der Arbeit an der Arbeit. Ihr System funktioniert. Als zwei Kolleginnen über die Versionsschlachten bei ihrer Seminararbeit klönen, zwinkern sie sich bloss zu – ganz subversiv.

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