Komödie wegen Autokorrektur

Webflaneur am Mittwoch, den 24. Juni 2015

Prolog. Dank des Handys kommunizieren wir heute effizienter als früher. Und wir verstehen uns besser. Das jedenfalls predigt der Webflaneur bei jeder Gelegenheit. Oder besser: Das predigte er. Denn jüngst sind ihm bei der Nutzung des Mobiltelefons einige Missgeschicke unterlaufen.

1.Akt. Der Webflaneur und sein Nachwuchs warten auf den frischgebackenen Papa und dessen Familie. Ein Handy piepst. Der Webflaneur fischt es aus der Tasche. «Eine Kurznachricht von Kollege Papa», sagt er. Und er liest sie laut vor: «Wir verspäten uns. Das Baby will früher als erwartet gestillt werden.» Der Webflaneur schreibt zurück. «Macht euch keinen Stress. Wir warten auf dem Spielplatz.» Abgang zur Rutschbahn.

2.Akt, am Tag nach dem doch noch erfolgreichen Treffen: Der Webflaneur weidet den Nachwuchs. Ein Handy piepst. Er fischt es aus der Tasche. «Eine Kurznachricht des Kollegen Papa», sagt der Webflaneur. Und er liest sie vor: «Sorry, bin in Vorträgen bis 12.15 Uhr.» Er legt die Stirne in Falten. «Warum schreibst du?», fragt er per Kurznachricht. «Heute bin ich nicht auf diesem Spielplatz. Die Kurznachricht war von gestern.» Das wiederum irritiert den Kollegen. «Das ist klar», schreibt dieser. «Du hast mich angerufen. Oder wars der Hosensack?» – «Sorry, das war wohl das Kind. Oder der Hodensack.» – «Hihi, Hodensack ;)». – «Tssss, das wiederum war die blöde Autokorrektur beim blindlings Tippen mit Rind an der Hand.» – «Hihi, Rind ;)».

Epilog. Der Webflaneur deaktiviert die Autokorrektur.

Streetview

Webflaneur am Freitag, den 29. Mai 2015

mapillary

Der Kollege fährt voll auf Streetview ab. «Superpraktisch» seien sie, die Strassenbilder von Google. Dank ihnen könne er sich vor der Reise ein Bild davon machen, was ihn unterwegs erwarte. Und auch im eigenen Ort entdecke er oftmals Spannendes. Vor kurzem, sagt er, habe Google neue Fotos aufgeschaltet. «Heute Abend werde ich mit Vergnügen virtuell durch mein Quartier kurven.»

Der Webflaneur ist etwas kritischer. Nicht, weil er den Nutzen von Streetview nicht sähe. Und nicht, weil er sich stark um die Privatsphäre sorgte; schliesslich hat Google vom Bundesgericht strenge Anonymisierungsregeln sowie Verbotszonen etwa rund um Spitäler und Frauenhäuser aufgebrummt erhalten, und Fotos lassen sich in begründeten Fällen auch löschen. Ihn stört vielmehr das Fastmonopol, das sich Google mit den Bildern herausgefahren hat. Und als Nutzer ärgert er sich, dass stets jenes Gässchen fehlt, das ihn gerade interessiert.

Deshalb greift der Webflaneur zur Selbsthilfe: Er installiert die App Mapillary (Android, iOS, Windows Phone) auf dem Smartphone und montiert dieses auf dem Velogidon. Es schiesst nun alle zwei Sekunden ein Foto. Sobald es sich in einem WLAN einbucht, werden die Bilder auf die Mapillary-Plattform hochgeladen, wo die Gesichter und Nummernschilder verpixelt und bestimmte Objekte erkannt werden sollen. Dort kann man sich die abgefahrenen Routen auch ansehen. Und dort steht auch, wie man die Fotos sonst noch nutzen kann — etwa zum Zeichnen einer Landkarte.

Einige Tage später zeigt der Webflaneur dem Kollegen, was die Mapillary-Nutzer alles fotografiert haben. Dieser staunt. Denn auf einigen Bildern ist genau jene Gasse zu sehen, die er damals bei seinem abendlichen Streetview-Fährtchen vermisst hat. Ja, jene, die zur Privatklinik führt.

Die Notifikation

Mathias Born am Mittwoch, den 20. Mai 2015

Sie liest ihm gehörig die Leviten. «Von einem Technikfreak wie dir dürfte man schon erwarten, dass das Smartphone nicht stundenlang in der Tasche liegen bleibt», tadelt sie ihn.  Der Webflaneur schaut ganz betreten drein. Dann entschuldigt er sich in aller Form. Schliesslich rechtfertigt er sich – er sei emsig am Arbeiten gewesen – und faselt etwas von «ablenkungslosem Schreiben».

Was der Webflaneur nicht sagt: Er vergisst das Smartphone auch dann ab und zu in der Jackentasche, wenn er nicht unter Hochdruck arbeitet. Es könnte also tatsächlich vorkommen, dass er deshalb wirklich etwas Wichtiges verpasst.  Deshalb sucht er nun nach einer Lösung für sein  Aufmerksamkeitsdefizit. Er findet sie rasch: die App Pushbullet zeigt Notifikationen ab dem Smartphone direkt am Computerbildschirm an. Trifft eine Kurznachricht ein oder ruft jemand an, erscheint am grossen Bildschirm ein Hinweis, selbst dann, wenn das Smartphone noch bei der Garderobe abhängt. Und auch, wenn der Wecker läutet oder der Kalender auf einen Termin hinweist. Selbstverständlich lässt sich einstellen, welche Notifikationen gewünscht sind. Ganz begeistert ist der Webflaneur aber von einer Zusatzfunktion: Er kann eintreffende SMS gleich am Computer beantworten – ohne sich mit der kleinen Bildschirmtastatur seines Smartphones abmühen zu müssen.

Die Begeisterung über die Notifikationsapp hält indes nur kurz an. Dann merkt der Webflaneur: Seit ihn Pushbullet auf neue Meldungen aufmerksam macht, kann er sich nicht mehr konzentrieren.

Alles im Griff

Mathias Born am Montag, den 11. Mai 2015

Dieses Mal hat er kein Musikgehör. «Keine Zeit», brummt Kollege Musikus. «Notier deine Gitarrengriffe und Schlagzeugstimmen selber!» Der Webflaneur versucht ihn umzustimmen: Er spendiert ihm ein Holdrio und lobt ihn in den höchsten Tönen. Doch der Kollege will nicht mitspielen.

Eines späten Abends macht sich der Webflaneur dann selber ans Werk. Er versucht den Song zu Papier beziehungsweise in den Computer zu bringen. Dazu besorgt er sich das freie Notationsprogramm Musescore.

Mit Freude stellt er fest: Die neu erschienene Version 2 bietet genau das, was er braucht. Nun können etwa Griffangaben für Gitarren sowie Schlagzeugnoten hinzugefügt werden. Im Vergleich zur Vorversion wurden zudem der Im- und der Export verbessert. Auch lassen sich einfacher einzelne Stimmen aus der Partitur herausholen. Und dank einer neuen Notenschrift muss man nicht mehr oft nachträglich selber Hand anlegen.

Eben gerade will der Webflaneur damit beginnen, Note für Note auf oder zwischen die Linien zu ziehen. Da bemerkt er rechts die Musikaustauschplattform, die harmonisch mit dem Programm zusammenspielt. Darin findet er jenes Lied, das er arrangieren will. Ein Klick und wenige Retouchen – schon ist das Werk fertig. Das ist Musik!

Ein Vorsatz

Mathias Born am Montag, den 19. Januar 2015

Le flâneur web veut absolument améliorer son français. Das hat er sich zu Jahresbeginn fest vorgenommen. Doch um einen cours du soir zu belegen, fehlt ihm die freie Zeit. Die bequemste Alternative dazu ist ein cours en ligne. Einen solchen hat der Webflaneur bei Duolingo entdeckt – einem aussergewöhnlichen Portal zum Lernen von Fremdsprachen: Es kann kostenlos genutzt werden. Und: Beim Lernen hilft man beiläufig dabei, Websites zu übersetzen. Damit wollen die Betreiber Geld verdienen – und nicht mit den Kursen. Der Webflaneur findet die Idee, die vom selben Mann ausgeheckt worden ist wie die Spamschutz-Captchas, spannend und très sympa.

Er beginnt mit den études. Dabei hat er die Wahl, bei null anzufangen oder im Schnellverfahren Fertigkeiten frei zu testen. Er entscheidet sich für die zweite Option. Denn er ist zwar nicht so fortgeschritten, wie er sein sollte, aber auch kein Novize mehr. Der Webflaneur übersetzt Wörter und Sätze von Französisch nach Deutsch und zurück. Er klickt passende Optionen an. Und ab und zu spricht er einen Satz ins Mikrofon.

Mit jeder Lerneinheit verdient er sich Experience Points, kurz XPs. Täglich muss er sein Konto mit einer bestimmten Anzahl XPs äufnen. Doch leider versagt er schon am dritten Tag, le flâneur web qui voulait absolument améliorer son français.

Decodiert

Webflaneur am Montag, den 22. Dezember 2014

Diese E-Mail scheint ihm irgendwie verdächtig zu sein. Es ist nicht die Absenderadresse, die beim Webflaneur die Alarmglocken schrillen lässt: Er kennt die Anschrift gut; sie gehört einer Professorin, die er während des langen Auslandaufenthalts in seiner Jugend kennen gelernt hat. Auch der Betreff  – «Frohes Fest!» – klingt harmlos. Genauso wie der Text: «Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr wünsch ich dir.»

Der Webflaneur wundert sich vielmehr über den Anhang. Der E-Mail liegt nicht etwa ein Bild oder ein Text bei, sondern eine Datei namens Winmail.dat. «Ein Virus?», fragt er sich. Besser, er lässt die Finger davon und wirft stattdessen zuerst die Suchmaschine an. Kurz darauf ist der Webflaneur schlauer: Bei der angehängten Datei handelt es sich um Inhalte, die mit Microsofts Programm Outlook im firmeneigenen «Transport Neutral Encapsulation Format» verschickt worden sind. Zwar kommen viele E-Mail-Programme damit zurecht. Aber offensichtlich nicht alle: In den Hilfsforen ist Winmail.dat jedenfalls seit Jahren immer wieder ein Thema.

Nun will es der Webflaneur genau wissen. Zuerst versucht er die E-Mail im Webmail zu öffnen. Dann leitet er sie an seinen Geschäftsaccount weiter, um sie mit Outlook anzusehen. Doch auch das bringt nichts. Bevor er nun eine Spezialsoftware wie den Winmail Opener von Eolsoft (Windows) oder TNEF’s Enough (Mac und Linux) bemüht, versucht er es mit dem Webdienst Winmaildat.com. Es klappt. In der Datei liegt eine Kopie des eingangs erwähnten Textes, flankiert von einigen Familienfotos der Bekannten.

Apropos: Per Zufall öffnet der Webflaneur die E-Mail wenig später nochmals im Webmail. Nun ist Winmail.dat plötzlich weg. Stattdessen ist die Glückwunschkarte zu sehen. Es geschehen wahrlich noch Wunder.

Offline for a while

Webflaneur am Montag, den 1. Dezember 2014

Er brauche jetzt Ruhe, wettert der Webflaneur. Ansonsten bringe er seine Zeilen nicht zeitgerecht zu Papier. Böse guckt er sein Smartphone an. Doch dieses lässt sich nicht beirren: Es zaubert wie zum Trotz ein belangloses Facebook-Update eines flüchtigen Bekannten aufs Display. Es weist auf einige neue E-Mails hin. Und es klingelt auch noch.

Nun benötigt der Webflaneur aber definitiv eine Auszeit. Er nimmt das Gerät zur Hand und installiert darauf die neue Android-App My Time von Swisscom. Diese soll ihm dabei helfen, gezielt Auszeiten zu nehmen: Sie blockiert auf Wunsch bestimmte Apps. Sie weist Anrufe ab – und benachrichtigt Anrufer per SMS, bis wann die Pause dauert. Sie lässt sich sogar so einstellen, dass der Webflaneur trotz Auszeit für einzelne, ausgewählte Personen erreichbar bleibt. Und sie soll dem Webflaneur dabei helfen den Überblick über seine Handynutzung zu behalten.

Die Offline-Funktion funktioniert tadellos, und der Webflaneur bringt diese paar Zeilen schliesslich zu Papier beziehungsweise in den Speicher. Wobei: Wäre es nicht effizienter gewesen, wenn er sein Smartphone einfach ausgeschaltet hätte?

Der Kniff

Webflaneur am Freitag, den 14. November 2014

Er sei konsterniert, sagt der Kollege. Vor zwei Jahren habe er sich ein sündhaft teures Smartphone geleistet. «Doch nun geht diesem bereits der interne Speicher aus.» Und dies, obwohl er alle überflüssigen Apps gelöscht und die anderen, wenn möglich, auf die Speicherkarte verbannt habe. Nicht einmal mehr SMS könne er empfangen, und neue Apps liessen sich schon gar nicht installieren. «Ich muss mir wohl ein neues Smartphone kaufen», klagt er, «obwohl ich mit meinem eigentlich zufrieden bin.»

«Samsung-Smartphone unter Android?», fragt der Webflaneur. Der Kollege nickt. Er kenne das Problem allzu gut, sagt der Webflaneur: Unnütze Logs füllen den Speicher. Mehrere Abende lang habe er gegen das Problem angekämpft.  Schliesslich habe er zur Radikallösung gegriffen: Er hat Android neu aufgespielt.

«Dann kaufe ich mir besser ein neues Smartphone?», fragt der Kollege. «Nein», sagt der Webflaneur. Wie er mittlerweile herausgefunden habe, gebe es einen ganz einfachen Kniff.
Der Webflaneur ergreift das Smartphone. Er öffnet die Telefon-App. «Willst du jemanden anrufen?», fragt der Kollege. Nein, er wolle niemanden anrufen, brummelt der Webflaneur, sondern etwas aufrufen: einen sogenannten MMI-Code.

Dort, wo normalerweise die Telefonnummer hingeschrieben wird, fügt er folgende Zeichen ein: *#9900#. Dann drückt er die Anruftaste. Tatsächlich: Auf dem Bildschirm erscheint ein Menü mit kryptischen Optionen. Einige davon bekommt der normale Nutzer mit gutem Grund nicht zu Gesicht. In diesem Menü ist die Option «Delete dumpstate/logcat» zu finden.

«Versuchs mal damit», sagt der Webflaneur und gibt dem Kollegen sein Gerät zurück. Im Handumdrehen löst dieser sein Speicherproblem. Er ist glücklich, dass sein Smartphone endlich wieder funktioniert. Und etwas traurig, dass er kein neues kaufen muss.

Gruss aus der Wand

Mathias Born am Freitag, den 1. August 2014

An dieser Ansichtskarte hat der Webflaneur seine helle Freude. Zum einen, weil sich die Kollegin, die gerne Felswände hochkraxelt, die Zeit nahm zu schreiben. Zum anderen wegen des Sujets: Die Kletterin hat es nicht bei einer Landschaftsaufnahme belassen, wie sie in Souvenirshops zu Hunderten für wenig Geld zu haben sind. Stattdessen hat sie eine Postkarte mit einem eigenen Bild fertigen lassen. Und zwar wortwörtlich: Man sieht darauf, wie sie scheinbar mühelos und sehr elegant eine Felswand erklimmt, im Hintergrund der Vulkan der Ferieninsel.

Die Partnerin des Webflaneurs hingegen runzelt die Stirn. Nicht wegen der Selbstinszenierung  der Kollegin auf der Vorder-, sondern wegen der Marke auf der Rückseite: Die Karte wurde offensichtlich aus Deutschland versandt. Unterwegs ist die Kletterin aber in Spanien. Das sei logisch, sagt der Webflaneur: Die Ansichtskarte ist von einem deutschen Onlineanbieter produziert worden.

Das war letztes Jahr. Mittlerweile bietet mit Ifolor ein Schweizer Labor Ähnliches an: In der Postkarten-App fürs iPhone wählt man ein Foto für die Vorderseite aus und auf Wunsch ein zweites für die Marke. Adresse erfassen, Text tippen, bezahlen – schon wird die Karte gefertigt. Kostenpunkt: 2.95 Franken inklusive Versand.

Der Schönheitsfehler bleibt derselbe: die falsche Marke. Wobei: Allzu oft prangen auch auf den ganz normalen Postkarten des Webflaneurs Schweizer Marken: immer dann, wenn er sie im letzten Moment geschrieben, dann aber auf die Schnelle keinen Briefkasten mehr gefunden hat.

Aufgespielt

Mathias Born am Sonntag, den 22. Juni 2014

Dieses Mal bereitet sich der Webflaneur sehr gut vor. Lange bevor das erste Konzert über die Bühne geht, spielt er die Apps auf sein Smartphone auf, die ihm vor und während der Open Airs von Nutzen sein könnten. Dazu gehören zuallererst die Programme mit den Festivalprogrammen.

Für den Fall, dass er am Festival einmal ein Stück nicht benamsen kann, installiert der Webflaneur Shazam (Android, iOS), TrackID (Android) oder SoundHound (Android, iOS). Eine Aufnahme von wenigen Sekunden genügt – schon zeigen diese Apps den Titel und den Interpreten des Songs an. Zumindest, wenn der Musiker das Stück nicht allzu frei interpretiert und das Festivalvolk nicht allzu laut grölt.

Apropos laut: Mit Decibel 10th (iOS), Noise Meter (Android) und Sound Meter (Android) kriegt der Webflaneur, wenn auch keine exakten Werte, zumindest eine leise Ahnung davon, wie laut das Konzert ist. So kann er rechtzeitig die Stöpsel setzen, bevor es in seinen Ohren zu pfeifen beginnt. Und apropos Grölen: Mit dem Promille Rechner (Android) oder mit Intelli Drink (iOS) gedenkt der Webflaneur anhand seiner Körpergrösse, des Gewichts, des Alters sowie der konsumierten Getränke sicherzustellen, dass er selber nicht allzu laut und lustig wird.

Schliesslich installiert er noch den Tentfinder (iOS) auf seinem Smartphone, dank dem er das eigene Zelt wiederfinden soll – trotz Dunkel- und allfälliger Trunkenheit. Auf dem Weg zum Zelt dürfte – sofern das Gerät dann noch Saft hat – zudem die integrierte Taschenlampenfunktion hilfreich sein.

Zufrieden lehnt sich der Webflaneur nun zurück. Jetzt fehlt ihm nur noch eines: ein Ticket fürs Open-Air-Festival.