Sie sei voll auf dem Aff gewesen, sagt sie. Und dann setzt sie zur Tirade auf die «Dilettanten von Hollywood» an: Sie wettert über die «knausrigen Studios» und die «geldgierigen Drehbuchautoren». Selbst den Schauspielern liest sie gehörig die Leviten: peinlich, dass diese «aus Pseudosolidarität mit den streikenden Schreiberlingen» die Golden-Globes-Preisverleihung zur halbstündigen Medienkonferenz verkümmern liessen. «Ein Trauerspiel war es», ruft sie, «ein Trauerspiel!»
Sie scheine tatsächlich etwas auf dem Aff zu sein, sagt der Webflaneur zaghaft. «Ich war es», präzisiert sie. Zu Beginn habe ihr die Fortsetzung ihrer Lieblingsfernsehserie gefehlt. «Es war ein kalter Entzug.» Die ersten Wochen des US-Autorenstreiks habe sie mit Wiederholungen zu überbrücken versucht. Als dann aber Wiederholungen der Wiederholungen anstanden, habe sie gehandelt: Sie habe dem Fernseher den Stecker gezogen – und mit Lesen begonnen. Sie lese nun Fanfiction.
«Fanfiction?», fragt der Webflaneur. Dabei handle es sich um von Fans geschriebene Fortsetzungen, erklärt sie. «Du vertrödelst deine Zeit mit Ergüssen von Amateurliteraten?», fragt der Webflaneur erstaunt. «Nicht jeder Fan ist ein grosser Schriftsteller», räumt sie ein. Viele Storys seien schlecht erzählt, einige peinlich, primitiv, pornografisch. «Aber ab und zu findet man echte Perlen.»
Wo er denn solche Geschichten finde, will der Webflaneur wissen. Es gebe viele Fanfiction-Archive, sagt sie. Fanfiction.net sei das wohl grösste. Darin finde man neue Soap-Episoden ebenso wie Fortsetzungen zu Romanen, zu Comics, Animationsfilmen und Games. Wenn er lieber auf Deutsch lese, solle er es bei Fanfiktion.de oder Fanficparadies.de probieren. Einige Websites seien einem bestimmten Werk gewidmet: So finde er auf Portkey.org und Fictionalley.org etwa alles zu Harry Potter. Und zur Qualität: Bei Archiven wie Checkmated.com würden Geschichten von «Beta-Lesern» testgelesen. Weitere Links, so sagt sie, finde er im Fanfictiondirectory.net. Übrigens: Damit er nicht jede Website einzeln abklappern müsse, benutze er am besten ein Programm: etwa den Fanfiction Downloader oder Download-Story.
Noch am selben Abend klickt sich der Webflaneur durch die Archive. Doch trotz ihrer Begeisterung und seiner Bemühungen: Fanliteratur bleibt für ihn ein Buch mit sieben Siegeln.
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