Der Berner Zeitungsblogger ist ganz aus dem Häuschen. «Ich kriege einen kleinen Eugen», frohlockt er und hüpft durchs Büro. «Pssst, sei still», zischt ihm Redaktor Mathias zu. Als sie später alleine im Büro sind, hält dieser ihm eine Standpauke: «Wie oft habe ich dir eingeschärft, dass du dich nicht zeigen darfst?», massregelt Mathias den Zeitungsblogger. Für seine Kollegen sei er eine fiktive Figur. «Im Übrigen kriegst nicht du diesen Eugen, sondern ich für das, was ich geschrieben habe – über dich.»
Der Zeitungsblogger ist ganz geknickt. Er habe die «Weblog»-Kolumne immer für ein gemeinsames Werk gehalten, sagt er. Und dann fügt er trotzig hinzu: «Aber offenbar brauchst du mich jetzt nicht mehr.» So habe er es nicht gemeint, versucht Mathias die Wogen zu glätten. Er erinnere sich gerne an all die Abenteuer, die sie in den Kolumnen der letzten beiden Jahre gemeinsam erlebt hätten. Und er werde ihm ewig dankbar sein, dass er plötzlich aufgetaucht ist – damals, als der Chef ihm aufgetragen habe, den Lesern Surftipps zu geben. Zuerst habe er die Links einfach auflisten wollen. «Stell dir vor, wie langweilig das geworden wäre…» Es sei nur dank der «schier unglaublichen Abenteuer des B.Z.», dass einige Leser seine Kolumne gerne läsen.
Der Berner Zeitungsblogger errötet. Um abzulenken, fragt er, wie er denn eigentlich zur Kolumne gekommen sei. Er habe drei Jahre lang die Technikseite «e-world» gemacht, antwortet Mathias. «Und vorher?» Mathias kramt aus der Erinnerung Schülerzeitungsprojekte aus Sek- und Seminartagen in der Region Bern zu Tage, erzählt von einer Stellvertretung als Lehrer, einem Auslandjahr, dem Anfang des Studiums in Medienwissenschaften.
Doch gerade, als er vom Praktikum und der Teilzeitanstellung bei der Berner Zeitung erzählen will, schreitet Kollege Schreiber ins Büro. Mathias zuckt zusammen. «Führst du wieder Selbstgespräche?», fragt Schreiber kopfschüttelnd. Und er fügt an, als hätte er mitgelauscht: Es gebe ihn gar nicht, diesen Zeitungsblogger. «Mit über 30 Lenzen sollte man solchen Hirngespinsten entwachsen sein.» Genau, es gebe ihn gar nicht, wiederholt Mathias. Er wendet sich wieder seinem Rechner zu. Und ganz leise sagt er: «Den Zeitungsblogger gibt es nicht mehr. Fortan heisst du Webflaneur.»
* Herzlichen Dank der Bedag für die “Mention spéciale” an der Verleihung des diesjährigen Medienpreises. Der Eugen kriegt ein Ehrenplätzchen. Oben stehender Text ist mein etwas anderer Lebenslauf für die Festschrift. Und zur Feier des Tages gibts einige Kolumnen als Podcast. Hier schon mal “Das Zwiegespräch” – wie versprochen gesprochen.
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