Meine Glücksmomente in der Corona-Zeit

Nostalgische Gefühle, fantastische Träume und emotionale Wiedersehen: Neben vielen schwierigen Momenten boten die vergangenen Wochen auch einige Highlights.

Wie früher in der Kindheit: Blumensträusse pflücken macht auch heute noch Freude. Foto: Getty Images

Es gibt viele Menschen, die der aktuellen Zeit nur mit Mühe etwas Positives abgewinnen können. Es spricht tatsächlich einiges dafür, dass das Jahr 2020 das Potenzial hat, als «Annus horribilis» – wie die krisenerprobte Queen es nennen würde – in die Geschichtsbücher einzugehen. Selbst wer bisher das Glück hatte, nicht am Coronavirus erkrankt zu sein oder gar jemanden an das Virus verloren zu haben, hat sicher einige Gründe, um sich zu beklagen. Auch wenn es dabei nicht um Leben oder Tod geht, sondern «nur» um nicht stattfindende Ferien unter Palmen, abgesagte Open Airs, verschobene Hochzeiten oder andere Festivitäten, auf die man sich gefreut hatte. Alles unter dem Motto: Ausser Spesen nichts gewesen!

Umgekehrt gibt es auch jene Menschen, die sich über die ungewohnte Musse und die viele freie Zeit, die Corona mit sich brachte, freuen. Sei es, weil sie positive Erfahrungen mit der Hilfsbereitschaft anderer gemacht oder sich in der Krise neu erfahren oder gar neu erfunden haben. In letzter Zeit ist mir aber aufgefallen, dass der Graben zwischen diesen beiden Gruppen grösser geworden ist – und damit auch das gegenseitige Unverständnis. Die einen mögen nichts mehr von der düsteren Weltsicht der anderen hören. Umgekehrt werfen die Pessimisten den «Corona-Optimisten» vor, weltfremd und naiv zu sein. Sie würden mit ihrer naiven «Sweet Home»-Attitüde, bei der Aufzucht der Tomatenstauden auf dem Balkon und beim Zusammensetzen des 10’000-teiligen Puzzles verdrängen, dass gerade die Welt den Bach runtergeht.

Meine persönliche Zwischenbilanz ist ziemlich durchzogen. Ich hatte in den letzten Wochen, wie an dieser Stelle auch schon beschrieben, mit schwierigen Momenten zu kämpfen. Aber es hat sich gezeigt, dass auch in schweren Zeiten Glücksmomente möglich sind. Und dass man diese vielleicht noch mehr schätzt, als wenn im normalen Alltag alles glatt läuft.

10 persönliche Highlights der letzten Wochen

1. Das erste Wiedersehen

Das erste reale Treffen mit engen Familienmitgliedern nach Wochen, in denen nur ein virtueller Austausch möglich war, war zauberhaft. Auch wenn es etwas unromantisch zwischen dem Balkon und einem Vorplatz stattfand, um die nötige Distanz einzuhalten. Was gesprochen wurde: unwichtig! In Erinnerung bleiben die leuchtenden Kinderaugen beim Auspacken der mitgebrachten Osterhasen. Schön war auch, dass wir Erwachsenen diese Glücksmomente wohl ähnlich empfanden. Dankbar, dass wir gesund waren.

2. Der überraschende Besuch

So schön der Ostersonntag, so trist meine Laune am Tag danach. Da waren plötzlich all die traurigen Erinnerungen, die mich zu lähmen schienen. Und ich beschloss, nicht wie geplant einige Freunde zu besuchen. Dass der Tag dann doch noch Glücksmomente bescherte, hatte ich einer guten Freundin zu verdanken. «Wenn du nicht zu uns kommst, kommen wir zu dir», sagte sie, als sie mit ihren beiden Töchtern vor der Haustür stand. Als wir dann im Gang mit dem nötigen Abstand eine kleine Wiedersehensparty feierten, wurde mir wieder einmal bewusst, wie wichtig echte Freundschaften sind.

3. Schönheit überall

Für viele war der vergangene Montag, 27. April, so etwas wie Weihnachten und Ostern zusammen. Wer das Glück hatte, einen Coiffeurtermin zu ergattern, konnte die Schönheitspflege endlich wieder in professionelle Hände geben. Und am Ende dieses Tages waren nicht nur unschöne Haaransätze verschwunden, sondern auch eingewachsene Nasenhaare und ausgewachsene Gelnägel. Apropos Natur pur: Was andere für ihre Schönheit ausgaben, investierte ich in den Kauf von Blumen. Meine Glücksmomente erlebte ich, als ich meinen Lieblingsblumenladen betrat und mich in einer farbenprächtigen, wohlduftenden Oase wiederfand, die meine Sinne betörte.

4. Wärme im Bauch

Es blies an diesem Freitagnachmittag eine steife Brise, als ich mit meiner besten Freundin auf der Terrasse meiner Wohnung einen Espresso trinken konnte. Die Wärme, die ich im Inneren fühlte, hatte weniger mit dem Kaffee zu tun, sondern mit der Wiedersehensfreude nach zwei langen Monaten. Schwierig war es allerdings, sie nicht, wie sonst üblich, in die Arme zu nehmen und zu drücken.

5. Nostalgische Gefühle

Für andere mag es banal klingen. Aber als ich vor kurzem zum ersten Mal nach langer Zeit einen Wiesenblumenstrauss pflückte, spürte ich kindliche Freude. Wie vor vielen Jahren, als ich meiner Mutter als kleines Mädchen stolz selbst gepflückte Sträusschen heimbrachte.

6. Nähe trotz Distanz

Am Ende eines Waldspaziergangs mit meinen beiden Hunden wurde ich Zeugin einer rührenden Abschiedsszene. Bevor eine Frau mittleren Alters ins Auto stieg, sagte sie auf dem Parkplatz zu ihrem Vater: «Paps, das war wieder mal schön mit uns zwei!» Und der alte Herr formte mit seinen Armen einen Kreis, der wohl für eine Umarmung stand, und antwortete: «Dich zu sehen und mit dir Zeit verbringen zu dürfen, ist das schönste Geschenk.»

7. Kulinarische Genüsse

Weil mein Mann weiss, dass ich am Morgen Mühe habe, in den Tag zu starten, bringt er mir nicht wie sonst nur eine Tasse Kaffee ans Bett, sondern auch immer einen kleinen Zmorge. Sei es ein leckerer Vanillequark, ein Honigbrötchen oder ein Früchtemüesli. Da er jetzt mehr Zeit hat als sonst, gibt es nicht nur am Wochenende kulinarische Genüsse, sondern auch unter der Woche abends. Und so manche Glückshormone werden beim Genuss von frischen Spargeln mit selbst gemachter Mayo oder auch beim Biss in den selbst gebackenen Butterzopf aktiviert.

Dafür muss man nicht ins Café: Kaffee und frische Früchte im Bett. Foto: Pexels

8. Die erlösende Nachricht

Mein 12-jähriger Hund Louis musste operiert werden, nachdem bei ihm nach einer Punktion ein bösartiger Tumor vermutet wurde. Zum grossen Glück bewahrheiteten sich diese Befürchtungen nicht, das Geschwulst war gutartig. Die Glücksgefühle, die ich empfand, als mir die Tierärztin den Befund mitgeteilte, halten bis heute an.

9. Nächtliche Botschaft

Beim Einschlafen durch das Fenster den Himmel zu beobachten, beruhigt mich. Vor einigen Tagen ging plötzlich eine Sternschnuppe nieder. Ich sah dies als glücksbringendes Zeichen, vor allem auch, weil es schon lange her ist, dass ich das erlebt hatte.

10. Fantastische Traumwelten

Neben der Tatsache, dass ich mich endlich vermehrt einem meiner Lieblingsbedürfnisse, dem Schlafen, widmen kann, unterhalten mich meine Träume oft so gut wie eine erstklassige Netflix-Serie. Und das Tollste: Oft kann ich mich beim Aufwachen an sie erinnern, etwa daran, dass mir Herbert Grönemeyer ein Privatkonzert gegeben hat, oder dass ich plötzlich wieder lange Haare hatte und diese liebte. Und dass ich mit meinem alten Velosolex zum Mond geflogen bin. Der Höhepunkt meiner Traumserie war allerdings mein Auftritt als Sängerin auf einer riesigen Bühne – mit Justin Bieber als Backgroundsänger.

Warum nicht nur ich, sondern auch viele andere Menschen in Corona-Zeiten bunter und verrückter träumen, versuche ich im nächsten Blogbeitrag zu ergründen.

Ein Kommentar zu «Meine Glücksmomente in der Corona-Zeit»

  • Sissy sagt:

    Liebe Silvia Aeschbach

    Einfach nur DANKE für diese Lichtblicke, von denen ich zwar nicht alle, aber dennoch einige nachempfinden und -fühlen kann!
    Ich freue mich stets sehr über Ihre Artikel, sie sprechen mir aus der Seele. Weiter so ☺
    Von Herzen wünsche ich Ihnen und Ihren Lieben noch viele weitere schöne Glücksmomente in dieser Zeit!
    Herzlichst, Ihre „Stammleserin“ Sissy

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